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SächsischeSlaalszeilung Staatsanieiger für den Zreiftaat Sachfen 1924 Dresden, Montag, 30. Juni Rr. 149 ErscheintWerktag» nachmittag» mit dem Datum de» Erscheinungstage». Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 1b Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 - Cchriftleitung Nr. 14 574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Rr. 140. Ankündigungen; Di« 32 mm breite Grundzeit« oder deren Raum 30 Pf., die 66 mm breite Grundzeite oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt SO Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: LandtagL-Beilage, Vertäu,Stist« von Holzpflanzen auf den StaatSsorstrevieren. Verantwortlich sür dir Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Jolle» m Dresden. Bier Monate MilitLrkontrolle? Pari», 29. Juni. .Echo de Paris" weiß zu melden, daß die interalliierte Kontrollkommission in Bellin gestern einstimmig beschlossen habe, Lei der Botschafterkonferen, die Wiederauf, nähme der Millläikontrolle bi» zum 1b. Juli zu beantragen. Die Nachprüfung der deutichrn Militär- und Wasfenbeständr würde eine vier- monatige ununterbrochene Kontrolle erfordern. In jkdem Bezirke würden ungefähr 80 Konlrollbesuche vorgenommen. Die noch strit tigen Punkte würden dann von einer gemischten Kommission erledigt. Die Verhandlungen mit der Mieum. Geringe Erleichterungen. Düsseldorf, 29. Juni. Gestern sanden in Düsseldorf die angekündizten Verhandlungen mit der Mieum statt. Von französischer Seite wird über den Verlauf folgendes mitgeleilt: Die Verhandlungen zur Erneuerung des Ricum-Abkommens sind heute nm 10 Uhr wieder ausgenommen worden. Nach Prüfung der wirtschrstlichen Lage der Zeche« un» der Industriebetriebe hat die Mieum sich bereit erklärt, die verschiedenen durch die Jndustrtklle« bisher gezahlte« Taxe« und besonders die Koh len steuer, dw Verkehrs- und die Llzeuzlaxen erheblich »» ermüßigen. Anderseits wurde eine »iuigu«, erzielt zwischen der Mieum und der Lechserkommiision bezüg lich einer der Streikprriode des Monats Mai angemessenen Tonnagkliefernng. Die Mieum hat jedoch entschieden, das Prinzip der raste«lasen Reparationslieferungen, wie sie das Programm der Reparation»- kommissio« bestimmt, aufrecht zu er halten. Die Sechserkommission gibt über den Ve,Handlungsverlauf folgendes bekannt: In drn Verhandlungen hat die Mieum ihre Forderungen aus Lieferung der ReparationSkohle auch für Juli im vollen Umfangt au frecht erhalten und jede Diskussion übereine ganze oder tellwetse Bezahlung, oder Kreditierung und über eine verringern«!! der zu liefernden Kohlenmenge abgeleh«t. Dagegen bot sie ei«e Ermäßigung der Kohke«- steucr bis zur Hälfte und unter Umständen auch «och etwas darüber hinaus, ebenso eine Verminderung der Ei«, und Ans- fnhrtaxe, sowie eine Verminderung derverkehrSabgabe für Rebenprodnkte auf die Hälfte au. Mengenmäßig wurde sür de» Zoll ei«r Ermäßigung abgelehut. Für Pech wurde eine solche von 4S Proz., für Sulfat und die anderen Nebenprodukte eine solche von 20 Proz. zugesagt. Die Sechser- kommisslon vertrat die Auffassung, daß die Erleichterungen i« Verhältnis zu der Gesamtbelastung außerordentlich gering sind und daß angesichts der «r»stlose» wirt schaftlichen Lage im rheinisch-westfälisch,» Bezirk mindestens die Kohlrusteuer und die anderen geldliche« Belastnuge« vollständig Wegfällen müßte«. Die Sechs,rkommissio« wird h,»te d,r Regierurg übrr die Verhand lungen berichten. Die Vertreter des Ruhrbergbaues haben heute, Sonntag, in der Fiage der Micnm» vertrüge mit ein,r kurzen Unterbrechung von 11 Uhr vormittaz» bis 10 Uhr abends mit der Reichsregierung verhandelt. Auf Grün der ihnen erteilten Jnstruliionen