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SächsischeStaalszeilmg den Freistaat Sachfen Staatsan^eiger für ErscheintWerktag» nachmittag» mit dem Datum de» Erscheinung»tage». vezugSp re i»: Monatl. SM. (durch die Post4M.f. Einzelne Nrn. IS Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129k — Schriftleitung Nr. 14 574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Ctadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf, unter Ein gesandt SO Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. stellen- gesucht. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landezlullurrenlenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Lande»-Brandversicherungsanstalt, Berkanfsliste von Holzpflanzen aus den staatsforstrevierea. verantwortlich für die Redaktion: Haupischnftleiter Bernhard Zolles m Dresden. Nr. 71 ! Dresden, Montag, 24. März 1924 Für eine Verständigung nach innen nnd außen. Reichskanzler und Reichsaußenminifter eröffnen die Wahlbewegung. Elberfeld, 23. März. Reichskanzler Marx sprach heute hier in der Siadthalle in einer öffentlichen Versammlung, init der die Zentrumspartei des Wahlkreises Diisseldorf-Ost, die den Reichskanzler an die Spitze der Kandidatenliste gestellt hat, die Wahlbewe- gung eröffnete. Der Reichskanzler führte eiwa folgen, des aus: „Der Reichstag ist aufgelöst. Tas deutsche Volk soll sich eine neue gesetzgebende Vertretung geben, liberlegen wir rns ohne Leidenschaft und Voreingenommenheit: Was ist das Ziel unserer politischen Betätigung angesichts der Lage von Volk und Vaterland? Es kann nur eines sein: Tie Aufrechterhaltung der Einheit des Reiches nnd die Mederanfrichtmrg un seres infolge des Krieges nnd der Wirren der Revolution zu Boden geworfenen Volkes. Dieses Ziel hat dem Zentrum und den von ihm maßgebend beeinflußten Regierungen der letzten Jabre vorgeschwebt. Alle Kraft hat es für die Erreichung dieses Zieles eingesetzt. Wir standen vor der Frage, die auch je-b noch^die Leidenschaften in hohem Maße erregt: Welche Außcnpotttit sollen wir treiben, um das gesteckte Ziel zu erreichen? Daß der Friedensverlrag von Versailles un- tragbar ist, ist klare Einsicht des ganzen Volkes. Insbesondere schmerzt der Vertrag, weil die in ihm enthaltene Beschuldigung Deutschlands, allein am Ausbruch des Krieges die Schuld zu tragen, durch eine objektive wissenschaftliche Forschung Lügen gestraft ist. Kein Wunder, daß ein Teil des Volkes verlangt: Auflehnung gegen die Be stimmungen dieses Diktats mit aller Macht, keine Nachgiebigkeit, keine Schwäche, sondern Ver weigerung jeglicher Erfüllung. Was würde die Folge sei«, wenn dieser Weg eingeschlagcn würde? Ter Sieger von Versailles ist im vollen Be sitze seiner V acht. Rücksichtslos bis zum äußersten würde er sic äugen andt haben, falls wir mit großer Geste die Erfüllung der uns auferleglen Verpflichtungen abgelehnt hätten. Wir sind ein waffenloses Volk. Geradezu Wahn- witz wäre es gewesen, den Gegner zu äußerster Gewaltanwendung zu reizen. Das Zentrum hat sich entschlossen, den Versuch zu machen, die schweren Lasten des Vers iller Dikiates bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit zu tragen, erfüllt von dem Gedanken, auf diesem harten Wege am ehesten die Befremng Teutsch- lands von den ihm durch den Versailler Vernaz auferlegten Fesseln zu erreichen. Schwer sind die Opfer, die das deutsche Volk infolgedessen