Zum Programm: „Begabung und Meisterschaft“ Sieh, das Gute Hegt so nah! Jedenfalls sehr nahe Hegt der Gedanke, das Schaffen berühmter Komponisten im Rahmen eines Konzertprogrammes mit deren eigenen Erst und Reifeschöpfungen zu vergleichen. Hier und heute nun nimmt der viel zu selten gepflegte, höchst spannende Gedanke seine hörbare Gestalt an: Haydn und Mozart, Vater und „Sohn“ von epochaler Bedeutung für die gesamte musikahsche Klassik, Hegen nach ihrer famiHären Herkunft, Biographie und Soziologie bekanntHch meilenweit auseinander und schaffen dennoch mit einer kaum zu fassenden Folgerichtigkeit jeder für sich die Basis eines an FüHe und Bedeutung nicht zu überbietenden Lebenswerkes. Zunächst Mozart. Er ist der um 25 Jahre jüngere Meister und Verehrer seines späteren Kollegen, der zu Mozarts Vater Leopold sagen wird: „Ich sage Ihnen vor Gott als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und dem Namen nach kenne. Er hat Geschmack und die größte Kompositionswissenschaft." Tatsächhch hatte dieser Vater, selber ein hoch geschätzter Konzertmeister und Komponist am Salzburger Hofe des Fürst- Erzbischofs, seinen beiden Kindern, unserem Wolfgang und seiner Schwester, dem Nannerl, von frühauf eine gediegene musikahsche und schuhsche Allgemeinbildung angedeihen lassen. Durch ganz Europa reiste er gemeinsam mit ihnen, Heß sie konzertieren und versuchte von aHen gekrönten Häuptern und Herrschern seiner Zeit eine Begabtenförderung dank der außerordenthchen Fähigkeiten der Kinder zu erreichen. Der Londoner Aufenthalt 1764/65 wir zu einem Schlüsselerlebnis. Nicht nur gewinnt der achtjährige kleine Wolfgang aufgrund seines Klavierspiels die freundschafthche Sympathie des dortigen Hofkapellmeisters Johann Christian Bach (dem jüngsten Sohn des Leipziger Thomaskantors) und ist von dessen Werken begeistert, erfährt von ihm auch unterrichtende Ermutigung im Komponieren, sondern konnte bereits eine Anzahl eigener Werke vorweisen. Zwar ist die korrigierende Hand des Vaters zu spüren, aber nun erkrankt Leopold ganz unerwartet und die Kinder müssen, ganz auf sich gesteUt, die Genesung abwarten. Hier nun schlägt Mozarts erste Stunde absoluter Selbständigkeit: er komponiert unter anderem eine erste Sinfonie. Seine Schwester ermahnt der kleine Bursche, mit Notenpapier, Kielfeder, Tintenfass und Streusand geschickt hantierend: „Erinnere mich, daß ich dem Waldhorn etwas Rechtes cu tun gebe‘\ Tatsächhch übernimmt das Homduo im langsamen Satz der Sinfonie Nr. 1 die Melodieführung und — kaum zu glauben — erklingt im 7. bis 10. Takt das Fugenthema aus dem Schlusssatz seiner letzten großen Jupiter-Sinfonie. Noch kann es nur ein ZufaH sein. Aber schon der erste Satz des Es-Dur-Werkes KV 16 ist ein Wunder. Die klassische Exposition eines Sonatensatzes (zweifeHos den ersten Lektionen des Bachsohnes zu verdanken) weist eine eigenständige Kontrastthematik auf, der sich eine bereits originelle, Mozarteigene Durchführung anschheßt. Der Satz endet mit einer Wiederholung dieser Durchführung. Es ist das