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SächsischeSlaalszeilmg Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachfen ErscheintWerktag» nachmittags mit dem Datum de» ErscheinungStage«. vezugSpreit: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleilung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mm breite Trundzeile oder deren Raum 30 Pf, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtliche» Teile 60 Pf., unter Eiir- gesandt 00 Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung ver Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes.Brandversicherungsanstalt, Berkaussliste von Holzpflanzen auf den StaatSforstreviereir. verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard IolleS in Dresden. Dresden, Mittwoch, 7. Mai 1924 Nr. 105 Das Rätsel der Regierungsbildung. DasSchirtsal deSSachverftändigeu- gutachtens — das Schicksal des deutschen Boltes. Aus Berlin wird-unö geschrieben: Wiederaufstieg oder Inflation, Besserung der wirtschaftlichen Lage oder neue Massenverelendnng ist die Frage, die schon in den allernächsten Wochen de» neuen Reichstag beschäftigen mnß. Diese Frage P bereits jetzt klar zn formulieren, »veil das deutsche Volk vielleicht bald wieder berufen ist, die Unfähig, leit seines jetzigen Reichstags zu korrigieren. Denn die Entscheidung, die am 4. Mai gefällt wurde, gewährleistet noch weniger eine Politik des Wieder- aufstiegs als die vom Juni 1920. Betrachten wir uns z. B. das neue Parlament auf Grund der bisher vorliegenden Gesamtergebnisse, die kaum noch eine wesentliche Änderung erfahren dürsten, so er- gibt sich eine geringe Mehrheit für die Er- fttllnngspvkl 1 ik. Zwar hat die Volkspartci in ihrer Wahlpropaganda erklärt, daß sie Gegnerin dieser Politik sei. Das änderte aber nichts daran, daß Herr Stresemann als Außenminister die angeblich verneinte Politik in vollster Überzeugung und nach besten Kräften führte. Wir hätten also voraussichtlich mit der Volkspartci, dem Zentrum, den Demokraten und der Sozialdemokratie als Parteien zu rechnen, die der bisher betriebenen Ätchcnpolitik ihre Zustimmung geben. Sie dürften vielleicht auch die Unterstützung der Bayerischen PolkSpartei finden, nachdem der inzwischen zurückgetrelcne bayerische Ministerpräsident sich im Einverständnis mit seiner Partei auf der letzten Konferenz der Ministerpräsidenten in Berlin ebenfalls für die Erfüllungspolitik ans- gesprochen ha'. Immerhin aber bleibt die bestehende cinsache Mehrheit für die Erfütlnngopolnik wertlos, wenn die auf Grund des Sachverständigengut. achtens erforderlichen Gesetze auch nur teilweise mit Zweidrittelmehrheit vom Parlament ver- abschiedet werden müssen. Über diese Frage be steht bisher keine .Klarheit. Wir neigen der Auf. fassung zu, daß eine Zweidrittelmehrheit nicht er forderlich ist. Anderseits aber ist von verschiedenen Politikern in den letzten Wochen wiederholt die Meinung vertreten worden, daß die Gesetzgebung über die Bildung einer Eisenbahn-Aktienae. sellschaft, wie sie das Gutachten fordert, nur mit einer qualifizierten Mehrheit vom Reichstag erle digt werden kann. Sic sehen in der Bildung dieser Gesellschaft und der Aushändigung von Aktien- anteilen an die ausländischen Mitglieder eine Ver äußerung des Eigentums der Reichsbahn, die dem Wortlaut der Verfassung widersprechen soll. Die Vertreter dieser Auffassung berufen sich auf die KZ 89 und 92 der Reichsverfassung, die u. a. besagen, daß es Aufgabe des Reiches ist, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen in sein Eigentum zu übernehmen und außerdem 92) seststcllen, daß die Reichseisenbahn als ein