Ludwig van Beethoven als Pianist Von Sieghard Brandenburg O bwohl viele unserer modernen Komponisten ganz vorzügliche Instrumentalisten sind, zie hen sie es doch vor, ihre solistisch komponierten Werke von Spezialisten auffuhren zu lassen. Im 18. Jahrhundert gab es diese Differenzierung noch nicht, sie begann sich erst im 19. Jahrhundert zu entwickeln. Beethoven steht mitten in diesem Um stellungsprozess. Im frühesten Bericht über seine musikalischen Aktivitäten (1783) werden zuerst seine spieltech nischen Fertigkeiten hervorgehoben. Der junge Beethoven studiert und spielt Bachs »Wohltempe riertes Klavier«, nach gängiger Vorstellung das Nonplusultra der Klavierliteratur. Wie selbstver ständlich wird erwähnt, dass der junge Virtuose auch in der Komposition unterwiesen werde. Doch hier steht er noch ganz in den Anfängen. Wenn man ihn aber mit Mozart in Parallele setzt, so si cherlich nicht nur wegen seines Klavierspiels, son dern weil man ihm auch eine außerordentliche kompositorische Begabung beimisst. In einem späteren Bericht, der auf den Musik verleger Nikolaus Simrock, einem älteren Kollegen in der Bonner Kurfürstlichen Hofkapelle, zurück geht, steht ebenfalls Beethovens pianistische Leis tung im Mittelpunkt... In Wien bewunderte man in Beethoven zuerst den Pianisten und Improvisa tionskünstler, während seine Anerkennung als Komponist lange auf sich warten ließ. Als der Zweiundzwanzigjährige Ende 1792 in die öster reichische Hauptstadt kam, sah die verwöhnte Mu sikwelt in ihm sofort einen Nachfolger Mozarts. So hatte seit dessen Tod vor einem Jahr niemand das Instrument zu beherrschen vermocht. Aber das jun ge Talent war zum Kompositionsstudium nach Wien gekommen und plagte sich monatelang mit den simpelsten Kontrapunktübungen herum. Sei ne Lehrer - Haydn, Albrechtsberger und Salieri - behaupteten noch nach Jahren, dass er wenig oder gar nichts gelernt habe. Als Klavierlehrer und Mit wirkender bei privaten und öffentlichen Auf- •Ohne Joseph Haydn hätte es weder Mozart noch Beethoven gegeben. Nicht von ungefähr sind die ersten drei Beethoven- Klaviersonaten Haydn gewidmet. Er ist der Ur- Vater und zugleich der unterschätzteste Kompo nist.! Rudolf Buchbinder in einem Interview für die Philharmonischen Blätter.