Volltext Seite (XML)
Die Vogelgesänge sind vorwiegend solche des Staates Utah und der Hawaii-Inseln. Der Himmel wird durch Zion Park und den Stern Aldebaran symbolisiert. Das Orchester besteht aus Soloklavier, Horn, Xylorimba, Glockenspiel, vierfachem Holz, dreifachem Blech, lediglich dreizehn Streichern (die alle einen eigenen Part, ohne jede Verdopplung, spielen) und einem sehr reichhaltigen Schlagzeug mit dominierenden Glocken, Gongs, Tamtams und zwei unge wöhnlichen Instrumenten, dem Aeoliphon und dem Geophon. Aeoliphon, das heißt Windgeräusch: Windmaschine, und Geophon, das heißt Erdgeräusch: Sandmaschine.“ Am 20. November 1974 wurde das Werk in New York unter der Leitung von Frederic Waldman und mit Yvonne Loriod - einst Mes- siaens Schülerin, später dessen Frau - am Klavier uraufgeführt. Wie gesagt, der Komponist lässt sein Orche sterwerk in der Wüste beginnen, einerseits als Ort der Gottesbegegnung zu verstehen, andererseits als eine Metapher für die unbe stimmbare Weite Gottes und als „das Symbol jener Leere der Seele, die sie befähigt, das innere Gespräch des Geistes zu vernehmen“ - schreibt Messiaen. „Ein Hornthema evo ziert den Frieden der Wüste. Das Aeoliphon erinnert an den Wind, der zuweilen hier weht. Eine Vogelstimme ist hier um so kostbarer, als sie von Stille umgeben ist: In dieser Stille hört man die Wüstenläuferlerche, eine Ler chenart der Sahara. Cymbales antiques, Pic coloflöte und Geigenflageoletts ahmen diese reine und sehr hohe Stimme nach.“ Die Vögel also bringen das Leben in die unwirtliche Gegend. Sie treten aber nicht nur dort, son dern mehr oder weniger im gesamten Stück auf. Die ihnen gewidmeten fünf Sätze bilden förmlich einen Gegenpol zu den theologisch fundierten Teilen. Messiaen hat, wie wir wissen, die Vogelstimmen direkt der Natur in einer bis dahin unbekannten ornitholo gischen Akribie abgelauscht und sie für sich in normaler Notenschrift notiert. Natürlich hat er danach mit den entsprechenden Tonhöhen und rhythmischen Besonderheiten dieser Notizen gespielt, sie freizügig interpretiert und instrumentiert, daraus richtiggehende und musikalisch verwertbare Gestalten geschaf fen. Rein musikalisch dienen diese Vogelstim men - oftmals inmitten strenger rhythmischer Konstruktionen - als Element extremer Frei heit, sind daneben aber auch in symbolischer Absicht eingebracht und zumeist - wie die gesamte Natur - als Gottes Schöpfung anzu sehen, die in all ihren Manifestationen ihren Schöpfer lobt. Beispielsweise beschreibt der Komponist die musikalische Ausdeutung des 2. Satzes („Die Stärlinge“) wie folgt: „Trupiale oder amerika nische Pirole aus dem Westen der Vereinigten Staaten. Die meisten von ihnen sind Vögel mit orangefarbenem und schwarzem Gefieder, und alle sind ausgezeichnete Sänger. Man hört hier den Gartentrupial im Soloklavier, den Scott-Trupial im Xylorimba, den Lichtenstein- Trupial in Holzbläsern und hoher Trompete, den Baltimore-Trupial ebenfalls im Klavier, den Goldstern-Trupial ebenfalls im Xylorimba und schließlich den Haubentrupial in den Holzblä sern und im Glockenspiel.“ Während dieser Satz, der zehnte („Die Walddrossel“) und auch der elfte („Omao, Leiothrix, Elepaio, Shama“, das sind sowohl auf Hawai beheimatete als auch dorthin importierte Vögel) für Orche stertutti gedacht sind, worin ein bestimmtes Instrumentarium den jeweiligen Vogelstim men zugeordnet ist, bleiben der vierte („Der Weißbrauenrötel“) und der neunte Satz („Die Spottdrossel“) dem Soloklavier Vorbehalten. Die Wüste und die Abgründe (Canyons) bedingen sich, sind Stationen auf dem wei ten Weg, das irdische Jammertal verlassen zu können. Wie diese, so stattet Messiaen auch die Abgründe - die deuten sich auch als menschliche Ängste, Sorgen, als Furcht - mit besonderen kompositorischen Kennzeichen aus, wie beispielsweise mit langsamem Tem-