DRESDNER PHILHARMONIE Camille Pleyel hat Beethoven 1805 spielen hören. Nach Abwägung aller Positiva und Negativa kam er zu dem Schluss, man müsse Beethoven nicht als Pianist, sondern vielmehr als Komponist bewerten. Es sei schwer, zugleich als Komponist und als In terpret tätig zu sein. Beethoven ging mehr und mehr dazu über, seine Klavierkonzerte von Freun den und Schülern aufführen zu lassen, freilich erst nachdem er sie selbst zuvor in privaten und öffent lichen Veranstaltungen vorgestellt hatte. Oft erleb te er allerdings zu seinem Missvergnügen, dass sei ne Substitute mit den technischen Anforderungen seiner Werke nicht zurechtkamen und auf leichtere Kost auswichen. Mit der Abnahme seines Gehörs verschlechter te sich offenbar auch Beethovens Klavierspiel dra matisch. Es heißt, dass er 1814 zum letzten Mal »öffentlich« aufgetreten sei. Richtig ist, dass sich Beethoven bis 1825 immer wieder bei verschie denen Anlässen hören ließ, wenn auch die Gele genheiten, ihn auftreten zu sehen, immer seltener wurden. Die Berichte über sein Spiel sind sehr schwierig zu bewerten. Ohne Zweifel gab es da al lerlei Defekte, die auf seine Ertaubung und man gelhafte Vorbereitung zurückzuführen waren. Manches erscheint allerdings sehr übertrieben: das völlig verstimmte Instrument, die zu Dutzenden zersprungenen Saiten, die häufige Inkongruenz des Zusammenspiels, die gänzlich verfehlten Passagen. Hier hat sich das Klischee des romantischen, halb wahnsinnigen Künstlergenies, aber auch die Aver sion der Nachgeborenen ausgewirkt, die zeitlebens nur an den Leistungen ihres großen Vorgängers ge messen wurden. Von solchen Regungen waren selbst Nahestehende wie Ignaz von Seyfried und Louis Spohr nicht frei. Doch Beethoven war trotz aller Defekte kein Kapellmeister Kreisler. »Sein Wiener Flügel reichte Beethoven nicht. In seiner Klaviersonate op. 101 gibt es tiefes E, das damals in Wien auf keinem Instrument spiel bar war. Beethoven hatte gehört, dass es in London ein Instrument mit erwei tertem Tonumfang gäbe... Man muss sich einfach nur vorstellen, was er wohl noch geschrieben hätte, wenn er ein moder nes Klavier gehabt hätte.« Rudolf Buchbinder in einem Interview für die Philharmonischen Blätter.