Volltext Seite (XML)
V er m i s ch t e s. Dresden, IL. Juni. Einige-Aufsehen macht das beute bekannt gewordene Urtheil des Ober- Äppcllationsgerichts gegen den frühem Hauplcas- sirer der hiesigen Staatskasse, Juveicd. Derselbe wurde 1851 wegen eines, in seiner Lasse vvrgekom- menen- großartigen Dcfects (gegen 106,000 Thlr ) in Haft, geiiommei^ und 1A52 vom Crlminalge- richt zu sechsjähriger Zuchthausstrafe verurlheilt. Gegen dieses Erkenntniß legte Judeich Berufung ein, allein das Ober - Appellalionsgcricht hat die selbe verworfen und das erste Unheil bestätigt. Die Hoffnung seiner Familie und Freunde, daß die zweite Untersuchung Momente aufsindcn werde, welche Judeichs Unschuld Herausstellen könnten, hat sich sonach nicht bestätigt. Da übrigens dem Verurtheilten möglicher Weise noch die dritte Ver- theidigung gestattet werden kann, so ist dieser be reits nun vier Jahre dauernde Prozeß immer noch nicht als abgeschlossen zu betrachten. Die Sachlage auf dem Kriegsschauplätze im Orient ist im Ganzen genommen noch dieselbe, die sie schon seit einiger Zeit war. — Jedoch sind alle neueren Ereignisse die Vorläufer von großen Thatcn, die nicht lange mehr ausbleiden können. Zwar könnte es durch die Aufhebung der Belage rung von Silistria und Verlegung des russischen Hauptquartiers von Bukarest zurück nach Jassy den Anschein gewinnen, als ob dies immer ein vorläufiges Eingehen Rußlands auf die letzte öster reichische Forderung, die Donausürsienthümer zu räumen, sei; aber man kennt ja die russische Politik zu gut, um an so Etwas wirklich glau ben zu können. Rußland wird die Donaulän der sicherlich nickt räumen, sondern durch rück gängige Bewegungen, wenn überhaupt solche nicht etwa gezwungene sind und mit der Verwun dung des greisen Paskewitsch im Zusammenhänge stehen, höchstens nur Zeit zu gewinnen suchen, um sich erholen zu können, was ihm allerdings sehr nöthig sein mag. Wie gesagt, die Sachen stehen so, daß wir 'nächstens schon einer Hauptschlacht auf dem südlichen Kriegsschauplätze entgegensetzen können. Nicht blos Türken, sondern auch Eng länder und Franzosen werden sich mit den Russen messen, — vielleicht unter den Mauern Silistria's. Der Ezar hat neuerdings befohlen, Silistria müsse fallen, und Paskewitsch will den Befehl ausrich ten, und sollte er im Blute waten bis über die Stiefelschäfte. Aber nur nicht ängstlich; zwischen Wollen und Können ist noch eine gewaltige Kluft und der „Satellit" meint im Bezug auf das gefürchtete Nufsenheer: „Die russische active Armee, ohne die großen Reserven, welche der Ezar gegenwärtig im Felde hat, beträgt nicht we niger als 546,000 Mann — eine gewaltige Masse, die aber noch nicht ausrcicht, um der Welt bange zu machen «loder sie von Russcnfurcbt befallen zu lasten. Rußland hat eine Riesenaufgabe zu -lösen, und wird sich zuletzt so zersplittern, daß seine Kräfte nicht überall ausreichen werden." — Das Beste bei der ganzen Sacke ist unstreitig: daß. alle vier gegen Rußland verbundenen Mächte haupt sächlich in dem Einen Punkte einerlei Meinung sind, daß nämlich die Sckranken, welche Rußland für den europäischen Handel mit dem Orient auf- grichtet hat, fallen müssen, fallen für im mer; .und damit erklären wir uns einverstanden ganz und gar. — Scklüßlich sei noch eine jener großartigen Betrügereien erwähnt, wie sie nur von vornehmen Beamten in Rußland verübt wer den können, wo nach einem dortigen Sprickworte „Gott hoch und der Ezar weil ist." Als nämlich der Kais-r neulich auf einer Inspektionsreise nach Sweaborg kommt, findet fick, daß der Lomman- dant der Festung nickt blos das Kupterdack der selben, sondern auch die Ammuninon und Kano nen gestohlen und verkauft, und anstatt der wcg- genvmmeuen Kanonenkugeln Kugeln von Holz hatte verfertigen lasten, die schwarz angestrichen waren u. s. w. — Der „Wand, im 'Norden" theilt dieses mit und fügt hinzu, daß der saubere Commandant infolge dieses Verbreckens zu lebens länglicher harter Gefängnißstrafe verurlheilt wor den sei. Paris, 26. Juni. Der Moniteur enthält eine Belgrader Depesche aus Bukarest vom 23. Juni. Hiernach wäre auf höher» Befehl die Belagerung SilistriaS aufgehoben; die ganze russische Armee werde über den Pruth zurückkehren. London, 24. Juni. Sickerm Vernehmen nach hat Metternich ein Friedensproject vorgelegt, wel ches von dem englischen Ministerium m vertrau licher Weise gebilligt wird. Ueber einen auf der Niederschlesischen Eisenbahn vorgekommenen Unglücksfall meldet das in Bunz- lau erscheinende Blatt „Fortschritt" Folgendes: „Der am 21. Juni Nachmittags 3 Uhr fällige Berliner Sckncllzug traf erst nach 5 Uhr in Bunz- lau ein. Ein hinter Siegersdorf verunglückter Güterzug ist das Hinderniß gewesen. Durch ei nen Ächsenbruck gerade auf der Queisbrücke ent stand eine so gewaltige Hemmung, daß die Loco- motive mit einigen Wagen losriß und glücklich über die Brücke kam. Der andere Theil des Zu ges überwälzte sich vor den zerbrochenen Wagen und sielen 5 derselben über die Brücke in den Queis, dessen Wasser hierdurch sehr gestaltet ist. Ein Menschenleben ist glücklicherweise nicht zu be klagen, wogegen der Schaden an der Brücke, den Güterwagen und zumal an Gütern schon jetzt auf