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SächsischeSlaülszeilung Staatsan^eiger De de« Zreiftaat Sachsen -- :»s ErjcheintWerktag» nachmittag« mit dem Datum des ErscheinungStageS. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129Ü — Schriftleitung Nr. 11574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonlo Dresden Nr. 140. - Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage. Lerlaufslifte von Holzpslanzen auf den StaatSsorstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Jolle« in Dresden. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile «Her t^en, 66 mm breite Grundzeit« oder deren Raum im" amtlichen Teil/60 gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschäflsagzesgen, AamiliennachA gesuche. — Schluß der Annah^^ormitiag^^O^lhc. Nr. 132, Dresden, Dienstag. 10. Juni W24 Ein Uebergangstabmett Mnrsal in Frankreich. Millerands Botschaft an die Kammer. Paris, 9. J«ni. «cfteru vo mittag berief Millerand den Le«ator Francois Mar» sal »ns Elysec, um diesem die Bild«»- des Kabinetts anznvertraueu. Marsal hat angenommen. Sr crttärte den Journalisten, er Hosse, am Trenstag nachm ttag um Z Uhr sein neues Kabinett der Kammer vorftelle« zn können. Ans die Krage, ob die Demission Millerands bekannt- gegeben würde, sagte er: „Keineswegs." Die Botschaft, die er am Di nittag im Auftrage des Präsidenten vor den Häusern des französischen Parlaments verlesen werde, Werse keine einfache De Missionsbot schaft sein, fonsern eine Stellungnahme der Kammerer», fordern. Im Anschluß hieran werde eine kurze Regicrungs- erklär nng verlesen. Die endgültige Zusammensetzung da» Kabinetts KramoiS-Marsal ist folgende: Borsitz und Finanzen: Aran^oiS Marsal, Justiz: Senator Ratter, ÄustereS: Aog. Lefevre du Prey, Inneres: Lenator de SelveS, Krieg: Abg. Maginot, Marine: Abg. DSsirs Kerry, Kolonien: Abg. Kabry, vfsentliche Arbeiten: Abg. Le Drocqueur, Arbeit: Abg. Jourdain, Befreite Gebiete: Abg Louis Marin, Wirt- schäft: Abg. EaPuS, Lfsentlicher Unterricht: Abg. Landry, Handel: Abg. P. E. Klan diu. Mabinettsrat der neuen Regierung. Paris, 9. Juni. Ministerpräsident Francois Marfal hatte heut« vormittag eine kurze Unterre dung mit Poincarö. Hierauf begab er sich zum Präsidenten der Republik, nm mir diesem in An wesenheit des Abgeordneten Reibel zu verhan deln. Diese Konfereni dauerte 30 Minute». Seim Verlassen des Elysee» erklärte der Minister präsident den Berichterstattern: Alle? werde sehr ruhig verlaufen. Wir sind die Hüter der Verfassung und wir werden nicht ge statten, da» sie verletzt wird. Um i/-5 Uh- uachnnltags hielten die neuernamrlen Minister einen Kabinettsrat ab. Um 5 Uhr stellte Ministerpräsident Marsal dem Präsidenten der Republik das von ihm gebildete Kabinett vor. Morgen vormittag wird unter Borsitz Millerand? im Elysee ei» Ministerrat stattsinden, in dessen Verlauf der Präsident der Republik K:nnt- ni? von sein r Botschaft an da? Parlament geben wird. * Die Haltung der Äammer- mehrheit. Paris, 9. Juni. Die Frage, wie fick die neugewählie Mehr- heil der Kammer zu dem von dem Präsi- drillen Millerand eingeschlagenen Berfahren ver halten wild, beantwortet das führende Blatt des Link blocke» „Oeuvre", wie folgt: Lie PrSsid«»tenfrage ist jetzt geregelt. Die Demission Mille rands ist sicher. Das Problem, das setzt folgt, ist die Frage der Nachfolgerschaft. Tie Rkpublilaucr wollen nnd müssen einen einzigen Kan didaten haben. Sr wird i» einer Volt- »ersammtung der Linken, der »immer und des Senats