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Sätze zu skizzieren beschieden war. Nach dem Scherzo (ohne Trio) bricht diese Kom position (D 936 A) ab. Mit der großen Sin fonie C-Dur „wurde - historisch gesehen - die Periode der nationalen Schulen' auf dem Gebiet der Sinfonik eingeleitet. Schuberts Osterreichertum hat darin sehr bewußte Züge angenommen: kernig im Wesen, weich in der Hülle, sinnenfreudig im Genuß, aktiv in der Entschlußkraft. Nicht zu Unrecht wurde das hochgemute Werk als ,die Sinfonie seines Volkes' bezeichnet", stellte Harry Goldschmidt einmal fest. 1840, zwölf Jahre nach dem Tode des Komponisten, erklang das Werk erstmalig unter der Stabführung Mendelssohns im Leipziger Gewandhaus. Ihrer „himmlischen Längen" wegen nannte Robert Schumann die Sinfonie, die er 1839 unter Schuberts Nachlaß in Wien entdeckt hatte, einen „Roman in vier Bänden von Jean Paul" und schrieb über die Uraufführung: „Die Sinfonie hat unter uns gewirkt wie nach den Beethovenschen keine noch. Künstler und Kunstfreunde vereinigten sich zu ihrem Preise. Daß sie vergessen, übersehen werde, ist kein Bangen da, sie trägt den ewigen Jugendkeim in sich ... In dieser Sinfonie liegt mehr als bloßer schöner Gesang, mehr als bloßes Leid und Freud' verborgen, wie es die Musik schon hundertfältig ausgesprochen; sie führt uns in eine Region, wo wir vorher gewesen zu sein uns nirgends erinnern können." Unbegreiflich will es uns erscheinen, daß damals die mei sten Hörer vor den Längen und Schwierigkeiten kapitulierten, während uns heute die Einmalig keit des Werkes in der gesamten nach- beethovenschen Sinfonik voll bewußt ge worden ist. Das, was die C-Dur-Sinfonie immer wieder zu einem nachhaltigen Erlebnis werden läßt, ist die rätselhafte Kraft ihrer Melodik, ist das Lebensstrotzend-Volkshafte ihres Ausdrucks. Die Melodik ist es, die den Riesenbau dieser Sinfonie trägt, nicht die Form, obwohl auch sie klassisch proportioniert ist. Man hat einmal treffend von der „pflanzenhaften Schönheit" dieses großartigen „Liederzyklus ohne Worte" gesprochen. Die C-Dur-Sinfonie zeigt Schubert auf der Höhe seiner Meisterschaft. Seine Ton sprache hat hier wohl die optimistischsten und heroischsten Elemente, deren sie fähig war, entfaltet. Eine breit angelegte langsame Einleitung steht am Beginn des ersten Satzes. Die Hörner stimmen einen ruhigen Gesang an, das Motto gleichsam, das gegen Schluß des Satzes in einer Steigerung wiederkehrt. Holzbläser, Streicher und Posaunen tragen diese Ein leitung, die allmählich in das Allegro ma non troppo übergeht mit seinem rhythmisch ge strafften Streicherthema und seinen schwere losen Holzbläsertriolen bei typischem C-Dur- Glanz. Dem Haupt- und Seitensatz folgt eine durchführungsartige Schlußgruppe. Wunderbar ist der Stimmungsreichtum dieses Satzes, das naturhafte Wachstum der einzelnen Melodien, die „tief seelisch getragene" Dynamik (H. Werle). Wie eine überdimensionale Liedform mutet der zweite Satz, das Andante, an, mit seiner begnadeten Fülle von musikalischen Gedan-