selbständiges Wirt- fchaftlicheS Unternehmen zu verwalten ist. Tas Gutachten der Sachverständigen verlangt allerdings keineswegs, daß das Reich sein Eigentum an der Eisenbahn aufgibt. AndercitS bedeutet die Um wandlung der Reichsbahnverwaltnng in eine Aktien, gesellschaft keinen verfloß gegen die Verfassung, da der Aktienbesitz vollständig im Besitz des Reiches verbleiben kann und die 500 Millionen Vorzugs- aktien bei einem Aktienkapital von 26 Milliarden nicht veräußert werden. Unseres Erachtens läuft deshalb die Absicht der Sachverständigen, die Bildung einer Reichsbahn-A.-G. herbeizuführen, lediglich darauf hinaus, den Gläubigern Deutschland« ein Faust- Pfand zu bieten, d. h. die Eisenbahn ist und bleibt Eigentum des Reiches. Jedenfalls macht die Zusammensetzung des neuen Reichstags eine .Klärung der angeschnittenen Streitfragen schnellstens erforderlich. Schließen sich die Juristen nicht unserer Auffassung au, dann bildet die Stellungnahme der Teulschnativnalcn, die bisher noch jede Verständigungspolitik ablehntcn, den Ausschlag dafür, ob Deutschland einer neuen Inflation und einem neuen Krieg oder einer wirtschaftlichen Sicherung entgegengeführt werden soll. Wollen sie das Letztere, dann müssen sie sich der jahrelang befehdeten Politik anschliesten und vor der ganzen Welt eingestehe», daß sie vier Jahre hinter dem Weltenlauf zurückgeblieben sind und ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Beharren sie aber des Prestiges wegen trotz der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auf einer Ab- lehnnng, dann dürste schließlich nichts anderes üb- rig bleibe», als unser Volk vor die Entscheidung zu stellen: Krieg oder Frieden, Inflation oder Brot! Es ist unter diesen Umnänden begreiflich, wenn die Teutschuationalcn sich bei ihrem „Siege" nicht wohl- fühlen. „Sv liegt für die bürgerlichen Parteien von selbst der Zwang vor, sich zu einigen. Eine bürgerliche Majorität von de» rentsch- Nationalen dis zu den Demokraten, untre Umständen sogar ohne die remokraten, ist zahlenmäßig möglich.' Sie müßte auch sachlich möglich werden, wenn wirtlich das Interesse des Vaterlandes über das Interesse alles anderen gestellt würde. Hoffen darf man wohl auch, daß bei den Deutsch- völkischen sich noch eine Anzahl Abgeordneter finden wird, die einer bürgerlichen Regierung ehrliche Unterstützung gewähren, wie ja auch die Temokraten in der Lage sind, einer bürger- lichen Regierung mindestens woklwollende Neu tralität zu beweisen." Vorsichtig äußer! sich di: voltsparieiliche "3-it" Ci: schreibt: Was der Pariei an äußerer Starte verloren- gegangen ist, das hat sie durch innere Ge schlossenheit zurückgewonnen. Ter Angelpunkt der Situation liegt in der Stellung der Parteien zn den Fragen der «nSwärttgen Politik. Ihnen werden sich alle anderen Gesichtspunkte nnterorduen müssen. Tw T e ut schu ation al e Volksp artet, die ausgezogen ist, um die Herrschaft anzutreten, würde gut tun, sich darüber zu äußern, wie sie zu diesen Fragen steht. Davon wird alles Weitere adhängen." Auch dr? ZentrumSblatt, die „hzermauia" laßt alle Duren offen Es bemerk», die Haltung der Deutschnationalen sei der Regierunzs- bilounz der ausschlaggebende Faktor. Weiter sagt das Blatt: „Tie Zentrum sfrattiou dürste sich, wir es ihre Führer ja auch schon i« Wahlkampf erklärt haben, nach wie vor bereitsinden, mit jeder Partei in einer gemeinsamen Re- gie^ung zusamme-ziuwirken, die willig «st, den bisherigen an ße npolitisch en Kurs weiter ianezuhalten und eS ablehut, mit dem deutschen Volke gefährliche Erveri- mente zn machen." Das demokratisch: „Berliner rasteblatt" scheint