bezeichnet werden. Da- ist ein Vorgehen, das dec repubükani- sche» Tradition entsprich«. So ist es geschehen, als der Präsident d-S Senats Fallt« res im Laufe ei: er ebenfalls schwierigen Periode gegen Doumer -um Kandidaten bestimmt worden ist. So ist man voige: äugen, als 1913 Poincarä ausgestellt ward.', trotzdem P a m s als erklärter Kandi dat bezeichnet wurde. Po.ncars Hal diese Abstimmung nicht angenomme» und ist doch ror d:m Kon greß Kandidat geblieben. Dieses Mal aber wild cS eine republikanische Disziplin geben: wenn mehrere Kandidaten in der Vollsitzung der Linken ausgestellt werd:», wird der die Mehrheit er langend: der einzige Kandidat der Republikaner sein. Die Wahl des neuen Präsidenten wird nach dem „Oeuvre" am kommenden Freitag in Versailles stausinden, die Bor- abstimmnng am Donnerstag. „Oeuvre" schließt, in dieser ganze» Affäre repräsentiert die Linke die Macht und dlS Recht, da? konsti'utionrlle Recht! O Tie Rechtfertigung Millerands. Paris, 9. Juni. „Malin" glaubt zu wisse», daß der Präsi- dent der Republik in der dem Parlament zu übermittelnden Botschaft zunächst feststellen werde, daß «»tgege» der Verfaffung, die da« Man dat »e» PrSstdeuten auf 7 Fahre festgelegt habe, ewe au» bea «ahleu htrborgtgangeue prlttlsche Mehrheit die AuSübuug dieses ««»»«teS baburch »»«»glich mache, daß sie sich weigere, rin »adiurll zu bilde», da« sich a»f diese »etzrhett stütz, Der Präsi- bett werde demettr», daß el» derartiger Widerst«»» «»z»lSsfig sei, und dass die «nmdgesetze, um die K»»t«»»tt«t der ver- fassuug sicherest,lte», eise »erschirdeut Zett bauer für die «aubate de» Pritsidrute», der Seuawre» »>» der Defmttette» festgelegt hättr». Ma» Wirde also für die Z»k»»ft rt», «»her- „»«rtlich geführllche Prsztdtuz schaffe», we»u ma» die Stell«»« de« «taatsches» w» Wahl- schwmiftmge» abhü»gtg mache« Wirde Di« Botfchakt werde f,«,r »uterßreiche», »st dt, Haltung Millerands durchaus im Rahme» f,i»,r vers«ssu»gsmißige» Rechte geblitben s,i. «ährend der jetzige» Krise laue der Präsident klar seine» Wille« t«,» gegebe«, ei« »abinrtt zu bildc», defje« Pro grimm vollkommen den WS»fch,n des all- gtmrinen Stimmrechts entsp-cche. Was Lie Reden anbeftesie. die er in seiner Eigenschaft als Präsident der Republik gehalten labe, so seien sie vollkommen in Übereinstimmung mit der Politik des jeweiligen Kabinetts geblieben, das keiner lei Einwendungen erlebe» habe, und niemand habe geglaubt, dieses Kabinett über die durch den S^a s-lef auSgtd:kickten Meinungen interpellieren zu müsse». Tie Botschaft deS Präsidenten werde schließlich zw e felssrei erklären, daß man un'er diesen Umstünden von einem Gewaltstreich einer Mehrheit und einer Verletzung der t Beriassung, die durch keinen gültigen Grund gerechtfertigt werde» tonnte, sprechen müsse- Tie Botschuft werde von deu beiden Kammern ver langen, daß sie sich Uar hierüber aussprechen und durch eine unzweideutige Abstimmung knndgcben, ob sie eine» derartigen Prezed n<fall .gulheiße» wollen. Losortizer Rücktritt des Ksdi«ett- Mursal nach der KammerabstimMnng. Paris, 9. Juni. Havas schreibt über di: vorläufige Lösung der Krise: Die Gründe, die den Präsidenten der Republik veranlaßt haben, die gestern erfolgte Lösung zn wühlen, sind die folgenden: Millerand ist 1920 für sieben Jahre gewählt worden. Aus eigenem Antrieb kann er die gesetz mäßige Dauer seines Mandates, dessen Verostlhtungen er gewissenhaft erfüllt hat, nicht verkürzen. Er hat gemäß dem Ergebnis der Wahlen seinen Willen kundgetan, d?n