Volltext Seite (XML)
SächWeStaalsMng den Zreistaat Sachfen Staatsan^eiger für ErscheintWerkiag» nachmittag- mit dem Datum des ErscheinungStage». Bezugspreis: Monatl. 3M. (durch die Post 4M>). Einzelne Nrn. 15Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. LI 295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadlgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung oer Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandversicherungsanstalt, BerkausRist« von Holzpflanzen aus den StaatSforstreoieren. verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Jolle- in Dresden. Ankündigungen: Die 32 mw breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf-, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geichäs'sanzeigen, Famihennachnchten u. Stellen- gesucht. — Schluß oer Annahme vormittag- 10 Uhr. Nr. 65 Dresden, Montag, 17. März 1924 Der Marsch nach Merlin. Fortsetzung des Zeugenvcrhörs im Hochverratsprozeß. München, 16. März. Tie Sonuabendsipung wird durch die Ver lesung einer Richtigstellung d.'s Kardinals Faul- Haber eingeleitet. In ihr heißt eS: 1 Nach de« Flugschriften der völkischen Bewegung hat sich GeneralLndendorsf geäußert, daß ich hinter dem Plan, Bayer« und Österreich zusammenznschließen, stehe. Das ist unwahr. Ich habe Nirmals nnd nirgend- diesen Plan gehegt nnd von ihm erst aus dem Prozeß erfahre». 2. Nach der gleiche» Quelle hat Luden dorff behauptet, ich hätte ans meiner Reise nach Amerika die Brrjenkung der „Lusi tania" als völkerrechtswidrig bezeichnet. Ich habe niemals und nirgends die Berjenlung der „Lusitania" als völkerrechtswidrig bezeichnet und halte das auch gegen alle nachträglichen Verdrehungen aufrecht. 3. General Ludendorff brhanptet, ich hätte in Amerika über die Schuld Deutsch lands am Kriege nicht so gesprochen, wie es die Mehrheit de- Volkes als die Wahrheit ansteht. Ich habe niemals und nirgends in Amerika über die Schuld Deutschlands am Kriege gesprochen. 4. Wenn die aussatlende Zeitangabe, ich sei während des Fuchs-Machhans-Pro zesses in Amerika gewesen, dahin gedeutet werden will, ich hätte Grund gehabt, diesem Prozeß auszuweicheo, so ist das eine weitere unwahre Behauptung. General Ludendorff behält sich vor, zu der Er klärung des Kardinals Stellung zu nehmen. Der Vorsitzende gibt dann ein Schreiben des Generals v. Lossow bekannt, indem es heißt: Ich lehne das Erscheinen vor Gericht als Zeuge ab. Die Gründe dasür liegen für jeden klar, der dem Schluß der Freiiag- vormittagsitznng bcigrwohnt hat. Ter Vorsitzende erklärte hierzu, das Gericht werde sich salüssig machen, ob der Zeuge Lossow zwangsweise vorgeftthrt wird. Sodann beginnt die Vernehmung der zum Bewei angebot der Verteidigung geladenen Ent- l astu ngSze uge n. Als erster wird Universitäts- Professor DSberl vernommen. Er muß über seine Eindrücke im Bürgerbräukeller aus- sagen und berichtet: Ich habe den Eindruck gewonnen, daß Lossow, den ich seit Jahrzehnten kenne, sich so verhallen nnd ausgesprochen hat, daß ich bei ihm an den Ernst nicht glauben konnte. Ander» bei Kahr, den ich ebenfalls seit Jahrzehnt« kenne. Bei seinem ver halten habeich nicht einen Augenblick gezweifelt, daß er e- ernst nimmt. Bei Seisfer war e» mir nicht ganz klar, mir fiel nur die Leichtigkeit feines Auftretens nnd seines Vortrages ans. R.