Variation“ wurde als Konstruktionsprin zip seiner Musik schlechthin nachge wiesen. Schon aus frühen Hamburger Jahren berichtete sein Lehrer Marxen von „allerliebsten Variationen über ein Volkslied, deren eine aus einem höchst gelungenen Kanon bestand“. Es folgten in den kommenden Jahren Variationen als Teile größerer Werke oder als selb ständige Zyklen bis zum Ausklang in der letzten Klarinettensonate. Unser Werk existiert in zwei Fassungen. Brahms fertigte eine für Orchester und eine weitere für zwei Klaviere. Sie ent standen 1873 während eines Sommer aufenthaltes in Tutzing am Starnberger See. Hier hatte der Komponist endgültig seine Träume begraben dürfen, doch noch in seiner Heimatstadt Hamburg Ehre und Verdienst zu erlangen. Jetzt war er Leiter des Wiener Singvereins und hatte seine Wohnung in der Karls- gasse bezogen, gleich gegenüber dem Musikvereinsgebäude. Im letzten Jahr war sein Vater in Hamburg verstorben. „Mit Tutzing begann die lange Reihe der schöpferischen Sommerfrischen, die sich mit Baden-Baden, Pörtschach, Preßbaum, Mürzzuschlag usw. fortsetz te“, erkannte der Brahms-Biograph Hans A. Neunzig. Die Variationen prä gen erstmalig den reifen Orchesterstil mit seiner differenzierten „durchbro chenen Arbeit“ voll aus und sind zugleich kennzeichnend für das strenge Formverständnis des Komponisten. Schon 1856 schrieb er an seinen Freund Joseph Joachim: „Ich mache manchmal Betrachtungen über die Variationen form und finde, sie müsste strenger, rei ner gehalten werden...“ Das gewählte Thema, dass seinen Reiz aus einer asymetrischen Periodenbil dung zieht, hat Brahms unverändert belassen. Er tauschte einen Serpent gegen ein Kontrafagott aus und ver stärkte die Bläser an einigen Stellen durch Flöten und Trompeten. Die Bass linie verdeutlichte er durch gezupfte Bässe. So gewinnt der Bläserklang rhythmischen Halt, „der Andante-Cha rakter der Melodie prägt sich unmerk lich ein“ (W. Götze). Nachdem die Violen und Violinen zum Thema nichts beizutragen wussten, erwachen sie als Protagonisten der ersten Variation und setzen im Wechsel Achtel- bzw. Trioienläufe gegen die pochenden Viertel, die das B der nie verlassenen Grundtonart skandieren, abgehört vom Schluss des Themas. Ein „Anruf 1 des Orchesters eröffnet die zweite Variation, die zwischen tänzeri schem Galopp der punktierenden Holz bläser und orchestraler „Aufregung“ changieren. Das beruhigt sich in der dritten Variation in einem Bläseridyll und erst recht in der Vierten, wo an den gleichmäßig fließenden Charakter des Chorals erinnert wird. Für Alfred Beaujean kichern die Holz bläser lustig in der sechsten Abteilung im 6/8-Takt zum 3/4-Takt der Streicher, fliegende Staccati bestimmen das