den Bürgerblock abzulehnen und wünscht die große Koalition. Tas Blatt schreibt: „Die Demokraten haben keine Veran lassung, nach dem jahrelangen skrupellosen stampf der Drntjchnatioaalen gegen sie eine Politik direkt oder indirekt zu fördern, die das deutsche Polk durch die Proklamierung eines bürgerlichen Slassenkampfe- und dnrch eine völlige Nmstrllnng der Außenpolitik an den Rand des Verderben» dringen müßte. Überdies hangt die Existenz des Bürgerblocke; von zwei Voraussetzungen ab. Erstens müßte das Zentrum geneigt sei», eine solche Koalition einzugehen. Taran darf mau im Augen- blick wohl zweifeln. Zweitens müßten die Teutsch- nationalen klipp und klar erklären, daß sie das Sachverständigengutachten als Verhandlungsgrund, läge anzuerkennen und die Ersüllungspolitik zu übernehmen bereit wären. Nachdem der ver- storbene Abgeordnete vr. Helfferich das Gut- achten als ein „zweites versailes " bezeichnet hat, dürfte ihnen e ne solche plötzliche Umkehr nicht leicht fallen " Der „Vorwärts" erörtert d e Frage eines Wiedereintrittes der So zialdemokratie m de Regierung überhaupt nicht und meint: „Ob die Deulfchuutioualeu sich für das eiu« »der für da» andere, für die Fortsetzung der Demagogie »der für die Still,ug ihrer «achtbegierde „»scheiden werden: die Zu kunft und die Däner de- neuen Reichs tag» ist jedenfalls auf da» höchste unge wiß. Wollen sie ihre Znftimmnng znr Er- füllnngSpolrttk erkanfe» um den Preis von AltnisterportefeuilleS uud eine- r„Ntonären SnrseS in der inneren Politik, so wir» die Lazialdemokkatit, immer noch die stärkste Fraktion des Aetch-tagS, mit ihrer ganzen »kraft sich diesem »echtskur» entgegenweesen. Wollen sie aber die Lösung der Reparationtfrage vrrhindern, fo wird die Entscheidung über dat Ge schick des neucu Reichstags sehr bald fallen müssen." Die Reichsregieruna bleibt vorläufig im Amte. Vertin, 7. Mai. In cncr amDic»stag abgchaltene» Besprechung des Reichs, lab» »ettS teilte der Reichsminister des Inner» mit, dak die endgültigen amtlichen Wahlergebnisse nicht vor dem lti.Mai zu erwarten sind. Das Reichskabinett beschloh, bis zum Zusammentritt des Reichstages im Amte zu bleiben. mokrairn sich nicht beteiligen würden, käme zu be- bis- großr» wirtschaftlichen Lasten uiemal» zumute», bevor die häufig genannten khrcnpnnkte besrir- digeud gelöst seien. Was werden die Freunde des Herrn Hergt im Lande, denen immer erklärt wurde, die Er- füllungspoliirk sei verbrecherisch, zu der veränderten Haltung sagen, die eingenommen wird, um die Macht im Staate ergreifen zu können? Tas ist eine wesentliche Frage. teiligung des Zentrums zweifelhaft, und man würde von vornherein auf eine Minderheits» regicrung hinsteueru. Dir Rechtsradikalen wünschen eine Rechtsregierung, verraten aber einstweilen nicht, wie sie eine solche Regierung parlamentarisch tragbar gestalten wollen. Es wird auch bereits mit einer Wiederauflösung deS Parlaments gerechnet, wenn cs sich als arbeitS herigc Abneigung der Teutschvölkischen Freiheitspartei gegen jede Koalitions regierung würde, wenn nicht die Entscheidung über das zweite Versailles da wäre, jetzt ein Bürgcrblock von den Deutschnationalen bis »um Zentrum der gegebene Ausweg sein, jo sollte damit keineswegs zum Ausdruck gebracht werden, daß das die erwünschte oder auch nur natürliche Lösung wäre. Diese läge vielmehr in der Bildnng einer «»»gesprochen recht»gerichtete» stoaltllonsregiernng, deren Ker» die Deutsch- nati„«le V»lkSP«ttei znsnmmen mit der reMschvöltische» Frtthe»SP«rt«i »«»stellte. Dahin geht der Wille der »«tion«le» Wähler mass»». Auch di» der Nationalliberalen Vereinigung nahestehende „verli«er vörsenzeitunsi" zielt auf einen Bürgerblock hi«, wünscht jedoch di« Mitwirkung der Demokraten. Das Blatt erklärt: Geländejoudieruug im -eberkrieg. Weitere Presse stimme». Ter neugewählt: Reichstag soll nunmehr nach Berliner Meldungen erst am 22. dieses Monats zusammentreten. Tas Ergebnis der Wahl regt jedoch schon jetzt zu ausführlicher» Kommentaren über die Möglichkeiten der künftigen Politik der Reiches an. Tie führenden Blätter der Parteien äußern sich sehr vorsichtig, um den Entschlüssen ihrer Parteien nicht vorzugreifen und dem Gegner möglichst wenig Blößen zu geben, zugleich aber doch deren Stellungnahme abzutasten. Nach dem Wahlergebnis wäre theoretisch die große Koalition mit einer Stimmehrheit mög- lich; ob sie praktisch möglich ist, ist eine ordere Frage. Ter Bürgerblock hätte eine ein fache, wenn auch keine Zweidrittel mehrheit. Tagegen würde eine reine Rechtsregie rung nicht möglich sein, denn wenn die Te- Nene Ergänzung des Wahl ergebnisses. Die Lozialdemotratie die stärkste Partei. Berlin, 6. Mai. Nach den bis heule mittag eingegangenen Meldungen ergänzt sich das Reichstags. Wahlergebnis wie folgt: Sozialdemokrat«« 5 973 787 Stimmen, 10« Ma»date (8« AreiSsi-e «ad 2» d»rq Verrechnung im Verband und aus NeichS- wahlvorschlagj; Zentrum 3 8»» «22 Stim me», «5 Mandate (52 und 13); Teutjchr Volkspariei 2842843 Stimmen, 44 Mandat« (3» und 14); Deuttchnatto- na len 5 755 ««1 Stimmen, 98 Mandate (8» und l«); Deutsche Demokratische Partei 1857 451 Stimme«, 28 Mandate (9 und 1«); Bayerische Volkspnrtei «41 »82 Stimmen, 18 Mandate (14 und 2); Aommunisten 2 712V91 Stimmen, 82 Mandate (42 und 2V); Bayerischer Bauernbund 883 ««3 Stimme», 1« Man date (3 und 7); Deutsch-Hannove raner 318 451 Stimmen, 5 Mandate (4 und1); Dentschsozialr Partei 338 358 Stimmen, 4 Mandate (v und 4); Land tiste 588 288 Stimmen, 9 Mandate (7 und 2); Deutsch-Völkische Freiheits- Partei 1 917 578 Stimmen, 32 Mandate (13 und 19). Von den weiteten Parteien, auf die aber einmal nicht die ausreichende Ziffer zu. keine Mandate entfallen, erhiellen Summen: außerdem wäre aber auch dann die Be. unfähig Herausstellen sollte. Wir verzeichnen nachstehend noch einige merkenswerte Preffeäußerungen: Tie „Deutsche Tageszeit»«-" schreibt: „Wenn wir sagten, im Hinblick aus die Unabhängige 240177, Bund der Geusen 58 880, Ehrt st lich-Soziale Volks-Gemein- schäft 124 800, Deutsche Arbeilnehmer- partci 36 130, Frei wirtschaftlicher Bund 36 122, Hacußerbund 23828, Rationale Freiheitspartei 59 788, Rationale Min derheit 133 628, ParteiderÄieter 46975, Republikaner 45 775, Coz. Bund 25607, Bayerischer Mittelstandsbund 5681, Völkischer Block 9439 und parteilose Wirtschaf lSgruppe 1^47, insgesamt 29257116 gültige stimmen. Zahl der Mandate 471 cdavon 334 Kreissitze und 137 durch Berechnung im Verband und auf Reick sivahlvvrschlag). * Hergt's BrreitWiltigkeit. Verli», 7. M«i. I« ei»er Unterredung mit eine« Vertreter de» V. D. l rückte der deutsch»»tio»ale Führer Hergt die Bereitwilligkeit seiner Partei a»s, ei», RcchtSregieruug im «eiche z» Wlde». Die Deutschu«tiou«leu würde» «ls «,,ier»»g»p«tt,i eine auswärtig« Politik treibe», bie de» Lede»»« n»twe»digkeite« »»d dem Lebenswille» d»S deutschen Volkes unbedingt «echuuug «r»ge n»d anderseits geeignet sei, eine befriedigende Lösung der deutsche« «rjamtfrnge auf de« Wege schleunig,r Verständigung herbetznführen. Dem Gutachten und der Anssordernng zu Verh«ud luug„ setzten di« Drntsch»«ti„«l«u nicht von »ornherein ein rund,» Un«nneh«»ar «ntgege», wohl «b,r V«rb,h«ltk, »i« ,«nz »»»„»icht»«r s,i,n. Sl, würdrn dem tentschen Valk« dl«