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SächsischeSlaalsMmg Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein- gesandt 90 Pf. — Ermäßigung auf Familien- und Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. ErscheintWserktag» nachmittags mit dem Datum des ErscheinungStageL. Bezugspreis: Monatlich 5 Mark. Einzelne Nummern 20 Pfennig. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14 574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokvnto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandversicherungsanstalt, BerkaufSliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard JolleS in Dresden. Nr. 4 Dresden, Sonnabend, 5. Januar MWM Die Aussperrung in der Berliner Metallindustrie. Vor einem Schiedsspruch. Berlin, 4. Januar. Der Reichsarbeitsmimster hat den Einspruch der Metallindustrielleu gegen die Unparteilichkeit des Schlichters Wisscll als unbegründet zurück- gewiesen. Wissell Hai deshalb noch am Freitag versucht, eine Verständigung zwischen den Parteien zu erreichen und, nachdem er ein Schiedsgericht ernannt hatte, die Parteien zu sofortigen Ver handlungen aufgesorderl. Das Schiedsgericht be steht aus je zwei Beisitzern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, von denen keiner der Metallindustrie angehört. Wissell selbst eröffnete am Freitag- nachmittag die Sitzung des Schiedsgerichts und teilte mit, daß die Arbeitgeber nicht erschienen seien und eine Verhandlung infolgedessen nicht stattsinden könne. Er wolle aber noch einen letzten Versuch der Verständigung machen und gab deshalb den Arbeituebcrn eine Bedenkzeit von 12 Stunden. Tie nächste Sitzung des Schieds- gerichts wurde auf Sonnabendvormittag 10 Uhr festgesetzt. Im verlause des Nachmittags erklärten sich die Metallindustrielleu nunmehr bereit, persSnlich mit deu Gewerkschaften über eine Beilegung des Konflikte» zu ver handeln. Man verständigte sich dahin, die gemeinsamen Verhandlungen am Sonnabend vormittag «m 8 Uhr a«szuneh«tn. Fall» sich dir Parteien in dieser Sitzung nicht einigen, tritt das Schiedsgericht nm 10 Uhr im NeichsarbeitSminlsirrium wieder zujammea und wird, wenn die Unternehmer nicht erscheinen, einen Schiedsspruch fällen. Der Aussperrung in der Berliner Metall- industrie haben sich bis Freitag abend noch fol gende Firmen angescklo'sm: Schwartzkopff Schering straße, Lampenwerk '<-e:gmann, Deutsche Eisen- gießerci in Britz, Maschinenfabrik Freund, Stock in Marienselde. * Berlin, 5. Januar. Tie Lage in dem Lohnkonflikt in der Ber liner Metallindustrie hat sich gegen gestern wenig verändert. Tie Zahl der feiernden Arbeiter bewegt sich weiterhin um 50 000 herum. Tem „vorwärts" zufolge sind heute früh sämtliche Arbeiter des Blockwrrkes Siemens und des Eharlottrnvurger Sicmenswerkes ans- gesperrt worden. Eiu bayerisches (SrmächtiWNgs- yeny. Gegen die Ltimmen der Lozialdemo» traten nnd d»S Bauernbundes. München, 4. Januar. Der Ausschuß des bayerischen Landtages hat nunmehr der Regierung eine gewisse Ermäch tigung zur Herbeiführung eines Ausgleichs im Staatshaushalt bewilligt. Dabei ließen sich die Demokraten dadurch gewinnen, daß die Frak tion der Bayerischen VolkSpartei ihre dritte Forde rung fallen ließ, wonach der Regierung als Grund lage für ihre Vollmachten der § 64 der bayerischen und der Artikel 48 der Reichsverfassung zur Ver fügung gestellt werden sollte. Die Deutsch- nationale Mittelpartei, der noch einzige Koalitwnsbruder Knillings, knüpfte an ihre Zu- stimmung die Bedingung, daß die auf ihren An trag vor 14 Tagen beschlossene Zusammenlegung der Ministerien von 8 auf 5 sofort in Angriff ge nommen wird, widrigenfalls sie ihr Jawort im Plenum des Landtags wieder zurückziehe. Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Bauernbundes wurde dann der Antrag Held angenommen, der „die Staatsregterung ersucht, die zur Ermög lichung des Ausgleichs des Haushalt» des Staate» und der öffeuttichr» verbinde erforder lichen Maßnahmen möglichst rasch zn treffen; der Landtag ist damit einverstanden, daß die StaatSregienmg Behörden »der Stellen lindert »der anshebt, die Gliederung der Verfassung der «emetnden und «emeindeberblinde lindert, wirtschaftliche Betriebe des Staate» in gesell schaftliche A»nnrn überfährt". Die neue sächsische Regierung. Ter bisherige Aiuanzminifter Heldt als Ministerpräsident gewühlt. In der gestrigen Sitzung d«S sächsischen Landtags wurde mit 52 Stimmen Ainanzminister Abgeordneter Heldt zum Ministerpräsidenten ge wählt. Auf den deutschuatioualen Abgeordneten Hofmann entfiele« 17 Ltimmen und ans den lomnmuistische« Abgeordnete« Böttcher 10 Ltim men. Vorher war eine von 15 sozialdemokratischen Abgeord neten unterzeichnete Erklärung abgegeben worden, dass sie nicht imstande seien, dem «bg. Heldt ihre Stimmen zu geben, da die Bildung einer Uoalitiontzregiernng im Gegensatz zu den Beschlüssen des letzten LandesParteitogeS stehe. Diese Abgeordneten verließen vor der Abstimmung den Sitzungssaal. Ter Antrag auf Auflösung des Landtags wurde gegen die Ltimmen der Teutschnationale«, der Kommunisten und der sozialistischen Minderheit abgelehnt. * Den ausführlichen Sitzungsbericht siehe in der Landtag-beilage. Pressestimmen. Die neue Regierungsbildung findet in der Presse geteilte Aufnahme. So weit sich übersehen läßt, billigt die demokratische Presse und mit ge- wissen Vorbehalten auch die deutschvolksparteiliche Presse die große Koalition. Die Rechtspresse ist unzufrieden. Die Auffassung der sozialdemokra tischen Parteipresse Sachsens ist ablehnend. Der „vorwärts" stimmt der Lösung zu. Wir registrieren die folgenden Auslastungen der Zeitungen: Der „Dresdner Anzeiger" schreibt: „Ter Sächsische Landtag hat sich zu einem Entschlusse autgerafft. Nach all den unsäglich trüben Erfahrungen, die man im Laufe der Jahre mit ihm zu machen hatte, muß man sich nach vollzogener Schaffung des ersten Ministeriums der verbreiterten Mitte in Sachsen eigentlich doch noch wundern, daß es endlich so weit gekommen ist, wie es schon zu Beginn des vorigen Landtages hätte sein können und, wenn die einfachsten Schlußfolgerungen aus den tatsächlichen Verhältnissen gezogen worden wären, hätte sein müssen. Der zu dem gestrigen Erfolge führende unglaublich gewundene Weg könnte die Vermutung nahelegen, daß der Erfolg „selber den Keim des Mißerfolges in sich trage". Die „Dresdner Nachrichten" äußern sich: „Zunächst fällt die unbedingte Selbst- Verständlichkeit auf die Nerven, womit die bürgerlichen Koalitionsfreunde einemSozialdemokratendieMinifter- präsidentschaft zugebilligt haben. Der Gedanke, einen bürgerlichen Vertreter an die Spitze der Landesgeschäfte zu stellen, ist gar nicht ausgetaucht. So macht es auf den unbefangenen Beobachter geradezu den Eindruck, als wenn die Bürgerlichen froh gewesen wären, überhaupt mit in der Regierung unterzulommen. Als ebenso „selbstverständlich" ist auch die Richt an teil- nähme der Deutschnationalen an der Koalition betrachtet und behandelt worden. Man kann nicht sagen, daß dadurch der Eindruck eines besonderen bürgerlichen Selbstbewußtseins bei den bürgerlichen Koalitionsparteien erzeugt würde. " Die „Leipziger Neueste« Nachrichte«' polemisieren gegen die V. S. P. D. im allgemeinen und im besonderen dagegen, daß der Sozial demokratie ein zu großer Einfluß im Kabinett ein geräumt worden sei. Unverständlich ist dem Blatt, wie „man sich Herm Fellisch, wenn vielleicht auch nur vorübergehend als KoalitionSminister an- hängen lassen konnte". An