DRESDNER PHILHARMONIE setzt, sie sind nicht, wie von sowjetischer Seite behauptet, eine Fälschung Wolkows, dann gilt es, hinter der romantisch-schwärmerischen Mas ke der Sinfonien deren wahre Identität aufzu decken. Bei der Zehnten ist dies wenigstens teil weise möglich. »Ich komponierte sie unmittelbar nach Stalins Tod.« - Die Zehnte Sinfonie Zwischen der Entstehung der Neunten und der Zehnten Sinfonie liegen acht Jahre. In diese Zeit fiel die Maßregelung der sowjetischen Kompo nisten durch den ZK-Beschluss von 1948, die Schostakowitsch geradezu ächtete und ihm seine Lehrämter und Aufführungsmöglichkeiten nahm. Schon vorher, 1945, enttäuschte Schosta- kowitschs Neunte Sinfonie Stalins Erwartungen (er hatte im Geist schon den Vergleich zu Beet hovens Neunter gezogen), der sich seit Kriegs ende immer mehr im Kult um seine Person sonn te. Schostakowitsch in seinen Memoiren: Als die Neunte uraufgeführt wurde, erzürnte sich Stalin ungeheuerlich. Er fühlte sich in seinen heiligsten Gefühlen verletzt. Es gab keinen Chor, es gab keine Solisten, und eine Apotheose gab es auch nicht - nicht die Spur einer Beweihräu cherung des Größten. Es war einfach Musik, die Stalin nicht verstand und deren Gehalt daher dubios war. Schostakowitsch schrieb vorerst keine Sin fonien mehr. Die Zehnte entstand 1953, im To desjahr Stalins. Auch diese Sinfonie folgt nicht dem sozialistisch-realistischen viersätzigen Sche ma, sie ist aber in der Tonsprache monumental spätromantisch, also der sowjetrussischen Ästhe tik durchaus entsprechend. Trotzdem hat diese Sinfonie auch ein Gesicht hinter der Maske. Sie ist der Versuch, wenigstens indirekt, auf künst lerischem Gebiet, in der Konfrontation mit der Überflgur, dem Gegenspieler, dem Werfer des riesigen Schattens, bestehen zu können: