Musikdrama Die Meistersinger von Nürnberg 1867 beenden, um ein Jahr später die Uraufführung im Münchner Hoftheater zu erleben. Freilich ging es Wagner weniger um eine historische Annäherung, als vielmehr um die Idee, den Konflikt eines Künstlers (er heißt in den Meistersingern Walther von Stoltzing) zwischen Tradition und Fortschritt darzustellen. Walther, ein phantasiebegabter Hitzkopf, verletzt die althergebrachten Regeln des Meister sangs. Beckmesser, sein Gegenspieler, verteidigt sie, ohne zu erkennen, dass sie wertlos sind, wenn man sie nicht mit Genie behandelt. Der weise Hans Sachs aber vermittelt zwischen diesen Stand punkten: nicht Fortschritt oder Tradi tion, sondern Fortschritt und Tradition, so seine Devise. Man kann es bereits ahnen: In Hans Sachs porträtierte Wag ner auch sich selbst. Folgerichtig zeigt sich die Musik der Meistersinger den genannten Prinzipien verpflichtet. Wäh rend das Vorspiel zum 3. Akt, das atmo sphärisch den berühmten Wahn-Mono log von Sachs vorbereitet, mit seiner orchestralen Klangvielfalt und seiner ruhig strömenden, großbögigen Melo dik romantischer Ästhetik entspricht, offenbart das Vorspiel zum 1. Akt durch aus konservative Züge: Seine komplexe, durch die große Themenfülle verdichte te Polyphonie atmet, vereinfacht gesagt, Bachschen Geist - eine Qualität, die auf den jungen Wagner verweist, auf seine Zeit als Schüler des Thomaskantors Christian Theodors Weinligs, bei dem er ab 1831 Kontrapunkt studiert hatte. Als drolliges Scherzo könnte man den Tanz der Lehrbuben bezeichnen, der das Mittelstück der „Suite“ hier bildet, auf der Bühne aber die Schlussszene einlei tet, das Wiesenfest der Meistersinger. Die Entstehungsgeschichte von Wag- 1843 wurde Wagner zum Königlich-Sächsischen Hofkapellmeister an der Dresdner Oper ernannt, nachdem dort bereits sein „Rienzi“großen Erfolg hatte. Wagners künstlerische und materielle Anforderungen an den sächsischen Theater betrieb stießen jedoch auf Unverständnis, und schon bald sah er sich bei seinen Reformversuchen heftigem Widerstand gegenüber. (Oben: Dresden, Innenansicht des Ersten Hoftheaters des Architekten Gottfried Semper, links: Richard Wagner um 1842)