werden sie morgen die Verhandlungen mit der Micnm in Düffeldorf wieder aufnehmen. — Wie aus Pari- mitgeleilt wird, erklärte da? Außenministerium, entgegen den Mitteilungen ge- Wisser Blätter, es habe zwischen der fran zösischen und belgischen Regierung dauernd völliges Stnvernehm en in der Frage der Erneuerung der Micnm- vertrüge geherrscht und e» seien von beiden Regierungen die gleichen Instruktionen an ihre Vertreter in Düsseldorf ergangen. Nach der Rückkehr aus der Verbannung. Essen, 29. Juni. Der Strom der Ausgewiesenen, die in diese" Tagen mit einemmal zu Tausenden ins befehle Gebiet zurückkehien und dort Heimat, Wohnung und Arbeit suchen, wird große Schwierig, leiten schaffen, zu deren raschen Beseitigung Reich, Länder und die Gemeinden d.» befehlen Gebietes ihre ganze Kraft einfehen müssen. Ter morgen zusammen tretende neugebildele Reichs- tagSausschuß für die besetzten Gebiete düifle ein guie» Stück Arbeit bewältigen müssen. Die an sich schon schwierige Wohnungs. frage findet glücklicherweise durch die am 1. Juli beginnendeu Schulferien eine gewisse Hilse; denn die von verschiedenen Gemeinden freigehaltentn Wohnungen werden nicht entfernt auSreichen, die Maffe»nachfrage nah Wohnraum zu br- friedigen. Infolge dec Ferien können in den. Schulen sür den Augenblick wenigstens Not- quartiere geschaffen weiden. Tie zurück- kehrenden Arbeiter werden bei der im be setzten Gebiet Herrs l enden Wirtschaftskrise un- möglich in kurzer Zeit Arbeit finden. Tie üb- Uche Betreuung von zwei Monaten muß daher verlängert werden. Tie der Beamtenbesoldung angepaßten und nach der sozialen Stellung der UnterstützungSbedüriligen sich richtenden Sätze der Betreuung, die bisher von 14 Tagen zu 14 Tagen (auf 85 Proz, 70 Proz. usw.) gekürzt wurdcn. müssen höher gehalten werden. — Tie Rückkehr der auSgewiese neu Beamten schließt allerdings, wie die Rechtspresse geflissent- lich hervorhebt, noch nicht die Wiederein- stellunginsAmt in sich, aber auch hier ist, wie wir hören, eine unverkennbare Besserung festzustellen. Einer ganen Reihe von Anträgen um Wiedereinstellung, die an die Be-ttk-delegierten derRheinlandlommisfiou ge- richtet werden müssen, ist stattgegeben wor- den. An unterrichteter Stelle betrachtet man die Wiedereinstellung als selbstserständliche Konsequenz der Erlaubni» zur Rückkehr. Wenn schließlich da und dort noch Beschlagnahmungen von Wohnungen u. dergl. vorkommen, so handelt eS sich augenscheinlich um Maßnahmen poincaristisch eingestellter Persönlichkeiten der Besatzung, die absichtlich noch von früher her lausende Orders durchführen, obwohl sie durch die politische Umstellung im Rheinland überholt sind. Auch diesem Zustand dürste bald ein Ende gemacht werden, da von Paris aus bereits ent- sprechende Anweisungen ergangen sind. Eine elsässisch-lothringische Generaldirektiou. Die Einbeziehung in den Bereich der französischen Gesetzgebung. Paris, 29. Juni. Tie Nachricht des „Journal", daß der General- kommissac in Straßburg ä la Petite seine Demisiwn eingereicht habe, weil er über die be absichtigt« Einbeziehung Elsaß-Loth- ringenSindenBereichder französischen Gesetzgebung nicht b. fragt worden sei, wird von den Blättern dementiert. » la Petite habe nur eme kurze Reise anzetrcten. Er werde am DienStag nach Strasburg zurückkehren und an. Mittwoch von dort nach Pan- fahren. Der „Temps" meldet, daß die Regierung in aller Küize einen Gesetzentwurf in der Kammer ein bringen werde, der an Stelle des elsaß- lothringischen Generalkommissariats eine Generaldirektion voisehe, an drren Sprtze voraussichtlich der Rektor der Straßburger Universität Charlety stehen werde. Eine lehrreiche Abstimmung in der französischen Kammer. Paris, 29. Juni. Tie sranzösische Kammer stimmte gestern über den -Artikel 1 und 2, die dem Finanzministrr sür den Wiederaufbau provisorische Kredite in Höhe von 5 278 765135 Franken für Juli, August, Septembrr, Oktober und November 1924 zur Beifügung stellen. Außerdem wurde übrr den Artikel 3 abgeflimmt, d.r dem Finon mimst«, die Ermächtigung erteilt, 280 987 800 Franlen für d.