hat tragen müssen. Erhalten geblieben ist dadurch aber -ic Einheit des Reiches. Mit bewundernswertem Heroismus haben alle Deutschen au Ruhr und Rhein das schwere Schicksal getragen. Waffenlos, wie wir sind, hat das überfallene Voll nur den passiven Wider stand als einzige Abwehrmöglichkeit gehabt, aber auch ohne Erfolg. Trotz den Lehren, die jeder einsichtige Deutsche aus den bitteren Erfahrungen des passiven Widerstandes an der Ruhr ziehen muß, lauschen noch weitere Kreise des Volkes auf berauschende Klänge von Mannesmut und natio naler Entschlossenheit. Man tlänmt von bewaffnetem Wider stand, obwohl unsere Waffen»üstnng zer trümmert ist, obwohl auch niemand von denen, die so gern das Wort „national" im Munde führe«, sagen kann, wie ein dewafsntler Widerstand für uns möglich sein soll. Wett mehr scheint mir echte nationale Gesinnung zu sei», sich durch Übernahme schwerer und ernster Pflichten im Ttenste des voltsganze« auszuzeichueu, um Schwereres von ihm fernznhaltrn. Die Wahlbewegung wird den inneren Partei- streit um di? Führung der Außenpolitik wieder ve. stärkt aufleben lassen; trotzdem ist es meine Hoffnung und sicherlich die Hoffnung der gesamten Bevölkerung der schwerleidenden besetzten Gebiete, daß da» neue Parlament in seiner Mehrheit ent- schlossen ist, die Reparationsfrage zur end- gültigen Erledigung zu bringen, ein mütig in dem hohen nationalen Ziele durch materielle Opfer zur uaiiouale«, kulturelle« und wirtschaftlich,« Freiheit. Nach einem Hinweis auf die bevorstehenden Gutachten der Sachverständigen fuhr der Reichskanzler fort: „Eine deutsche Partei allein vermal die un geheuren Aufgaben, die die Zukunft bringen wird, nicht zu meistern. Deshalb muß auch das Zentrum sich nach Bundesgenossen umsehcn, die, ge- meinsam mit ihm, das eine große Ziel der Rettung von Volk und Vaterland erstreben. Wer sollen diese Bundesgenossen sein? Wir stad bereit, mit jeder Pa »tri zu- sammenzua rbeiten, dir mit »ns pofi- tibe Arbeit zum Legen des Ganzen und des Einzelnen zn leisten gewillt ist. Tamit glauben wir, wenn vielleicht auch nicht patentnational, so doch ganz PMmitW kMintimtimffn Ächmz. Tie Labour Party für Herabsetzung der Neparationsschuld. London, 23. März. Der Finanzsetretär im Schatzamt, Graham, betonte in einer Neve die Wichtigleit einer endgültigen Stegelnng der Aeparations, frage nnd die Feftfetz«ng einer mäßige« Endsumme. Die Arbeiterpartei sei zwar der Ansicht, daß Reparationszahlungen ge- leistet werden müßten; sie hat aber niemals den Gedanken geänßert. daß eine übermäßige Summe erzielt werden könnte. Erhöhte diplomatische Aktivität. Paris, 22. März. Trr überraschrudt Entschluß der Er- pertenkomitees, das Wochcnr«de zu einer Aussprache mit de« zuständige« Lon doner Stellen zu benutzen, hat zusammen mit den Gerüchten von einem für die allernächste Zukunft in Ansicht stehende» Zusammen treffen zwischen Ramsay Macdonald und Poinrart hier und in London zu den ge wagtesten Kombinationen nnd Kommentaren An laß gegeben, die cs schwer mache«, aus dem Wirrwarr widerspruchvollster Informationen de« wahren Kern heraugzuschälen. Sicher ist jeden falls das rine, daß die erhöhte diploma tische Aktivität der letzte« Tage ihren Grnnd in den Schwierigkeiten hat, ans die die Beratungen der Experten - komitecs gestoßen sind. Diese Schwierigkeiten sind meist politischer Natur und machen deshalb Entscheidungen