Jürgen May RICHARD STRAUSS UND DER BERG Randbemerkungen zur Alpensinfonie Von Kühen, Lederhosen und Maikäfern „Ich hab’ einmal so komponieren wollen, wie die Kuh die Milch gibt.“ Jede Wette: Dies ist die im Zusammenhang mit der Alpensinfonie am häufigsten zitierte Äußerung des Kom ponisten Richard Strauss, kolportiert durch den Musikschriftsteller Richard Specht. Kein Wunder, wenn Strauss-Liebhaber wie -Kriti ker gleichermaßen den flapsigen Spruch als willkommenen Beleg für „des Meisters“ Nai vität und Bodenständigkeit zitierten: Richard Strauss als eine Art Luis Trenker der Musik geschichte. In dieses Bild fügt sich bruchlos der Begleittext im Booklet der Alpensinfonie- Einspielung mit den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann (2001): Strauss, der Urbayer, habe sich „nicht ungern in Leder hosen ablichten“ lassen. Daher gleich noch eine Wette: nämlich darauf, dass es nicht ge lingt, ein authentisches Foto beizubringen, das Richard Strauss in Lederhosen zeigt. Als Bergwanderer bei Garmisch, Blickt man auf den langwierigen Schaffens- nach 1910 weg der Alpensinfonie, den der Komponist um die Jahrhundertwende beschritt und der sich, mit teils jahrelangen Unterbrechungen, bis zur Vollendung des Werkes am 8. Februar 1915 hinzog, dann lässt sich das mühevolle Unterfangen allerdings kaum mit dem banalen Bild eines Melkvorgangs in Einklang bringen. Er „quäle“ sich „mit einer Symphonie herum“, schrieb Strauss am 15. Mai 1911 an Hugo von Hofmannsthal, als dieser ihn allzu lange auf ein neues Opernli bretto warten ließ, „was mich aber eigentlich noch weniger freut wie Maikäfer schütteln“. Diese - ebenfalls häufig zitierte - Bemerkung hat eine - weniger bekannte - Vorgeschichte. Auf der Suche nach einem neuen Opernstoff hatte Hofmannsthal zunächst vorgeschlagen, ein Libretto frei nach Hauffs Das stei nerne Herz auszuarbeiten, was Strauss offenkundig begeisterte: „Heil zum .Stei nernen Herzen“! Bitte viel Naturstimmungen, deutscher Wald. Sturm, wenn der Holländer Michel seine Äste fällt“ (5. Januar 1911). Da aber winkte Hofmannsthal postwendend (8. Januar) ab: „Was war ich für ein unglückseliger Esel, Ihnen den Zweig, 1935) • Ein Mozartsches Streichquintett sagt alles Tiefe gefühls- 29