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45 der kriegführenden Theile verhindert, daß er sei. nem Gegner, sobald sich Gelegenheit dazu bietet, Nachtheil zusügt oder daß derselbe die sich ihm bietenden Vortveile benutzen kann, wer im Gegen theil diesen Gegner so beschützt, daß er seine Streit- mittel an den geeigneten Punkten vermehren kann, der verfährt gegen den andern Theil, was hier Rußland ist, feindselig. Wäre dieselbe Demon stration gegen die schwächere Türkei gerichtet, so möchte dieselbe, ohne sich etwas zu vergeben, in der Lage sein, mit Stillschweigen darüber hinweg- M zusehen. Aber Rußland als der stärkere Feind muß sie als einen cs8irs belli betrachen, oder es ist bas, was von so manchen Seiten gewünscht wird, erreicht Rußland ist gedemüthigt, indem es sich den Maßregeln der Seemächte willig un terordnet und nicht wagt, diese anzugreifen.i Die russische Flotte wird in Sebastopol con- centrirt. Es kann dies bedeuten, entweder daß die Ruffen eine Hauptschlacht vorbereiten und an nehmen, oder sich hier ruhig verhalten und die englisch-französische Flotte ihre Spazierfahrten auf den Gewässern des Pontus ungestört volltühren lassen wollen. Das Erste wäre ein kühnes Wage- stück, was inmirtelst im schlimmsten Falle kein an deres Unglück haben könnte, als die Vernichtung der russischen Flotte und die Einäscherung des be rühmten russischen Kriegshafens Sebastapol Auf den Gang des Krieges würde dadurch für Ruß land ein wesentlich nacbtheiiiger Einfluß nicht aus geübt und das kolossale Reich, dessen Stärke in der Landmacht liegt, dadurch noch ruckt erschüttert werden. Aber es hätte die Folge, daß das schwarze Meer aufgehört hätte, ein russischer See zu sein. Läßt sich bte russische Flotte in Sebastapol bloki- ren, wagen ihre Dreidecker nicht, mit den engli schen und französischen Linienschiffen und Dam pfern sich in einen Kampf einzulassen, so wird auf unblutigem Wege ebenfalls die Demüthigung Rußlands erreicht. Die russische Flotte des schwar zen Meeres und der Kriegshafen von Sebastapol sind alsdann in der That zu einem orientalischen Märchen geworden. Das ist es, waS endlich die Aufmerksamkeit Eu- ropa's auf die Bewegung der Flotten im schwar zen Meere lenkt, daß es anscheinend jetzt zur Ent, scheidung kommen muß, ob Rußland die Beding ungen zur Weltherrschaft, welche mit der Herr schaft auf dem Meere zusammenfällt, in sich trägt oder nicht. Bliebe Rußland, vorausgesetzt, daß es den Kampf annimmt, wider Erwarten hier Sieger, liefert es der englisch-französischen Flotte auf dem schwarzen Meere erfolgreiche Schlachten, alSdann ist allerdings nicht abzusehen, wo dem Vorschreiten Rußlands noch ein Damm entgegen» gestellt werden soll. Vermischtes. Warschau, 7. Januar. Die DistrictSchesS im Königreich Polen Haren Befehl erhalten, Listen über alle unvcrhekratheten Männer vom 18. bis zum 40. Lebensjahre anzuserligen, sie sorgfältig zu überwachen und nickt zu erlauben, daß sie ihre bezüglichen Distrikte verlassen, weil die Rekru» tenaushcbung, welche sonst gewöhnlich erst am Ende des Jahres statlsindet, diesmal im März ge schehen soll.' Diese Maßregel hat die tiefste Be stürzung in diesem unglücklichen Lande hervorge- bracht, das sich von der außerordentlichen Aushe bung des vorigen Monats noch kaum erholt hat. — Der Director der G run deig enthümer» Vereinsbank für das Königreich Polen wurde dieser Tage zum Felkmarsckall Paskiewitsch beschie- den. „Wir sind in einer ernsten Lage", sagte der Fürst, „und ich muß den Verein ersuchen, eine Handlung des Patriotismus und der Loyalität für den Kaiser zu thun. Er muß ein Darlehn vor» schießen." „Aber", antwortete der Direktor, „daS ist nickt Zweck der Vereinsbank; sie kann ja nur Grundeignern, auf eine Verpfändung ihres Ei» genkhums, Geld vorsckießen; jeder andere Vorschuß ist den Statuten entgegen, welche erst unlängst die erneuerte Gutheißung des Kaisers erhalten haben. „Dies Alles gilt für gewöhnliche Zelten", entgeg nete der Fürst; „aber wir brauchen Geld, und wenn eine Ordre vom Kaiser nöthig ist, so sollen Sie sie haben." Man theilt eine Correspondenz aus Petersburg mit, welche über Das berichtet, was in den po litischen Zirkeln über die Haltung des Czar verlautet. Als er das Einlaufen der Flotten in das schwarze Meer vernommen hatte, soll er die größte Ruhe gezeigt haben. Am Abend soll er in dem um ihn versammelten Kreise der höchsten Per sonen und obersten Officiere gesagt haben: „Wenn man Rußland eine Schlackt anbietet, so nimmt es sie stets an; Rußland kann den Schmerz um eine verlorene Flotte tragen, nickt aber den Schmerz um die verlorene Nationalehre. Ich werde den Entschluß Frankreichs und Englands erwarten. Auch bin ich nicht unvorbereitet; die Befehle zum Vorgehen sind ertheilt in Betreff dieses Vorgangs, der die Verträge brickt, an die ich nun nicht wei ter gebunden bin." Es scheint gewiß, daß er den Fürsten Mentschikow gefragt, ob er sich gegen die furchtbaren Geschwader, deren Bewegungen im