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. - 1Lt - Eine schreckliche Verwechslung» Wahre Begebenheit. Don W. O. von Horn. ES giebt Begebenheiten, die di« Einbildungs kraft kaum schrecklicher ersinnen könnte und hie mit eiserner Faust das Herz packen und pressen. Den Verlauf einer solchen tdeilt mir ein Freurib mit, dessen Wahrheitsliebe ick verbürgen kann. Der Schauplatz ist oben im Norden, wo noch di« deutsche Zunge klingt. Nähere Bezeichnungen ver. bieten schuldige Rücksichten. Zwischen eichenbewachsenen Hügeln, die nach mehreren Seiten hin herrliche Fernsickten bieten, liegt ein schönes, herrschaftliches Schloß. Stille und einsam war's lange Zeit darinnen, denn nur die Leitern und die einzige, leidende Tochter be wohnten es. Die Güter der Familie zvarcn an sehnlich, ja bedeutend, aber — es waren Lehns- güter, die nur auf männliche Nachkommen über gingen und bei dem Erlöschen des Stammes, daS heißt, wenn keine Söhne das Erbe überkamen, sielen sie nach alter LchenSsatzung an den Landes herrn, der einst in dunkler Vorzeit einen der Ah nen des Geschlechts damit, unter obgedachter Vor aussetzung, belehnt hatte. Und daS Aelternpaar batte nur Ein Kind, diese Tochter, die unter die sen Umständen, wenn auch von vornehmer Abkunft einer trüben Zukunft entgegenging. Sie war leidend, diese einzige Tochter des Hau ses. Es waren gewisse krampfhafte Zufälle, an denen sie litt. Die liebenden Aeltern hatten Alles versucht, waS ihr Heilung bieten konnte, oderauch nur die Hoffnung dieses heißersehnten Zieles. Alle Bäder, welche dieses Ziel zu verheißen schienen, hat, ten sie mit der Leidenden besucht, aber nicht gefun den, was sie suchten. Linderung war das Einzige, was zu erreichen möglich war. . Das Fräulein war ein zartes, bleiches Wesen, aber mild und freundlich, und vom besten, sanftesten Herzen, voll Güte und Liebenswürdigkeit. Ihr Wesen war still und es lag ein eigenthümlicher, leidender Zug auf ihrem wohlgehildeten Antlitz. Zehe Aufregung mußt« vermieden weryen, daher di« Aeltern sich von dem geräuschvollen Umgänge ihrer StandeSgenoffen, die auf ihren Gütern, näher oder entfernter lebten, zurückzogen. Wären die Güter des „stillen Fräuleins", wir man sie nannte, eigen gewesen, die jungen, adli gen Herren würden sie ohne Zweifel umschwärmt haben, und die Hand der reichen Erbin wäre d«s Bewerbens werth grwtsen, so ghe? bemerkte man ihre Entfernung aus den Reihen deS inländischen Adelö kgM und Keiner dacht, daran, daS still», einsame Schloß za -«suchen, daS mit feine» Gü tern an den Staat zurückfiel, wenn der alte Ba» ter di« Augen im Lode schloß. Er war ja der Letzte seines Geschlechtes und auf seinem Grab» wurde, wie man daS Erlöschen einer adeligen Fa milie bezeichnet, der Schild zerbrochen, den kein männlicher Arm des HauseS mehr tragen sollte. Gattin und Kind verhältnißmäßig mittellos in der Welt zurückzulaffen, wenn der Herr ihn abriese, war ei» quälender Gedanke für daS Vaterherz. Es war indessen noch ein AuSweg. Stqatslehen, welch« in ihrer ursprünglichen B<r. leihung für «in erworbenes Verdienst vom Lande-, Herrn gegeben, nur auf männliche Nachkommen i» grader Linie, das heißt, auf Söhne vererben, kön nen von einem späteren Landesherrn tu sogenannt» „Kunkellehen" (Kunkel, das Werkzeug deS Spin nens, der Rocken, weil ja alle, auch die vornehm sten Frauen früherer Zeiten, es als eine Pflicht und Ehre ansahen, den Leinwandreichthum deS Hauses durch eigenen Fleiß, eigenes Spinnen, zu vermehren) oder „Frauenleben" verwandelt werden auf dem Wegk der landesherrlichen Gnade, daß sie also auch auf Erbtöchter übergehen, wenn dti ManneSstamm ousstirbt. Der besorgte Vater, einer Familie angeboren-, deren Name stets einen guten Klang im Landh wie bei dem Landesherr« gehabt hatte, that all« ihm möglichen Schritte diese Gnade zu erlangen und somit das Loos seiner Wittwe und^ Tochter sicher zu stellen, wenn ihn der Lod ereilen sollt«. Solche Verhandlungen gehen einen langsamen Gang und der Vater schwebte lange zwischen Furch- und Hoffnung, bis mit einem Male die Urkunde eintrifft, die eine schwere Bürde von seiner Seele wälzt. Die Gnade des Landesherrn bat seine Wünsche und Bitten gekrönt, sein geliebtes Kin ist Erbtochter, da» Lehen ein Frauenlehe« gewor den und ihren Nachkommen also für ewige Zeit«» gesichert, gleichviel ob si« einst die Mutter MM Söhnen od«r Töchtern werden wird. Wer vermöchte das Glück und di« Freud« d«r Familie zu beschreiben? Dennoch hielt es der Va« ter still« und dankte seinem, Gotte und seinem Landesherr« heiß und innig, daß er nun, von di»a ser schweren Sorge entlastet, sterben konnte. Lange zuvor, ehe die Gnade ihres Fürsten de» Familie zu Theil wurde, war, wie schon erzählt, aller Versehr nnt den StandeSgenossen abgebrochen worden, Hy- zarten Rücksichten auf daS geliebt« Kind. Niemand besuchte daS Schloß, am wenig-- ste» jung« Wann", um sich um di« Hand d«s Fräuleins zu bewerben- Nur ei» junger, entfern ter Berw-ndt«, er mag mit dem Namm Hutz»