Volltext Seite (XML)
496 Die Hoffnung, daß vielleicht auch in diesem Jahre ein Nachlaß bei der Grundsteuer und der Gewerb- und Personalsteuer möglich werden würde, geht, wie wir aus sicherer Quelle wissen, nicht in Erfüllung. Der Dresdner Stadtrath hat näm lich als Stcuerrecepkurbehörde bei dem K. Finanz ministerium deshalb Anfrage gehalten, und es ist ihm darauf der Bescheid geworden, daß unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen und bei den in Folge der Theuerungsverhältnisse in einigen Landestheilen nothwendig werdenden Unterstützun gen aus Staatsmitteln eine Ermäßigung der aus geschriebenen Steuersätze für dieses Jahr unmög lich salle. In Meerane fordert der Stadtrath die um wohnenden Grundstücksbesitzer und Gärtner mit Bezugnahme darauf, daß 'das Gemüse zum Be darf dortiger Einwohnerschaft zum bei weitem größern Theile von auswärts eingeführt und des halb in Meerane besonders theuer bezahlt werden muffe, zum Anbau der nothwendigsten Gemüse arten auf und setzt dabei für jeden in Gartenland verwandelten Acker Feld eine Prämie von 50 Tha lern aus. Dresden, 2. Octbr. Unsern Hof hat wieder ein schmerzlicher Verlust betroffen. Nach gestern Nacht eingegangener telegraphischer Nachricht ist gestern in Venedig Graf Rossi, seit 1838 Ge mahl der Wittwe des Prinzen Maximilian, der Herzogin Louise von Lucca, Tochter Ludwig's I. von Parma, Stiefmutter unsers Königs, sehr über raschend (wohl an der Cholera) mit Tode abge gangen. Graf Rossi war wegen seines Geistes wie wegen seiner Liebenswürdigkeit und Beschei denheit an unserm Hofe sehr geachtet, und lebte erst diesen Sommer ein paar Monate mit seiner Gemahlin in unserer Mitte. — Das Testament des verstorbenen Königs vom 4. April d. I. weist unter andern mildthäligen Legaten der Königin- Wittwe 3000 Thlr. zur Vertheilung an mehre milde Anstalten zu. Davon haben zur Zeit die hiesige'Diakonissenanstalt und das Asyl für er wachsene taubstumme Mädchen je 300 Thlr. er halten. Vermischtes. Schlesische Blätter berichten aus Breslau vom 29. Septbr.: „Bei Gelegenheit des letzten Hoch wassers am 19. Aug. wurde ein auf der Wilhelms bahn in der Richtung von Oderberg nach Ratibor pasfirender Güterzug aus der ihm durch die Zer störung der Zinnabrücke bevorgestandenen Gefahr durch die nicht ohne Lebensgefahr an den Tag ge legte Entschlossenheit eines in der Strafanstalt zu Ratibor detinirten Sträflings, eines frühem Ei, senbahnwärters, Namens Joseph Reichelt, geret tet. In Anerkennung dessen hat der König bei seiner Anwesenheit hierselbst Reichelt den Rest der von ihm zu verbüßenden Strafe in Gnaden erlas sen und die ihm entzogenen bürgerlichen Ehren rechte wieder verliehen. Die Direktion der Wil helmsbahn hat Reichelt bereits früher in Berück sichtigung de§ besonder» Verdienstes, welches er sich durch sein muthvolles Benehmen um die Bahn erworben hat, seine Wiederanstellung als Bahnbe amter zugedacht." Der Hirschberger Gebirgsbote enthält eine Be kanntmachung des Landraths v. Graevenitz, wel- cher wir folgende charakterisirende Stelle entneh men: „Die Ortsgerichte haben sich den noch nicht geschlossenen Sammlungen überall mit der eifrig sten Bereitwilligkeit angenommen; sie sind in den meisten Dörfern von Haus zu Haus berumgegan gen, und haben sich auch manche Bauern mit an gemessenen reichen Gaben der Liebe an den Samm lungen betheiligt; wenn man aber sehen muß, wie Bauern, welche wohl im Stande sind, im Ange sicht ihres reichen Erntesegens 2^ oder 3 Sgr. geben für ihre armen Nachbarn, welche Haus, Ernte, Feld, Vieh und Kleidung verloren haben, und diese geringe Gabe auch nur, weil sie ihnen abgedrängt wird, so wirft man einen tiefen trau, rigen Blick in die Theilnahmlosizkcit, den Eigen, nutz und Gie Härte eines Theils der Mitglieder unsers Bauernstandes. Dieselben Mitglieder hö ren auch nicht auf den Bettlern zu geben, aber sie geben nicht aus wahrem Mitleid, sondern aus Eitelkeit, Furcht und andern unlauter» Beweg gründen, während sie oft nach langem Weigern und mit widerstrebendem Herzen den von ihnen gefor derten verhältnißmäßig geringen Beitrag in die Armenkasse geben. Auf solchen Gaben ruht kein Segen, und wie dem Scherflein verarmen Wittwe ein besonderer Segen verheißen ist, so ruht er auf der Gabe des Reichen auch nur dann, wenn sie aus Liebe und christlichem Mitleid gegeben ist." Als der russische Kaiser am 27. Januar d. I. den Befehl erließ, daß die Garde auf den Kriegs, fuß gebracht werden solle, glaubte man allgemein, daß diese Maßregel nur getroffen werde, um bei dem in London und Paris angekündigten Angriffe auf Kronstadt und die übrigen Ostseefestungen eine respectable Macht zum Schutze Petersburgs auf zustellen. An einen Ausmarsch der Garde glaubte damals Niemand, weil die Verwendung dieser Truppen außerhalb der Hauptstadt nur im äußer-