der Regierungen selbst erforderlich. Von dieser Not wendigkeit scheint man sich sowohl in Paris wie in London nunmehr Rechenschaft gegeben zu haben. Der seit Mitte der Woche zwischen beiden Kabinetten geführte außerordentlich rege Meinungsaurtausch steht damit in engstem Zusammenhang und es ist wahrscheinlich, daß der Gedanke einer Begegnung zwischen Poinca:« nnd Ramsay Macdonald als Vor bereitung einer interalliierten oder vielleicht sogar internationalen Kon- serenz greifbarere Gestalt als bisher angenommen hat. Alle diese Tinge aber sind vorläufig noch im Fluß und die darüber verbreiteten Meldungen müssen als zum mindesten stark verfrüht bezeichnet werden. Zutreffend ist anderseits, daß die englisch-fran- zösischen Verhandlungen nicht allein da»Reparation»- Problem zum Gegenstand haben, sondern daß die Frage der französischen Sicherheit dabei eine sehr gewichtige Rolle spielt. Wenn auch in Frankreich in der breitesten Öffentlichkeit die Be reitschaft zu einer Lösung im Rahmen des Völker- bundes, wie sie am Freitag u. a. vom „TempS" skizzier wurde, jetzt täglich an Boden gewinnt, so ist es doch keineswegs sicher, daß die neuen Vor- schlüge, welche die frailzösische Regierung in Lon- don hat unterbreiten lassen, von diesen Tendenzen inspiriert sind. G Der nicht erfolgte BriefVechsel. L » « d » », U «Sq. Der Briefwechsel M»e »»«lh P»i« ear» ützer die Frag« bar fr«»»Dftsche> Sicherung, die baldige Aufnahmc Deutschlands in den Völkerbund nnd da» Angebot, die britischen Streit kräfte gegen jeden Friedensstörer ei «zu setzen, wird iowohl in Paris wie i« London offiziell dementiert. Tas Tementi leugnet jedoch nur, daß gegenwärtig ein Brief wechsel stattfinte. Es ist jedoch »»leugbar, daß ei» Gidaukenausiausch über diese Punkte neuer dings stattfand, jedenfalls steht fest, daß der französijche Gesandte in London das Auswärtige Amt letzthin besuch» und dieser Be such der Aussprache über die Punkte gegolten hat, die als Inhalt des Briefes Macdonalds bezeichn et werden. Es »erden fernerhin odnc Zveifel Besprechungen gepflogen, welche die Wiederherstellung der französisch-britische» Entente, allerdings zugunsten der Ansrechterhal- »ung de» enropäijchen Friedens zum Ziel haben. O Ter srauzöfiichc Botschafter bei Macdonald. Paris, 24. März. Ler „Pelit Parijien" bespricht in einem offenbar beeinflußten Artikel den Schritt, den der französische Botschafter heute bei« eng lischen Premierminister «nternehmen soll. Vom anfrichiigen Wunsch beseelt, enie Fliebens- atmosphärr in Europa zu schasse», habe Mac donald in seinen Reben und den Briefen an Poiucarä sich bereit crtlärt, da» Sicherheits- Problem wieder anfznnehmen. Aller- ding« »erstehe er e» als allgemeine euro päische -rage, die England, verbunden mit der Beratung und Verabredung über das allge meine Schiedsgenckttsversahrk», zu lösen ge- denke. Lie heutige Nntcrrednng zwischen de« Premierminister nnd dem Botschafter, der den schon ge ngsam bekannten französischen Standpunkt noch einmal darlcge» »erde, werde Gelegrnheit gegeben sei», de» Sta»dtpu»k< des »e»e» e»glischen Kabinetts in präziserer Form kenne» z« ler»e». Aber ma» dürfe dieser Aussprache kei«c größere Bedeutung beilegen nnd in ihr nicht etwa bi, Fort- setznng des zwischen «ardonald nnd Poinearö'auigelauscht»» Briefwechsels »der da» Vorspiel »» weitergehenden Verhandlungen erblicken. gewiß echt national