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SächstscheSlaalsMng den Zreistaat Sachsen Staalsanieiger für Nr. 18 1924 Dresden, Dienstag, 22. Januar Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung aus Geschäftsanzeigen. Familiennachrichten u. Stellen- gesuche zur Hälfte. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktags nachmittags mit dem Datum des Erscheinungstages. Bezugspreis.- Monatlich 5 Mark. Einzelne Nummern 20 Pfennig. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129V — Schriftleitung Nr. 14 574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Ctadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landcstulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandoersicherungsanstalt, Verkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Zolles in Dresden. l)f. Schacht vor den Sachverftän- digenausschüffen. Tic Sanierung der deutschen Währung. Tie Kapitalflucht. Paris, 21. Januar. Ter Reichsbankpräsident Dr. Schacht und Re' gierungsrat vr Meyer von der Kriegslasten» kommission wurden heute nachmittag vom ersten Sachverständig enausschuß zu offiziellen Be- sprcchungen empfangen. In der um 3 Uhr sich anschließenden offiziellen Sitzung wurde den deut- schen Vertretern der Fragebogen des Aus- schusses vorgelegt, vr. Schacht gab zunächst in zweistündigen zusammenhängenden Ausführungen und daran anschließend auf Einzelfragen der Aus- scbußmitg ieder Auskunft über die mit der Sanie- rmig der deutschen Währung in Verbindung stehen den Fragen, insbesondere über seinen Plan einer deutschen Goldnotenbank. * Der zweite Sachverständigenausschuß, der die Ermittlung aller ins Ausland geflüchteten deutschen Kapitalien zur Aufgabe hat, ist heute mittag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen getreten. Barlhou, der Vorsitzende der Repara- tionskommission, zollte in seiner Begrüßungsansprache zunächst ler Tätigkeit des ersten Komitees und der Energie seines Vorsitzenden rückhaltlose Anerkennung. Tie Frage nach der Höhe der heute im Auslände angelegten deutsche« Kapitalien, führte er weiter an». sei leichter gestellt als beantwortet, aber sie müßte unter allen Umständen in Angriff genommen werden. Tie deutsche Regierung habe diese Flucht deut scher Vermögenswerte ins Ausland zum Schaden der deutschen Finanzen und der deutschen Währung niemals in Frage gestellt. Lie habe selbst eine Reihe gesetzlicher und administra tiver Maßnahmen dagegen getroffen, denen jedoch ein Erfolg nicht beschirden gewesen sei. Mac Senna, der englische Vertreter in dem Komitee, habe selbst im Dezember IS22 den Gesamtbetrag der im Ausland in Form von Depots angelegten deutschen Vermögens werte auf eine Milliarde Dollar geschätzt und deren Nutzbarmachung zugunsten der Re parationen angeregt. Die deutsche Re» gierung habe durch den Mund ihres autorisierten Vertreters zu wieder holten Malen zugesagt, daß sie alle Bemühungen, diese Kapitalien nach Tcutschlandzuraazuteiten,mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen werde. Barihou wandte sich zum Schluß an Mac Kenna mit der Bitte, den Vorsitz des Komitees zu übernehmen. * Ter Ausschuß hat in seiner Nachmittags- sitzung einen allgemeinen Meinungsaustausch über seine Aufgaben gepflogen und beschlossen, die An wesenheit Vr. Schachts in Paris zu benutzen, um von ihm Erklärungen über die deutschen Auslandsguthaben und die Möglichkeit ihrer Rückführung entgegenzunehmen. Havas zufolge hat Vr. Schacht diese Fragen bereis beute im ersten Sachverständigenausschuß gestreift durch einen Hinweis darauf, daß die Einführung der von ihm geplanten deutschen Gold- Währung die Rückführung begünstigen werde, vr. Schacht Hai, wie Havas mitteilt, nach Schluß der heutiger, Sitzung