Richard Strauss Don Quixote op. 35 „An einem Orte der Manchs, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will, lebte vor nicht langer Zeit ein Hidalgo [Adeliger], einer von jenen, die einen Speer im Lanzengestell, eine alte Tartsche [Schild], einen hagern Gaul und einen Windhund zum Jagen haben." So beginnt der erste abendländische Roman und zugleich eines der berühmtesten Werke Spaniens und der Weltliteratur über haupt: El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha. Geschrie ben wurden seine beiden Teile 1605 beziehungsweise 1615 von Miguel de Cervantes (1547-1616). Schon die Erstveröffentli chung des nur vordergründig parodistischen, vielmehr aber zeit kritischen und ironischen „Ritterromans“ wurde ein riesiger Erfolg - bereits nach wenigen Wochen kursierten drei Raub drucke. Ins Deutsche übersetzt wurde das Werk unter anderem von Ludwig Tieck (1773-1853) mit dem Titel Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha (1799— 1801). Zentrales Thema der Geschichte des berühmten „Ritters von der traurigen Gestalt" ist der Gegensatz von Traum und Wirk lichkeit, von Ideal und Realität. Der kleine spanische Landadelige, der durch die Lektüre von när rischen Ritterromanen anscheinend selbst närrisch wird und sich dem gleichermaßen edlen wie lächerlichen Kampf gegen das Unrecht und der Verehrung des Bauernmädchens Dulcinea ver schreibt, hat bis heute nichts an Faszination verloren. Seit meh reren Hundert Jahren regte er immer wieder Dichter, bildende Künstler und Regisseure zu eigenen Werken an. Und auch Kom ponisten setzten sich musikalisch mit dem Thema auseinander, darunter beispielsweise Henry Purcell, Georg Philipp Telemann, Antonio Salieri, Felix Mendelssohn Bartholdy, Wilhelm Kienzl, Jules Massenet, Manuel de Falla, Richard Heuberger, Maurice Ravel sowie in jüngster Zeit Hans Zender und Bernhard Lang. Im Herbst 1896 begann auch Richard Strauss, der damals gera de zum zweiten Mal als Hofkapellmeister in München tätig war, sich mit diesem Stoff zu beschäftigen. Im darauffolgenden Jahr komponierte er unter dem Titel Don Quixote eine Tondichtung, die er als Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters op. 35 bezeichnete. Dabei muss Strauss den viel schichtigen und absurden Charakter Don Quixotes und dessen selbst- und zugleich sinnlosen Kampf gegen eingebildete Feinde 3