-n Unterhalt der Besatzungstrupven im Ausland« zu verausgaben. Bevor die Abstimmung erfolgte, ertläAe Blum, daß er und seine Freunde sich der Abstimmung enthalten wurden, da sie die Ruhrpolitik immer brkämpft höttem Auf Grund besten niiml der Minister- Präsident Herriot das Wort und crN..rt, daß er die Haltung der Sozialisten begreife. Alr dann ein Abzeoidneler des Nationalen Blocks die Be hauptung aufstellt, daß die Regierung auch ohne di: Sozialisten ein: Mehrheit erhalten werde, stellt der Ministeip.ä ident die Vertrauensfrage. Eine Anzahl Sonalisten stimmt nunmehr sür den Artikel 3, um das Kabinett vor Überraschungen zu schützen. Tie Artikel 1 und 2 werden m t 457 gegen 27 Stimmen angenommen Di« Annahme des Artikel» 3 erfolgt mit 457 gegen 26 Stimmen. An der Abstimmung beteilig en sich 43 sozia- li en, unter ihnen Boncour, Moutet und Renaud.l. Alle übrig n 61 sozialistischen Abgeordne en haben sich der Abstimmung enthalten. Tie Tinge liegen zu klar, als daß auS dein Zwischenfall unerwartete Schlüsse für dir Stellung der Partei zur Ruhr- frage gezogen weben könnten. Dagegen bleibt, was eine innerpo'.ilische Angelegenheit ist, der Eindruck einer höchst mangelhaften Vor bereitung der Abstimmung bestehen. Daß die Ruhrlredite zur Sprache konmen würden, war der Regierung und den Parteien bekannt, und es ist verwunderlich, daß man e» soweit hat kommen lassen, daß mitten in der Sitzung un er den ironi schen Zurufen der Rechten eine Fraktionsberatung abgehalten werden mußte. Blum hat den außer- ordentlichen Charakter der Abstimmung genügend gekennzeichnet und damit klargestellt, daß sie nicht al» Maßstab für die innere Festigkeit des Blocks der Linken ge- ncmmen werden kann, wie das die Presse der Rechten heut.' tu». Immerhin bleibt von diesem Vorfall, der Herriot gezwungen hat, sich auf einen Teil der Rechten zu stützen, soviel übrig, daß er in gewisse n Grade denen recht gibt, die auf dem sozialistischen Parteitag den Eintritt in eie Regierung der NnierstützungS- politik vor ogen. Baren ne, der zu ihn:n ge hörte und der gestern in der Kammer den Vorsitz führte, schreibt heute im „Oeuv e": Blum hatte die Stimmenthaltung der So ialisten angekündigt, aber dadurch, daß Herriot die Vertrauensfrage stellt.', nahm die Abstimmung einen anderen Sinn an. Einen Augenblick konnte man glauben, daß di« So ialisten sich einmütig zugunsten de- ge ringen Opfers entschlie en wür-en, da» von ih»e« verlangt wurde. Sie haben sich nicht dazu bereit gefunden, wenigste«; nicht ave. Man wird er- Präludium Mr Londoner Konferenz. Teilnahme Siidslowiens, Rumä niens, Portugals, Polens und der Tschecho-Slowakei. Paris, 3«. Joni. Wie Lem „Prtit Parisien" an» London ge meldet wird, finde« i« Paris, London, Brüssel und Rom Berhandlunge« statt, um zu bestimmen, in welcher Form und in welchem Maße die kleinen Mächte, die ei« wirtliches Interesse an der Reparatio»Sfrage habe«, a» der Konferenz von London teilnehmen könnten. Es gebe zwei Grup- Pen von Staaten, dir erste, der Siidstawie», Rumänien und Portngat angrhörte», habe ei« Anrecht auf die Reparations zahlung, die zweite, der die Tschecho slowakei und Polen angehörte«, habe kein Anrecht ans Reparationszahlungen. Diese beiden Mächte müßten aber als SukzessionSstaate« der Mittelmächte an dem System der ve- freiungsbonds teilnehmen. Sie feie« also an den Verhandln«-»« interessiert. Ss