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456 - Aus dM Vaterlande. Mittweida, 2V. August. Mehrere kaum der Schule entwachsene Bursche aus dem Dorfe Lan- geastriegiS standen am 8. d. M. wegen Gewalt zu unzüchtigen Zwecken, thätlichen Angriffen auf die Schamhaftigkeit und öffentlicher Verletzung der SWichkeit vor den Schranken deS hiesigen Be- zirtilßerichts. Die Sitzung war geheim, die Ur- thelSverkündigung öffentlich. Von den Angeklag ten wurden Ernst Wilh. Richter, 18 Jahre alt, Friedr. Aug. Sperke, 16 Jahre alt, Heinr. Herr mann Weißbach, 21 Jahre alt, Ernst Wilhelm Haubold, 16 Jahre alt und Friedr. Herrmann Weber, 15^ Jahr alt, zu je 3 Monaten, Friedr. Wilh. Weißbach aber, 17 Jahre alt, zu 2 Monaten Gefangniß verurtheilt. Traurig genug, daß so blutjunge Leute, welche die Consirmation nicht lange erst hinter sich Haden, wegen derartiger Ver gehen dem strafenden Arme der Gerechtigkeit ver fallen ! Im Bezirksgericht Pirna ward am 11. d. M. ein merkwürdiger Fall verhandelt. Kaum sollte man's glauben, daß solcher Aberglaube, oder bes ser gesagt, solche Dummheit noch menschenmöglich ist! Eine Böhmin, Agathe Herrmann, ein Weib „wie auserlesen zum Kuppler- und Zigeunerwesen," die von Jugend auf zu den fahrenden Künstlerin nen gehört, mit Komödianten, Seiltänzern u. s. w. herumgezogen war, kam auf ihrer Rundreise Lurch Sachsen auch nach Mügeln bei Pirna. Dort ging sie in ein Bauergut, frug nach Milch und Eiern und wahrsagte dabei der Wirlhschaflerin auS der Hand. Dem Gutsbesitzer sagte sie, er habe schon viel Unglück gehabt, es müsse irgend Etwas in seinen Stall gebannt sein, das daran Schuld wäre, sie.wolle cs ihm vertreiben, wenn u Geld daran wende, je größere Stücke, desto besser. Anstatt der Betrügerin sofort die Thür zu weisen, holte der Gutsbesitzer Geld. DaS war der,Betrügerin nicht genug, sie hieß ihn anderes Gingen. . Er holte nun 14 Thlr. und zwar ein zebnthälerigeS Kaffenbillet und vier harte Thaler. DaS Weib packte die Summe scheinbar in Wolle, legt« daS Packet in den Stall, ließ den Gutsbe sitzer die Mütze darauf decken und frug ihn: ob daS Geld oder das Vieh zu Grunde gehen soll«? Natürlich erwiederte jener: lieber das Geld. Nun hieß sie ihn mit niederknien und ein Vaterunser ixten, während sie selbst deren drei hersagte. AlS siaa die Mütze weggrnommen wurde, war deS Gutsbesitzers Wunsch erfüllt — das Geld war verschwunden, nämlich in die Tasche der Betrüge rin. Abe*? dir Leichtgläubige dachte nicht daran, und schenkte dem Weibe noch 20 Ngr. für ihren Zauberspuk. Sie ließ sich zur Hinterthür herauS- sühren und befahl dem Gutsbesitzer vierwöchcnl- liches Stillschweigen an, sonst werde Etwas vor fallen. Nun, eS ist auch Etwas vorgefallen- näm lich die Arretur der Betrügerin und die Verurthei- lung in drei Monate Gefangniß mit Entziehung warmer Kost auf H der Strafzeit. So kommt doch die Bestimmung des Strafgesetzbuches, welche dem durch Benutzung abergläubischer Vorstellungen verübten Betrüge geschärfte Strafe zuerkennt, nicht gar so selten zur Anwendung, als nach dem Bil dungszustande unserer Bevölkerung in Stadt Und Land zu hoffen wäre. Möchten derartige Fälle immer seltener werden, nicht in Rücksicht auf die Betrüger: in Rücksicht auf die Betrogenen ist daS zu wünschen. ' —— Die Kosten des Kriegführens. Abgesehen von dem Verluste, den der Krieg da durch bringt, daß er das Leben Derjenigen zer stört, deren Arbeit allein ein Land reich machen kann; abgesehen von den Leiden der Wittwen und Waisen, von der Verschlimmerung der öffentlichen Sittlichkeit und von den zahllosen Lastern, die in seinem Gefolge sind; abgesehen von dem Allen, giebt schon die Berechnung der Kosten des Krieg führens in Dollars und Cents*) eine lebhafte Vor stellung von der Thorheit und Verschwendung die ser Geißel der Völker. Im Jahre 1854 waren die Ausgaben Englands für vergangene und voraussichtliche Kriege in run der Zahl 250 Millionen Dollars, während alle seine übrigen Ausgaben sich nur auf ungefähr 30 Millionen beliefen, und der Gesammtverdienst aller seiner ländlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts und jeglichen Alters nur ungefähr 168 Millionen betrug. Die öffentlichen Schulden aller Staaten der Christenheit in Europa und Amerika, von denen wir amtlich« Brrichte haben, betragen in runder Summe 8860 Mill. Dollars. Davon kommen nicht weniger als 8000 Mill, auf Rechnung ge führter Kriege. Die Bezahlung dieser ungeheuren Schuld überlassen Diejenigen, welche sie gemacht haben, den kommenden Geschlechtern. Das ein- gezahlte Kapital aller bekannten Banken der Welt betrug im Jahre 1852 ungefähr 780 Mill. Dol lar», also noch nicht den zehnten Theil aller Kriegs schulden der Christenheit. Diese Kriegsschulden waren schon vor dem letzten mörderischen Kriege *) Der Dollar wird in Ivb Cents getheilt; I fächs. Thaler ist — 70 Cents, » Fl. rhein. — 40 Seat«.