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- .509 - zum Wallfahrtsort für manches pietäterfüllte Ge- müth geworben ist. Von der innern Stadt führte mich der Weg durch hie weniger belebte Vorstadt in das benach barte Währing. Hier hielt der Wagen vor ei nem'einfachen, schwarzen Eisengitter. Es iß der Eingang zum Klein-Währinger Friedhöfe. Auf mein Läuten wurde mir eine Seitenthür geöffnet, durch die ich in den stillen Raum. eintrat. Ich schlug links den Weg längs der Mauer ein, den man mir auf mein Anfragen bezeichnet hatte und war bald an meinem Wallfahrtspunkte angelangt. Ich stand vor einem einfachen, schmucklosen Grabe mit flachem Decksteine; zur Rechten ein Baum, der seine Zweige wie schützend über das Grab ausbrei tet. An der Mauer erhebt sich ein ebenso einfaches Denkmal. Auf seiner untern Steinplatte liest man den Namen: Beethov.en. , , Prachtvollere Monumente stehen umher; große Familienbegräbnisse -und mit Gold reichverzierte Denksteine. Und doch, wen bannt nicht vor Al lem dieses einfache Grab in feine Nähe? Wer wollte nicht mit Andacht dort verweilen? Ich stand allein in der Stille des Morgens; das Geräusch der großen Kaiserstadt drang nicht bis zu diesem friedlichen Asyle. Kein Lüftchen be wegte die Zweige. Ich wagte kaum" einen Schritt zu thun, um die feierliche Ruhe nicht durch das Knistern des Sandes zu stören." Wie Viele schon mögen an diesem Grabe ge standen haben; Künstler, Beförderer und Bewun derer der Kunst, selbst Meister ihres Faches,- glän zende Namen der Vergangenheit und Gegenwart, um dem Meister aller Meister' hier Tribut der An erkennung und der Ehrfurcht zu zollen. Fragst Du, lieber Leseh, her Du Dich vielleicht weniger vertraut fühlst,, der Lu ferner stehst den .Gebieten der Kunst, fragst Du: warum denn diese Andacht, diese heilige, innere,'geistige Sammlung vor diesem Grabe? — so will' ich Dir's sagen, was hundert Andere Dir auch eben so gut und vielleicht besser, weil unterrichteter, "als ich sagen würden: Der Schläfer da unten war ein Musiker, wie kei ner bis jetzt vor ihm rmd nach ihm; der hatte ein Herz für alles Schöne und Erhabene; der war ein ächt deutscher Künstler voll Tiefe und Leidenschaft des Gemüthes; der hatte Gedanken, reich., zwin gend und überwältigend,,tue, m Me M seine herr lichen Tonstücke n iederlegtoz der eröffnete der Musik selbst eine neue Welt, freiere RegiMM,.:in, denen erst die spatere Zeit unhispgHre Kunst-recht hei- misch ward, weil des Künstlers Genius-M-kühn -und frei und für feine Zeit ungewohnt sich .darin entfaltete: - - ch.- Der Schläfer da unten war auch ein Unglück- lichek Mensch. Wenigstens hat er das nicht ken nen gelernt, was man so im gewöhnlichen Leben Mück nennt. Mück und Kunst-, wie selten ver trägt sich das, namentlich bei einem deutschen Künstler! Dem SchEer?.tm.dWer»mf Erden kein' heiteres Loos. Reich war er an innern Schätzen; reich und tief von Gemüth, voller Gluth stine Seele, die in seinen unsterblichen "Werken sich wiederspiegelt. Und doch war er ein unglücklicher Mensch, ein doppelt unglücklicher: Sieh, lieber Leser, sein Alles war eben die Musik, die ihm innewohnende Kraft, Alles- durch sie ausdrücken zu können , was des Menschen Brüst bewegt, seine Freude und seinen Schmerz, sein Lieben und Hof fen, sein Bangen und Sehnen, sein Ringen und Kämpfen. Und welchen Titanenkämpf stellt er dar, welch gewaltigen Dichtergeist hat er in seinen Wer ken niedergelegt, so ahnungsreich und unergründ lich tief; solch düstres Geisteöbrüten, solch innern Sturm, solchen Jubel.auf der erklommenen Höhe. Das sind eherne Monumente der Tonkunst, weit über ihre Zeit hinausragend und jeder Zeit trotzend. - Und ihm selbst, dem gewaltigen Schöpfer, war eS in der letzten Zeit seines Lebens nicht vergönnt, mit leiblichem Ohre zu genießen, was sein Mist geschaffen; ihm blieben seine letzten großen Ton dichtungen verschlossen — Beethoven wurde taub! Begreifst Du, lieber Leser, daS Weh, die Bitter keit solchen Geschickes? Für ihn kein Ton mehr der der staunenden Welt so herrliche, niegeahnte Harmonieen schuf! Fühlst L>u jetzt mit Dem, der an diesem Grabe heiligen.Ernstes deS Schläfers drunten gedenkt? - Schwermuth lagerte sich auf des tauben Beethovens Gemüth; düstere Schwer muth athmen seine letzten Werte. , Da unten schläft, er/ der taube Meißer. Die Disharmonieen seines Lebens sind gelöst. Und wenn, wie man sinnig meint, die Erde dem Tob ten leichter sei, je mehr -man in Liebe und Ver ehrung seiner gedenkt, so glaub' ich, Meister Beetho ven hat für seine Gtabesruh' gesorgt l Um seine herrlichen Tonschöpfungen zu verDhen, da muß man nur eins mitbringen, was man im mer seltener findet: ein Herz, ein heißes, empfäng liches Herz. Mit hingebendem, tiefiynerlichem Ge- müthe, das mit Großmuth, mit Opferliebe Welt und Menschen umfassen kann, so-Musche Mn en - Harmonieen, und Du wirst i^re Räthsel lösen und die erhabenen Träume des Meisters mitträumen. Seine Werke haben siegreich die Welt durchzogen und geben Zeugniß von deutschem Geiste -in deut scher Tonkünst. Er war ja ein ächt deutscher Künst ler. So hat keiner von andern Rationen durch