des ersten Aus- schusses Journalisten erklärt, er habe sich ver- pflichtet, über die Sitzung Stillschweigen zu be wahren und er werde sein Wort halten. Er könne nicht einmal etwas über seinen Eindruck mitleilen. Im übrigen liege es auch näher, die Mitglieder des Sachverstand genausschufles um ihren Eindruck zu befragen. Alles, was er sagen könne, sei nur, daß er noch einige Tage in Paris bleiben und morgen vom zweiten Ausschuß gehört werde, um sich über die deuische Kapitalflucht zu äußern. In dieser Sitzung des zweiten Aus schusses wird den deutschen Vertretern noch mit- geteilt werden, ob der erste Ausschuß sie nochmals zu hören wünsche. Ter Eisenbahnerstreit in England. London, 21. Januar. Nach einer amtlichen Meldung hat der Streik der Eisenbahner am Sonntag um Mitter nacht begonnen. Reuter zufolge hofft die Streikleitung, daß der Ausstand bald allgemein sein werde. Es wird auch berichtet, daß die Mitglieder der Gewerkschaft Thomas sich dem Streik angeschlossen hätten, was u. a. in Warrington und teilweise in Crewe der Fall sei. Am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen ist der Betrieb der London-Midland-Schottland-Eisenbahn, die 70 Pro zent des normalen Dienstes aufrechtzuerhalten gedenkt. In welchem Grade die Leute um Tho mas die Streikenden unterstützen werden, wird sich erst später zeigen. Man hält ihre Haltung für entscheidend. In einer Versammlung von Aus- ständigen wurde Thomas mit dem Rufe „Ver räter!" begrüßt. Tas Bild des Eisenbahnverkehrs am ersten Tage des Streiks ist durchaus unein- heitlich. Obwohl von einer vollständigen Lahm legung des Verkehrs nicht gesprochen werden kann, wird doch nur ein geringer Prozentsatz derjenige n Züge inGang gehalten, die für den Notverkehr von den Gesellschaften in Aussicht genommen waren. Ter große Naiionalverband der Eisenbahner bezeichnet den Streik als ein „vollständiges Fiasko". Ta gegen läßt der Führer des streitenden Lokomotiv- führerbundes erklären, daß der Plan dahin gehe, viel weniger den Personenverkehr als den Güter verkehr zu treffen und damit den Eisenbahngesell schaften derartige finanzielle Verluste zuzufügen, daß sie in der Frage der Löhne bald nachgeben müßten. Da der Eisenbahnverkehr nach den Lon doner Vororten größtenteils ruht, werden die nach dorthin führenden Untergrund- und Autobus- linien gestürmt. Zur Sicherung des Postverkehrs mit dem Kontinent sind besondere Vereinbarungen mit den Flugzeug-Gesellschaften getroffen worden. Lenator Borah Festen den fran- züstsche» Militarismus. Washington, 21. Januar. Im Senat unternahm vorgestern derSenator Borah einen starken Vorstoß gegen den französischen Militarismus und setzte sich energisch oafür ein, daß dieZinsen der französischen Schuld an Amerika Der Sturz der Regierung Baldwin Tie Annahme des Misttrauensautrags. London, 21. Januar. Tas Unterhaus war bei seinem Zusammen- tritt dicht besetzt. Ter Schatzkanzler Chamber- Iain erwiderte auf eine Anfrage, daß keinerlei Forderung gegenüber Frankreich erhoben wurde, über die Bedingungen für die Rückzahlungen der französischen Kriegsschulden an Eng land zu verhandeln. Weiter erklärte er, er sei nicht bereit, zeitweise die nach Regelung der deut schen Rcparationsfrage eingezogenen 26 Proz. Reparationsabgabcn aufzuheben. Verhand lungen seien im Gange. Dir Debatte über drnMißtraurns- antrag der Arbeiterpartei wurde von Sir John Limon, dem Führer der Liberalen, ausgenommen. Er sagte, die HauptPflicht des Hauses sei, die unfähige Regierung Baldwin zu beseitigen, die eingestanden habe, daß sie ein wichtiges Problem nicht förder lich behandeln könne. Limon ploteftierte grgcn die Annahme, daß die Arbeiterregierung bedeute, daß Großbritannien von heule ans morgen ein