-A. Luetgebrunc hält eine weitere Beweiserhebung darüber, welchen Eindruck die Versammlung au- dem Verhalten von Lossow, Seisser und .Kahr im Bürgerbräu gewonnen hat, für nickt mehr nötig. Eine völlige Klärung, ob de damals abgegebenen Erklärungen ernst gemeint waren oder nicht, wird sich nicht mehr schaffen lasten. Mir persönlich würde der Stand punkt des Gericht- genügen, daß sich eine end- gültige Klärung nicht schaffen läßt. RechtSfol- gerungen hieraus sind Sache des Plädoyers. Der Zeuge, Hauptmann Bergt» von der LandeSpolizei, soll darüber au-sagen, ob Lossow bei seinem Erscheinen auf der Stadlkommandantur (A11 Uhr nachts nach dem Bürgerbräukeller) den Eindruck gemacht habe, als ob er tatsächlich mit Hitler gemeinsame Sache gemacht habe. Bars, zum Zeugen: SS soll sich um eine Äußerung von einem traurigen Mannsbild gehandelt haben. A.iige: Etwa« Ähnliches wurde später im Privatgespräch gesprochen, und zwar von General Danner, der der Auffassung war, daß Lossow im Bürgerbräu eine andere Haltung hätte ein- nehmen können. Er hätte Nein sagen müssen, meinte General Tanner. Ten Eindruck, daß Lossow ernstlich mitzumachen gewillt war, hatte ich von seinem Auftreten nicht, dagegen war Lossow in der Kommandantur zerfahren und wußte äugen- blicklich nicht, was zu machen sei. Zeuge Rittmeister a. D. ». Schirach, militärischer Führer bei dem Vaterländischen ver band München, sagte aus über die bekannte Propaganda des Prof. Bauer: Es war wohl von einem Marsch nach Berlin die Rede, denn dieser Gedanke war in allen vaterländischen Ver bänden Gemeingut. Tiefes Wort hat sich ent- wickelt aus der Äußerung Bauers „nicht los von Berlin" sondern „Auf nach Berlin". Es ist uns einmal — ich kann mich in der öffentlichen Sitzung nicht näher darüber äußern — ein mili tärischer Beseh! zugegangen, wir sollten werben, und bei dieser Ge- legknhelt wnrde uns geiagt, cs handle sich darum, die nötigen Kräfte zu sam mel», daß bei ei»em Vorstoß auf Berlin,in Anlehnung an die norddeutsch«» verbände, für de» Fall de, Widerstandes der Sozialdemokraten nnd Kommnnistk» er hebliche militärisch an^ebildete, waffen fähige Drupps »erfügbar sei,«. Wir mußten daher der Überzeugung sein, daß es sich tatsächlich um einen Marsch nach Berlin handle. Die weitere Vernehmung des Zeugen erfolgt später in geheimer Sitzung. In richnhMnlW WN MMck Gegenseitige Grenzvertrage. Hontrotte des Völkerbundes. London, 17. März. Ter Pariser Berichterstatter des „Daily Mail" erklärt, er sei in der Lage, folgende kurze Zu sammenfassung der Ansichten der französi schen Regierung über die Bedingungen des gegenseitigen Paktes zu geben. Poincarä wünsche nichts mehr, als daß ein der artiger Pakt abgeschlossen werde und er sei voll kommen bereit, den Wünschen der britischen Nation entgegenzukommen, soweit sie nicht mit den lebenswichtige »Bedürf nissen Frank- reichs in Widerspruch stehen. Der bereits entworfene erste Artikel des Paktes, der die gegenseitige« Verpflichtungen bei der Rationen im Falle eines nicht heransgeforderten Angriffe« gegen eine der beiden Mächte enthält, müßten unverändert aufrechterhalte« werden. Artikel 3, der sich mit den Konven- tionen, den Stäben, dem militärischen Eingreifen im Falle der Notwendigkeit befaßt, könne ungeschrieben gelosten werden, wenn er