anderer Stelle erklärt das Blatt: „Trotz aller dieser nicht zu unterschätzenden Schwierigkeiten, die der großen Koalition in ihrer Geburtsstunde schon das Leben schwer machen, kann nicht bestritten werden, daß die neue Regierungsbildung eine politische Tat ist. Nicht nur, daß durch die Regierungsbildung die schon lange erkennbare innere Spaltung der v. S. P. D. in Sachsen auch äußerlich in ihr entscheidendes Stadium gerückt ist, sondern es bedeutet auch die Lösung den ersten ernsthaften Versuch in Sachsen, eine Regierung auf denkbar breitester Grundlage aufzustellen. Aus den so- zialdemokratischen Erklärungen, der Herren Wirth und Heldt, klang seit langer Zeit zum ersten Male wieder der Ton der VolkSgememschasl heraus: nicht» von Klassenhaß, Klassenkampf und sonstigen Phrasen, die gerade unser Volk so tief in» Unglück geführt haben." Der „vorwärts" schreibt: „Kam es zu Neuwahlen und behauptete die Sozialdemokratische Partei ihre Stellung, dann war die Lage genau wie vor den Wahlen. Der objektiveZwang zurKoalitionspolitik bestand dann weiter. Tie sächsische Landtags- fraktion hat auf eigene Verantwortung in kritischer Situation gehandelt." Die „Dresdner Volkszeitung" urteilte vor der Abstimmung im Landtag: „Wer von unseren Landtagsabgeordneten dazu wirklich verhelfen wollte, muß wissen, daß das Kabinett vom ersten Tage der Entstehung an die Gegnerschaft eines großen Teiles der sächsischen sozialdemokratise fände. Sie müssen auch wissen, daß es Mittel und Wege gibt, ein Kabinett, dessen Ent- stehungsge schichte schon eine so starke Gegnerschaft innerhrlb der Partei findet, zum Rücktritt zu zwingen. Tie Landtagsauflösung wäre also nur um eine kurze Frist ausgescboben." Die „Leipziger Volkszeitung' schreibt: „Wenn durch das Verhalten der bürgerlichen Parteien im Landtage die Lösung der sächsischen Krise nicht bis nach Stattfinden des Parteitages hinausgeschoben werden tonnte, so mußte die Landtagsfraktion eben für die Auflösung votieren. Sie hätte sich dann kein-s Ver- stoßes gegen Parteibeschlüsse schuldig gemacht und hätte sich in Übereinstimmung mit der großen Masse der sächsischen Parteigenossenschaft befunden. Ties verabsäumt zu haben, muß der Fraktionsmehrheit zum schweren Vorwurf ge- macht werden." Tas „Sächsische Voltsblatt" (Zwickau) erklärt: „Tie Partei Hal mit diesen Beschlüssen nicht das mindeste zu tun, das wird sich übermorgen auf dem Landesparleitage mit aller Teutlichkeit herausstellen. Tie sächsische Sozialdemokratie geht keine große Koalition ein." Tie „Lhemuitzer Voltsstimme" schreibt: „Tie Fragen aber, die hier ausgerollt wer- den, sind von entscheidender Bedeutung für das Schicksal des Sozialismus. Haben die geldählten Vertreter der Partei in den Parlamenten die unbedingte Verpflichtung, die Parteitagsbeschlüste zu beachten, oder tonnen sie auf eigene Faust Politik machen, losgelöst von dem Willen der Gesamtpartei? Diese Frage interessiert nicht nur die sächsische Sozialdemokratie, sondern hier wird das Wesen des Sozialismus in seinem innersten Kern berührt und die deutsche Gesamt partei wie auch die sozialistische Internationale werden sich darum zu kümmern haben." Tie voraussichtlich »eueu Minister. Die Verhandlungen über die Neubildung der Regierung sind in der Personensrage so gut wie beendet. TaS neue Kabinett wird sich wie folgt zusammensetzen: Ministerpräsident Held (So»), Inner,» « »ller-Uhemnitz (Soz), Finanzen Nr. Reinhold <Dem), Arbeit Georg Ul»n,r (S»z ), «»lw» Nr.Kaiser iD.vp ), Justiz Bünger (D. Vp >. Fellisch, der für das Wirtschaftsministerium in Aussicht genommen und kein prinzipieller Gegner der großen Koaliiion ist, hat seine Zusage noch nicht gegeben, da er seinen Eintritt in das Kabi nett von den Beschlüssen des