sozialistischer Staat werde. Er hoffe, daß eine Regierung der Arbeiterpartei unter Wohlwollen der Haltung aller Parteien das Amt übernehmen werde. Austen Chamberlain erklärte, wenn die Liberalen mit der Arbeiterpartei zusammen- gehen wollten, werde Asquith der letzte liberale Premierminister gewesen sein. Bei der nächsten Wahl werde sich das Land für die Arbeiterpartei oder sür die Konservativen ausjprechen müssen Baldwin verteidigte die Politik der Regierung und erklärte, wenn sie heute nacht beseitigt wer den sollte, würde sie ihre« Nachfolger« keine ungelösten Probleme hinterlassen, außer der Reparationsfrage, der französi schen Frage und der Arbeitslosigkeit Die Zukunft liege zwischen den Konservativen und der Arbeiterpartei. Sir John Simon sagte das Land habe die Schutzzollpolitik rdrnso verworfen wie den Sozialismus. Es sei eine große Mehrheit vochanden zugunsten eines neuen Geiste« in der Regierung. Nach weiterer Debatte wurde der Miß traue« Sa ntra g der Arbeiterpartei mit 228 gegen 2S6 Stimme« ««genommen. Da« Ergebnis wurde unter stürmischem Beifall bekanntgegeben. * Macdonalds Schlußworte. London, 22. Januar. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses er innerte der Generalstaaisanwalt Sir Douglas Hogg an die Arbeit, die die konservative Re gierung geleistet habe. Was die auswärtigen An gelegenheit betreffe, so hab« die Regierung, al- sie gegen die Besetzung deS Ruhrgebietes vrotestierte. zu wühlen zwischen der Aufrecht erhaltung ihrer freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich und einem Bruche. Nachdem die Re gierung die freundschaftlichen Beziehungen aufrecht- erhalten habe, sei England in der Lage gewesen, in Zusammenarbeit mit den Ver einigten Staaten Sachverständigenaus- schüsse zusammenzustellen, was als ein end- gültiger Schritt vorwärts zur Lösung der Repa- ralionsfrage betrachtet werden könne. Tiefe Lösung werde hoffentlich Teutschland mstandsetzen, sein Budget ins Gleichgewicht zu bringen. Im Namen der Arbeiterpartei schloß Ramsay Macdonald die Debatte und sagte: der Sozialismus sei kein feftum« schrieben«» Begriff und könne sich durchaus den Umständen anpasseo. Die gegenwärtigen Umstände, sowohl was die innere wie die äußere Politik beircffe, machten eine andere Regierung notwendig. Es sei keine beneidenswerte Ausgabe, Nachfolger der vorigen Regie rung zu sein Toch stelle er seine Pflichten gegenüber England über seine persönlichen Ge. fühle. Leine Regierung habe viel Gutes zu wirken und viel Angst und Sorge im englischen Volke zu bannen. Er richte daher an das Unterhaus die Aufforderung, die Tebatte zu schließen und die Antwortadrcsse auf die Thron rede mit dem Avänderungsantrage der Arbeiter partei anzunehmen. * Tas Schiffsbanprosiramm. Arbeit für 32 000 Menschen. London, 22. Januar. Tie Niederlage der Regierung wurde von der Arbeiterpartei mit Jubel begrüßt. Mehrere liberale Anhänger Lloyd Georges stimmten mit der Regierung gegen den Abänderungsantrag. Im Laufe der Tebatte gab Amern, der erste Lord der Admiralität, eine Erklärung über das Schiffs bauprogramm ab, das die Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Schiffs bauzentren ausgestellt habe. Alle leichten Kreuzer würden im Laufe der folgenden 12 Jahre ver altet sein. Um sie zu ersetzen und die Zahl der Kreuzer aus ausreichender Stärke zu halten, würde es nötig sein, während der kommenden 10 Jahre insgesamt 5 2 Kreuzer zu bauen oder durchschnittlich fünf jedes Jahr. Vom Jahre 1931 ab werde die Regierung infolge des Washingtoner Vertrages durch den Ersatz der Großkampfschiffe hohe Kosten auf sich zu nehmen haben. Die gegenwärtige Regierung habe die sofortige Inangriffnahme des Baues von 8 leichten Kreuzern, 3 