nicht in der Praxis durchgeführt wird. Artikel 4, demzufolge Großbritanniens und Frank- reichS Maßnahmen für die Aufrechterhaltung deS europäischen Friedens, falls dieser bedroht werde, Geltung finden sollen, (dies bezieht sich insbe sondere auf Angriffe Deutfchlaudsf könne ausgegeben werden, wenn eine Reihe von gegenseitigen «renz. vertragen zur Erzielung dieses Zweckes vom Völkerbund entworfen und in Kraft gesetzt würden. Dem Berichterstatter zufolge werde in Paris er klärt, die nächsten Monate würden eine unver gleichliche Gelegenheit für eine Er- örterung des vorgeschlagenen Paktes bieten. Die Erörterung könnte zugleich zur Zeit, jedoch getrennt von der Erwägung der Berichte der alliierten Sachverständigen, mit er- folgen. Reparationen und Sicherheit bilden die beiden unerschütterlichsten Grundlagen der französischen Außenpolitik. Sicherheit be deute jetzt: 1 . die Gewißheit» daß D«»tfchl»»d e»twaff«et fei und da«» der ü»«r>a»g der Kontrolle der E»tw»ff»»»t »»d der Entmilitarisier»»- de» «Hein- lande» durch den Bölkerdnnd, 2 die Bildnn, -«-«»seitt-er Patte zur Garantier»», ,,,enfeiki,e» Grenzen nntrr «nfjicht de» BGlkerdmrde». Z. di« Schaffung eines gegenfritige» Verteidigung»»« kies zwischen Groß britannien, Frankreich und Belgien gegen deutsche Angriffe. Ter Berichterstatter der „Ta>ly Mail" erklärt, wenn die sranzösffchr Regierung die Reparanonen und die Sicherheit erhall, wie sie oben auseiuandergesetzt wurden, so wür- den sie eine große Verminderung ihrer miliiäri- scken Streitkräfte und ihrer Ausgaben vornehmen. Uneinigkeit der Sachverständigen. Minderte», zuversichtlich. London, 17. März. Der diplomatische Berichterstatter kes „Daily Telegraph" schreibt, wen» die Sitzung des Da «co-Ausschusses, die in den erste» r«gen dieser Woche stattfinvei, nicht rin höheres Maß der Vereinbarungen unter den Sachverständig«» als bisher ergebe, so werde der Bericht des Aus schusses »m «eitere 1v Dage oder 2 Wochen oder noch mehr verzögert werde». Der große M«i»u»gsftreit betreff« die Frage Barzahlungen oder Sach- lleserungen sowie die Bedingungen d«s »orgeschlagenen Moratoriums sowie de» Umfang und die A»»end»»g der inter nationalen Anleihen. Es gebe in de« Ausschnß wahrscheinlich kein, zwei Delegierten, die in dieser Frage vollkommen überein- stimmte» Dem Berichterstatter zufolge ist in Finanz- kreisen die Tatsache nicht übersehen worden, daß, während die dem Franken aus England gewahrte Unterstützung seitens einer Bank erfolgte, von deren Direktoren einer jetzt im Tawes-AuSschuß sitze, die amerikanische Unterstützung des Franken von einer nickt derartig vertretenen Firma gekommen sei, obgleich anfangs einer ihrer Partner, Lamont, als wahrscheinlicher Delegierter genannt wurde. Paris, 17. März. Sir Dkobert Kiaberleh erklärte el»e« Vertreter des „Petit Parisi«»", hiusichtlich der Arbeite» de» Komitee Dawes set er »och immer sehr optimistisch bezüglich des Eudergeb- »isfes, we»» ma» die Berichte u»d die Lös»», »icht z» früh verlange. E» feie» z» schwierige Probleme, die studiert würde», »>d es feie» die letzte» Etappe», die zählt,» Sie tömiie» ,»r mit Erfolg überbrückt werde», we», »a» d.» Sachverstä»dige» Zeit ließ,, «»»-glich sei «h haltbare Schl»ßf*lg,ru»,t» z» ziehe», »eu» ma» sie improvisier,. Ma» kam, also G,d»ld hab,». Zeuge