Parteitag» abhängig machen will. vr. Reinhold war bereit» Finanz- «imster im Kabinett Buck. Die Verhaftung des thüringischen Innenministers. Protest des StechtsvertreterS. Weimar, 4. Januar. Der Rechtsvertreter de» tn Hast genommene« thüringischen Innenminister» Herma«» hat «icht n«r gege« die Art der verhaft««», sonder» auch gegen die Festnahme selbst bet dc« zustän digen Stellen Beschwerde eingelegt. Die De nunziationen selbst sind aufdieveztrk»- lettung de» Deutschen Beamten bunde» in Thüringen zurückzuführe«. ES ist aber auznnehmen, daß sich die de« Minister Hermann vorgeworfenen Verfehlungen tatsächlich al» Denunziattoue« erweise« u«d keine« A«laß zu seiner strafrechtliche« Verfolgung biete«. G Wahlagitation. Berlin, 4. Januar. Ter „Vorwärts" schreibt unter anderem: Die Tendenzmeldungen über angebliche Ur- kundenfälschungen des Ministers Hermann werden mit einem Eifer in die Welt gedrahtet, als ob es nicht» Wichtigeres auf der Welt gäbe. Den tieferen Zinn dieses Vorgehens plaudert der Korrespondent der Scherlpresse aus, der frohlockend verkündet, daß „der Ordnungsblock seine Wahlaussichten durch diese Vorgänge nur verbessern" könne? Der Ordnungsblock von den antisemitischen National- sozialisten bis zu den „jüdischen Demokraten". Ter sestgenommene Minister, gegen den erst am Donnerstag abend Haftbefehl erlassen ist, wird in der ganzen reaktionären Presse bereits als über- führter Verbrecher beschimpft. Der Berichterstatter des „Berliner Tageblatts" in Weimar allerdings schreibt über ihn: Innerhalb der gesamte« Beamten- fchast des Miuisteriums de» Inner«, die den Staatsmmifter Hermann während seiner zwei- einhalbjährigen Amtszeit als eine« Mensche« vo« edle« kharakter «nd hohe« Pflichtgefühl kennen gelernt hat, wird eine strafbare Handlung Hermanns für ausgeschlossen gehalten." Ta man der thüringischen Regierung wirtliche Verfassungsverletzungen nickt Nachweisen kann, macht man um so größeren Lärm. Bis der Wahl- tag herankommt, wird ja eine gerichtliche Klar- stellung der Behauptungen nicht möglich sein. Ter Bürgerblolk in Thüringen. Tie Teutschvöltischen treten aus. Weimar, 4. Januar. Tie beiden vereinigten völkischen Gruppen der Nationalsozialisten und der Teutschvölkischen Frei heitspartei halten sich, wie bekannt, an die anti marxistische Einheitsliste des Thüringer Ordnungsblocks anzuschließen versucht. Die bisherige Zusammenarbeit hat gezeigt, daß es sich nur um ein großangelegtes politisches Wahlmanöver gehandelt hat, und daß ein Zu sammengehen nur unter vollster Verleugnung der völkischen Grundsätze möglich gewesen wäre. Des- halb sehen sich die vereinigten völkischen Verbände Thüringens gezwungen, mit emer Vereinigten völkischen Liste den Wahlkampf geschlossen durchzuführen. G Die demokratische „Berliner Volksztg." schreibt, der durch den Liaisonversuch angerichtete Schaden bleibe irreparabel. Die Zuständigkeit im Schlichtungs wesen. Berlin, 4. Januar. Durch Artikel H der Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Oktober 1923 sind ab 1. Januar 1924 für eine Anzahl Streitigkeiten aus dem Betriebsrätegesetz nicht mehr die Schlich tungsausschüsse, sondern die Arbeitsgerichte, und bis zu deren Errichtung die Gewerbe- bez. Kaufmannsgerichte zuständig. Darunter fallen neben anderen insbesondere die Einstellung»- und En tlassungsstreitigken, die Streifälle betr. Amtsenthebung einzelner Mitglieder der Betriebsverlretungen und Auflösung von Betriebs vertretungen, sowie die Streitigkeiten, wie sie j 93 BRG. nennt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Übergangsbestimmung, wonach Verfahren der obengenannten Art, die nach Inkrafttreten dieser Verordnung (1. Januar 1924» bei den bisherigen Instanzen noch nicht abgeschlossen