Unterseebooten und 2 Kanonenbooten für den Dienst im Persischen Meerbusen, eines Flugzeugmutterschiffes und eines Minenleger- vor geschlagen. Das Programm werde unverzüglich Beschäftigung für 32000 Arbeiter schaffen und werde das Marinebudget der nächsten Jahre um 5 Millionen erhöben. eingefordert würden, sowie daß eine Re gelung der Frage überhaupt erfolge. Ter Senat hat zwar keinen Beschluß gefaßt. Es ist aber auch kein Widerspruch dagegen erhoben worden. Ter Senator Owen führte erneut aus, daß Frankreich und Rußland als die eigent lichen Kriegsurheber angesehen werden müßten, was ebenfalls ohne Widerspruch hinge nommen wurde. In einem großen Telle der Presse wird der Sturz des französischen Franken auf die verfehlte Politik der Franzosen zurück geführt und zum Ausdruck gebracht, daß die unter nommenen Versuche, den Franken zu stützen, auf die Tauer ohne Erfolg bleiben müßten. Einberufung des Auswärtigen Ausschusses. Berlin, 22. Januar. Auf die Anfrage des Abg. Hermann Müller hat der Reichsaußeamiaifter Vr. Stresemann mitgeteilt, daß er mit der Ein- berusung de« Auswärtigen Ausschusses de« Reichstags gern einverstanden sei, zumal er im RetchsratSausschuß sür auswärtige Angelegen heiten bereits berichtet habe. Als geeignete« Termin sür die Sitzung sieht der Reichsaoßeu- minister die letzten Tage dieser Woche an. Abg. Herman« Mütter hat daranf bei dem Vor sitzende« des Auswärtigen Ausschassts, dem Abg. Dr. Ernst Scholz, den Antrag auf Einberufung des Auswärtigen Ausschusses gestellt. Forderung eines Gesetzes über den Ausnahmezustand. Eingabe des Deutschen Kriedens« tartells. Berlin» 21. Januar. Tas Deutsche FriedenZtartell ha: an den Reichstag den Antrag auf beschleunigten Erlaß eines Gesetzes über den Ausnahmezustand gerichtet. Ter Hauptinhalt der Eingabe, zu der Senatspräsident Freymuth eine Denkschrift ausarbeitete, ist folgender: In Artikel 48 der Reichsverfcmung ist dem Reichspräsidenten und, in gewissen -Fällen, den Landesregierungen ein fast schrankenloses Recht zur Erklärung des Ausnahmezustandes gegeben worden. In Absatz 5 des Artikels ist ausdrücklich vorgesehen, daß das Nabere in einem besonderen - Reichsgesetz festaelegt werden soll. Tie Dringlichkeit diese- Aussührungsgesetzes ifl bereits in der verfassunggebenden Nanonal. versammlung 1919 anerkannt worden. Tas landesrechtliche Ausnahmercchl ist in Bayern in einer Reihe von Fällen in der schwersten Weise mistbraucht und gegen das Reich angewandt worden. Ter schlimmste Fall ist der, in dem Bauern den von der Reichsregicrung abgesehen General v. Lossow, als dieser sich dem Befehl nicht fügte, einfach als bayerischen Ober befehlshaber verpflichtet hat. Ter bayerische Ministerpräsident v. Knilling hat in einer öffentlichen Sitzung des bäuerischen Landtages bei einer früheren Gelegenheit von dem Notwehr rechte Bayerns gegenüber dem Reiche ge sprochen. Auch die Handbabung des Ausnahme zustandes durch den Reichspräsidenten unterliegt den schwersten Bedenken, so namentlich die Absetzung von »erfasjungsgemäß ins Amt gekommenen Minister« in Lachst«, die Beseitigung von Beamten, da, zeilwcis, Verbot der Tagung des Landtages in Sachsen. Dazu kommt, daß der Reichspräsident eine Reihe von Verordnungen rein wirtschaftlicher, steuerlicher und strafprozessualer Natur erlassen hat, obwohl diese sich unter den Begriff der Wieder herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so wie der Artikel 48 der Reicdsverfassung vor schreibt, in Wahrheit nicht bringen lassen. Besonder» beschämend ist, daß di« i» kaiserliche» Dentschland durch das Gesetz vom 4. Dezember 1914 zu« Schutze der Verhaftete« ei«gesührte Beschwerde «ach de» «t«e« republikauische» «echt des Artikel- «8 «icht besteh, «ad