sei wahrscheinlich, daß gemäß dem Vorschlag der britischen Regie- rung diese fünf aufgesordert werden würden, an der Konferenz durch ihre in London beglaubig te« Gesandten teilzunehmen. G Tie belgische Delegation. Paris, SV. Ju»i. Rach einer Meldung der „Are Rondelle" wird sich die belgische Delegatio« auf der Londoner Konferenz ans dem «misterprä- stdente« Thrun is, de« Auße»mi«tfler Hy mans, ihrem Kabinettssekretär dem zweite« belgischen Vertreter in der Reparatw«skom- missio« Gutt und dem Leiter »er belgische« «ommissw« im Ruhrgebiet He«ne«lnrt zn- sammensetze». Man hält am 16. Juli fest. Beschleunigung der Fertigstellung der technischen Berichte. London, 30. Juni. .Daily Telegraph" bezeichnet die Gerüchte über eine wahrscheinliche Berschte- bung der für den 16. Juli nah London ein berufenen Konferenz al-unbegründet. Die eingelavene» auswärtigen Gäste würden während der Konserenzperiod: Gäste der britischen Regie- rung sein. Der genaue Statu« der Vertretung der europäischen Regierungen, die an der Konferenz teilnehmen, werde erörtert. Von mancher Seite wurde anerkannt, daß di« Londoner Gesandten dieser Mächte, unterstützt von ihren Sachverständigen, die der Reparation»- kommijsion angegliesert sind, die Interessen dieser Mächte in angemessener Weise vertreten. Von anderer Seite wurde gewünscht, daß in jedem Falle ein Kabinettsminister, sei es Premier minister, Außenminister oder Finanzminister, als Bevollmächtigter seiner Regierung zugegen sein soll. Die Einberufung der Konfennz für den I». gilt würde eine Beschle«»ig««g der vier wichtige» technischen Berichte notwe«dig machen, in welchen die Einzelheiten deS Taw«sp1a»es sich in Vorbereitung befinden. Der Bericht über die Bahnen werde unvermeidlich die Frage berühren, ob irgendwelche Einrichtung der gegenwärtigen Regie sür das rheinisch-westfälische System in der Bürgschaft für die BesetzungSstreit- kräfte beinhalten werden soll, oder, ob diese Beibehaltung in Widerspruch zu den Anempfeh lungen des Tawesausschuffes stehen würde und ob die betreffenden Klauseln der Rhein- landskonvention nicht allen Erfordernissen des alliierten Oberbefehls Genüg« tun würden. Es ist nach Ansicht de» Berichtes schon ans finanziellen Gründen unvermeid lich, daß die Frage der fortgesetzten militärischen Besetzung des Ruhr geb ieteS im Zusammenhänge mit dem DaweS- plan aufgeworfen wird, weil General Dawes und seine Mitsachverständige» die Ansfassnng nieder- gelegt laben, daß die in ihrem Plane bor- grskhrne» Garantien der Annniläte» alle Ver tragskostr« einschließen sollen, so daß dieBesatznugslosteu auf ei» Mindest maß beschränkt werden müßten Macdonald habe mit Takt und Klugheit ge handelt, daß er es Frankreich und Belgien überlassen habe, die Initiative in der Frage der militärischen Besetzung des Ruhrzebietes zu ergreifen. Ta die Besetzung res Gebietes das Ergebnis einer ausschließlichen Vereinbarung zwischen Paris und Brüssel war, jo könnten sie eS am besten abändern oder aufheben. Der Berichterstatter fügt hinzu, brS zum 6. Juli würden diese Garantien und verwandle Fragen, die sich innerhalb der besonderen Befugnisse der alliierten Rrgi-rungen im Gegensatz -ur Reparationskom- Mission befinden, zweifellos von den Regierungen auf dem Wege der direkten diploma- tischenKanäle erörtert werden Taher müßten, wenn die alliierten Staatsmänner in London zu- sammentreten, die in den vier technischen Be richten enthaltenen Elemente zusammen mit drn Ergebnissen de» diplomatischen Meinungsaustausches über die mehr politischen Fragen einen ziemlich baldigen Entwurf de» Protokolls ge statte«, drr alle Bestimmungen und Be dingungen für die Konferenz und den Zeitpunkt sowie die Art der Verkündung enthalten.