berufensten Vertretern der neuen Mehrheit die Bildung deSMinisteriumS zu übertragen. Trotz seiner Be mühungen und seines guten Willens hat er keinen Erfolg gehabt. Es ist also klar, daß eine ernste Meinungsverschiedenheit zwischen d:m Staatschef und einem Teil der Kammer aukgebrochen ist, die nicht länger an- dauern kann. Wenn dal Parlament den Geist der Verfassung dadurch abändem will, daß es die Rolle, die es dem Prüsid:nten der Republik zu- schreibt, emeng', so muß dies in voller Klarheit ausgesprochen werden. Ta» vo« Fran^oi» Marsal gebil dete Kabinett hat lei»e a»»ere«»f- gäbe, «l» da» schleunig« normale Funktionieren der lonstitntionellen Regeln herbriMfützrt«. Marsal wirb bn« Parlamtni ausserdem, »urch eine «bst im- «ung seine «»sicht über diese Frage, die etuzlg u«d allein gestellt ist, Mndzugebe». Dem Parlament wirb tei» >egiernng»-i proaramw nnterbreitet wrrde«, da da«< »e»«^ Kabinett entschlösse» ist. sei» «mt sofort nach der Abstimmung de, Kammer, wie immer sie «nch antzsallen mag, niLberzulegen. Ans biese« Grunde wirb anch die Juiammensttznng »e« Mni- sterinms nur ,ine rclati», Bebeutmrg habe«. Anstrge rider die RegierungS- bildnng. Pari«, »..Juni. Ter Abgeordnete Reibel hat h:ute nach mittag dem Kammetpräsidenttn Pain- leb'« die folgende Interpellation zngestkllt: Ich wünsche die Regierung über die Vedtngnngen z« interpellieren, ««ter bene» das >r»e Kabinett gebtl-et worb«« ist. Beim SenatSpräst- dtnten Toumergne hat Senator Stzäron, der ehemalig, «ckcrvanminister, eine ähnliche Interpellation eingebracht. Tir«a«m,r- grnppe der demokratisch-republika nischen Union hat heute bereits, beschlossen, be» Abgeordneten Rtib.l bei seine« Vorgehen zu unterstütze». G Tie Taktik des Lchweigens. Paris, 1«. Inni. Ti, sozialistisch, Kam«erfr«kti»n hat gtster» »achmfttag ei»e Litznng abgctzaltr«, in »rrm Berlanfe der Abg. Pani Bonrourt für bi« Taktik des Schweigen» in »er hrntigm Kammersitzn'g eintrat. Tas Kartell, so führte er an», müsse aus all« Veziehnngen z» einem Ministerin« »rrzichtkn, das unter solch«« Umständen znftanb« gekommen sti Tiefer «nffassnng habe sich anscheinenb bie Mehrheit ber KraltionSmitglieber an- geschlossen nnd die Grupp« hab« aus all« Fäll« itzrtn politischt« Einfluß zu interirakri«- utlltN vtsprtchuuge» bk» Karttll» brr Liukm hmit vormittag abgrorbutt. An dits«r inter- frakiioutllt, vesprtchuug netz««» trtl bie ra»i- kale sozialistische Grnppe, bi« «bg,»r». nkttn »er sozialistisch«», b«r sozial- r«p»blika»ischt» n»d d«r r«pn»lik«»i- scheu Gruppe der radikal«» Link«», sowi, bie Mi»git«b«r »er demokratische» Li» le» »es Senats, die »et »er ra»ikal,n sozialistische» Partei «ingeschri«»,» sia». „Malin" schrei»«: Tas Ziel »rr Mehr- tzrit »er linksfteht,»,n Parteien sei ofsrnbar, hente eine De»atle zu »er- hin»ern. RS sei j,»«ch notw«n»tg, »aß »aS «orgttzen »lli«m,»» z» «wer «arm Situation führ«. Ta» «i»«st,rtn» Franti« Marsal »er- lang« kti» VtrlrantnSNolnm. Ma» hatzt »ich» siir o»,r gtgrn »a» K«»i,tit z» stimmt» Tt»e a»f allt Fällt w«r»t t» znrütklrtte», fo»n>» »it Paria«»»- tnrischr -a,»l»»g »ollbracht sti, «it »er e« »taiftrag» w»r»t. Die »o» Mitte- ran» »emewne N»«l,g»ng »er Berfassnng «gss, m«»e»tr anzen»«men o»«k nbgelehnt werten Wenn »ies« rrnst« Kris,, in »er , «an sH.be- sin»e, a»S-wg«, o^ne »nß »irfe s«hr wichtigen Pnukte geklärt würden, würde sie in Verwirrnüg endm und «ine» grsttzrliche« Präz«dkiiz»al! bilden. Tie «tgiemng und ihr« Freunde hätten daher di, Frage ewgehmb g,prüft Hb glaubt««, ein