Prof. Bauer: Meinem Empfinden nach ist bei der Beurteilung der Frage eines etwaigen Marsches nach Berlin und eines Angriffe- auf die Machthaber in Berlin maßgebend, ob die Berliner Regierung zu Recht besteht, oder ob sie auf Grund eines Meineides an ihrer Stelle ist. In dieser Einstellung habe ich seit Jahren gearbeitet und ich werde diese Arbeit fortsetzen. Was meine Äußerung „Auf nach Berlin" anlangt, so habe ich damals, im Sommer vorigen Jahre», nicht an einen Marsch gedacht. Ich gebe aber zu, daß das Wort jederzeit so verstanden werden konnte. Meine Äußerung ist als Schlag wort zweifellos falsch aufgefaßt worden, und ich selbst habe dazu beigetragen, daß dieses Schlagwort in der Bevölkerung Wur el geschlagen hat. Kahr hat mir gegenüber einmal geäußert, daß das Wort etwas Unglückliches an sich habe, weil es Leute, die am Putsch Freude haben, lkickt zu derartigen Dingen bewegen könnte. Ich habe öfter die Er fahrung gemacht, daß von einer Absicht, aktiv z« werden, bei Kahr nichts zu merken war. Po,h»,r erklärt, daß die Tar'wllung des Zeugen nickt mit den wirklichen Bcobachiunge» übereinstimme. Ter Marsch nach Berlin sei eine beschlossene Sache gewesen. Jetzt schwache man alles wieder ab. Tas sei die alte Kahriche Meihode. R.-A. Ro»»r: Haben Sie, Herr Zeuge, einmal mit Joost gesprochen und erklär», es kann jeden Tag losgehen, wir haben die neue Verfassung bereils in der Tasche? Bauer: So kann ick nickt gejagt haben, weil ja eine neue Verfassung in München nickt aus- gearbe let war, wohl aber wo anders. R.-A. Noder: Sie haben kurz nach dem 8. November mit einem Herrn gesprochen, der fragte, warum Kahr den Vormarsch hätte an- treten dürfen und nicht Hitler. Sie wollten daraus erklärt haben, das darf man nicht sagen, sonst kommt Kahr vor den Staatsgerichtshof in Leipzig, ebenso wie H tler. vaurr: Tas weiß ich nicht, das ist möglich, es wird ja so viel gesprochen. (Bewegung.l Ich bin täglich fortwährend angezapst worden, und uh mußte die Leute dock mit irgend einer Antwort abspeisen. R.-A. Rov«t. Ist es rickttg, daß Sie dem Oberleutnant Neumann, der Sie fragte, wie es jetzt mit dem Marsch rack Berlin stehe, es gehe nicht vorwärts usw., geantwortet Haden: selbst verständlich wird marschiert. Meine Rede ist dock deutlich genug? Bauer: Bestreiten will ick daS nicht. Tenn der Gedanke, daß einmal ein Vorgehen notwendig wird, ist auch heute nock sicher. Bors.: Sie sagten vorhin, daß eine neue Ver fassung anderswo ansgearbeitet sei. Bauer: Ja, i« v«rli« ist ri»e ansgt- arbeitti »ordr» i» der Kreise» des All- v«»tfche» Verbandes. (Große Be wegung im Sitzungssaal.) R.-A. Kohl: War nicht Justizrat Elaß daran beteiligt? Bors.: Diese Frage ist in unserem Prozeß ohne Belang. Kohl: DaS ist es ja, was den Scklüssel zum 8. November gibt. Da- war ja daS Zeichen, daß es gegen Berlin vorgcht. R.-A. Schramm: Kennen Sie einen Befehl vom 7. November: Schwere Nuruhe« dicht vor dem Aus bruch. Veretthalten! Beseht zu« Lammel« «nd Abmarsch abwarte«.- Bauer: von diesen Dingen weiß ich nickt», aber man ist davon auSgegange», daß die ganze Entwicklung zu einer Ausdehnung der Hunger krawalle führen müße und sich darau» die Bolschewisierung deS Norden» ergeben hätte. Die legale Mackt im Norden wäre nicht mehr w der Lage gewesen, der Dmge Herr zu «erde*