zum Besten von Reich uns Volt tätig zu sein. Nationale Politik ist, unserer Überzeugung nach, auch die Entschlossenheit, die Einheit des Reiches zu schützen und zu sichern auf dem Boden der in Weimar beschlossenen Ver fassung. Unrecht ist es, ihr die Rechlsverbind- lichleit abzusprechen. Tas deutsche Volk war kraft Naiurrechts berechtigt, nach dem Umsturz der gesamten Staatsordnung eine Vertretung zu wäblen, die eine neue Verfassung beschließen sollte. In einwandfreier Form ist die Verfassung zustande gekommen, die am 14. August 1910 in Kraft getreten ist. Bon da ab hat das Deutsche Reich eine neue Rechtsgrundlage gesunden, die nicht nur rechtsverbindlich für >cd«n Staatsbürger, sondern auch für >eden im Gewissen verpflichtend ist. Ein Verbrechen begeht, wer cs «nlrr- nimmt, gewaltsam oser «iderrecht- lich die Verfassung zu stürze«. Hochverrat ist jeder Versuch, auf nicht gesetzmäßigem Wege rmfere verfassungs- mäßig seftgtlegtt Ltaalsform zu Snder«. Wie wir im alten Reiche der Staatsautorität mit ihrer monarchistischen Spitze in Treue gedient haben, so dienen wir auch in gleicher Treue der deutschen Republik. Ter Reichskanzler ging daraus in großen Zügen auf das Börordnunftswerk ver ReichöregienlUk ein und sagte weiter: „Eine gesunde Wirtschaft ermöglicht allein die materielle und kulturelle Wohlfahrt unseres Volkes. Tie Förderung der Produktion stellte starke An forderungen an alle Wirlschastskresse, insbesondere an die Arbeitnehmer, die gezwungen sind, manche der zur Besserung ihrer hauen Lage ge schaffenen Erleichterungen vorübergehend preiszugebe ii. Tie Zentrumspartei empfindet es als eine sittliche Pflicht, das harte Los der arbeuenden Bevölkerung zu erleichtern, sobald die Möglichkeit dazu besteht. Mir Bedauern und mit zornigem Unmut hat die Zentrumspariei in der letzten Zeit von bcklaqcnowertcn Zwanqsmaßnaümcn ein^lner Arbeitgeber gehört; sie bösst und erwartet, daß das Aus nahmen sind. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen bedauerte der Reichskanzler, daß das in der Ver fassung vorgesehene Schulgesetz noch nickt zu stande gekommen sei. Ter Kanzler schloß: „Über lebenswichtige Fragen des deutschen Volkes wird der nächste Reichstag ent scheiden müssen. Seine Zusammensetzung ist von ausschlaggebender Bedeutung. In der Hand der Wählerschaft liegt das Schicksal unsere» Reiche». Wenn die radikalen Parteien von reckts oder von links eine starke Vermehrung ihrer Mit glieder erfahren, dann sind die Folgen unüber sehbar. Für Herrn Poinrat» wird es nichts Willkommeneres grden, als bei den fran- zösisihr» Wählt» ans ei»e starke Zu- »ahm, der deutschvölkischen Ab- gcordnete» i« Reichstag hinwcisr» z» lö«»r». Handelte es sich nicht um da» Lebe« unsere» Volkrs, dann wäre es inter essant. den Herrrn Teutschvölkische» einmal für emige Zeit die Herrschaft zu üder- >«ssen. Tr Entscheidung, die bevvrsteht, ist abrr zn ernst, nm solche Versuche ver- ontworte« zu können. An das deutsche Volk kann aber nur die Auf forderung ergehen: Sorge dafür, daß ein arbeit». ähiger Reichstag rustande kommt, der nicht gewillt ist, das deutsche Bolk m neue Aben teuer zu stürzen. Sorge für einen Reichstag, der den Weg ernster, harter Arbeit weitergeht und zu bewahren und zu mehren trachtet, wa» wir in den letzten fünf Jahren an kargen Er folgen dem Gegner abgcrungen haben. Ruhe im Anvern verbürgt am ehesten Verständigung