Mittel gesnuben zu haben, um zu »er- hmdrm, daß »ie^ Samn»,k sich j^er BeMt- wortunß entzieh, u«».,s hrrmrjd,, «in,a R«chfS' spnuh zu fsUttn, wüc ^s die rto^fchaft"d,»^Prä- ftdeut,» verlang«. Zwilche« Msrg«« >md MEKka«. Poiittfche Erueueruug in ve« Bdreiuigten Staaten. Von^ Ktttz Zi«l«sih, New?)prk. Ende Mai 1924. Tie Lpposilioir gegen die gettevdeu Wlctschaft-- susteme hat auf dem eürvpaisch-n Kontinent Klasse von Klasse getrennt und in der Schaffung dec Schlagworte „Bürger" und „Proletarier" die eigent liche Realität der ihnen zugrunde liegenden Begriffe mit dem Erfolg überschritten, daß zusammengehörige Kräfte. zersplittert wurden. Wenn sich jetzt die Opposition gegen das Großkapital der Trusts und MonopoUnhaber in den Vereinigten Staaten um ein neues Parteiprojekt zu sammeln beginnt, so ist hier das Fundament von vornherein viel breiter angelegt, begünstigt durck> den Umstand, daß' — angesichts der sozialen Struktur der neuen Welt.— da? europäisch-Kampswori vom„^tassenbewußtfeitt" h«er mir spärliche propagandistische Erfolg« hafte. Die neue Partei, von der hier die Rede m, wird fick, in ihrer endgültigen Form am 17. Ium in St. Paul, Minnesota, konsumieren. Man er wartet, daß der bekannte fortschrittliche Senator La Follette zum Präsidetilen oder mindestens rum Vizepräsidenten dieser Partei onvähli wird. Als ihr wichtigster Kristatliiaiionskcrn gilt die bereits bestehende Farmer - Arbeiter - Partei, worin man jedoch keineswegs de» Beweis sehen darf, daß es üch um eine, nach europäischen Begriffen, „proletarische" oder ausgesprochen sozialistische Parte» handeln wird. Ties wurde uns auch durch einen der Gründer mit dem Hinweis bestäligt, daß man eine einfache Erweiterung jener Farmer Arbeiter-Patter durch Hinzufüdrung der neuen Kräfte, die mau daheiin„bürgerlich"nemion würde,nickt abgelebnt ha' Der Partcirahmen soll in höckst-m Maße elasti'ck bleiben, und während man sich auf die gemeinsame Anerkennung weniger Hauptricktlinien als „National- Programm" beschränken will, soll es den Partei gruppen der einzelneii Staaleu überlasten bleiben, sür ihre interne Arbeit besondere staatliche Pro gramme aufzustellen. Tie Außer-poliitt ist in dem „Nationalprogramm" überhaupt nickt berück- sichliqt worden. So werden die nacu St. Paul eingelao.-nen Organisationen — zu denen die örtlichen Gewerk schaften, die Farmervereinigungen, Konsumgenost'en. schäften und internationale Verbände gebären — zunächst nur über die folgenden fünf Punkte z« beschließen baden: 1. Rationalisierung der.Eisenbahnen- 2. Aufsicht über Kapital und Kredite durch das Volk mittels Regierungs- und Ge nossenschaftsbanken. 3. Kontrollierung der natürlichen Hilfs- guelten des Landes durch das Volt. 4. Wiederkerstellung der in der Verfas sung garantierten bürgerlichen Rechte. 5. Aushören der behördlichen Einmischung in Arbeiter-Austinandersetzungen un» anderer Recktsmißbräuche. Tas Programm lichtet fick scharf gegen die dreiköpfige Mäht der Wallstreet, die das Pauk- wesen, die Eisenbahn und die Kohle be herrscht. Für di: Propagierung dieser Kampf ziele hat der berüchtigte Olskandal wirkungs vollen Stoff geliefert. Bisher konzentrierte sich bas politische Leben der Vereinigten Staaten in zwei groß,» Parteien, der republikanischen «uv der demokratischen Partei, deren Unterschiede letzten Ende» nur in den Pnsönlickkeiten ihrer Führer und Präsidentschaftskandidaten liegen. Während de» Wachstum» »es großkapitalistischen Systems — so wir» jetzt argumentiert — sind diese Pafttte«