dem zweiten Anhören dieses Werkes räumt dieser gute Mann wie entschuldigend ein: »Allerdings hat diese neue Beethovensche Arbeit große und küh ne Ideen und, wie man von dem Genie dieses Kom ponisten erwarten kann, eine große Kraft der Aus führung.« Doch auch jetzt noch musste er seine kritische Distanz zu erkennen geben: »Auch fehl te sehr viel, daß die Sinfonie allgemein gefallen hätte.« Damit wir uns recht verstehen, der Kritiker beurteilte mit solchen Worten die Sinfonie Nr. 3, die so genannte »Eroica«, ein Werk Beethovens, das uns heute besonders wichtig zu sein scheint und bei dem wir geneigt sind, es in einer imaginären Beliebtheitsskala ganz oben anzusiedeln. Und doch sollten wir ersucht sein, diesen Kritiker nicht wegen Verständnislosigkeit oder gar geisti gem Unvermögen zu verhöhnen. Gerade weil er auf der Höhe seiner Zeit war, sich gut auskannte und auch bisherige musikalische Arbeiten von Beetho ven längst kennen gelernt hatte, ja sich zu den »aufrichtigsten Verehrern« des Komponisten rech nete, konnte er nicht begreifen, was der Kompo nist da zu komponieren gewagt hatte. Diese Mu sik war so andersartig, eben neuartig. Noch niemals vorher hatte jemand so komponiert. Man musste diese Musik als eine vehement emotionale, eine pa thetisch beschwörende Tonsprache empfinden, die den Hörer tiefergreift, ihm ins Mark geht, ihn wirk lich erregt und nicht allein nur unterhält. Diese Musik führte über alles bisher Gehörte hinaus, war einfach unerhört an Kraftaufwand und an Dauer - allein der erste Satz mit 691 Takten ist länger als jede komplette Mozart-Sinfonie. Das angewende te musikalisch-dichterische Prinzip war keinem Hö rer geläufig und erweckte Verwunderung und Un verständnis. Die Mehrheit traf das alles völlig unvorbereitet. Und wirklich, Beethoven war, wie es schien, immer gut für neue Übenaschungen. Er hatte schon früher mit seinen Werken für eine gewisse Aufre gung gesorgt, auf alle Fälle aber für Gesprächsstoff. Aufführungsdauer: ca. 50 Minuten