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Sächsische Staatszeitung : 18.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192312187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19231218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19231218
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-18
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 18.12.1923
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Um die AxswertvAG her Notz»u»ßsmetr«. de» R«chtz»«GinettS. Verlt«, 1«. Tqe«ver. Dai» Reich et o diR tlit ha, sich gcstm» «dc»»d «arnt mit der Mi elfte« er «nd der Ler Obligationen und dcSAinanz- auSgleichS beschäftigt. ttbcr die Mietzins- ftener tag rin nenrr Snimmi >»r. der ade«, im vergleich mit drm alt,« LaBo»^ eftre t»«fc»t- Uche Raderung nicht culhLU. L» der allmähliche» «ngteichnng der gegenwärtige» Miete an die Friede»« miete u»d an ihrer Überlassung zu gteichen Testen an die Hauttefitzer und Linder »ez. Gemeinde« wir» feftgrhalte». Jedoch sieh, »er veränderte Enttvurf eine BereitüGknng von einigen hnnverl AolvmMone« »ns den Mrt- erträgnisse« an da« Bleich Mr. die de« Zweck, neue Wohnungen zu schaffe«, dienen sollen. Wenn etwas für die Annäherung der Mieten an die zriedendmieten spricht, so ist es dir Möglichkeit, ans Nnmd der höheren Meten wiedrr haue» zu können. Dadurch könnten wir einig« der wichtigsten Schlüsselindustrie»», die täglich für 20 Gotdmillioue« an Bauwertc» erzeuge«, wieder flon machen, Nnsnmmen an Lr» w e r d s l o se « u n 1 e rst ü tz « n g e n sparen und wirklich neue Wohnungen schassen. Diesem Zweck dient aber der Entwurf, mit seiner Bereitstellung von einige« hundert Ronzessionemillioucn für den öffentlichen Woh- nuugsblul, nicht. Auch nicht durch die erhöhte Rente für dir Hancbcsttz«. Den» die Preise für Baumaterialien stehe« heute in keine« Berhältni» zu den erhöhten Mieten, sodaß durch sie ei» Anreiz »mu Ban nicht gejchajsen wird. Hier liegt schließlich daß letzte Hindernis, de» Bau« markt wieder z» velede». Norm »le Preise sind die Boranssetzuug, den HauSda» wieder rentabel z« mache» und private- Anlagekapital heranzuziehe«. Au und für sich hat sich die Neichsregieruug für die Einführung erhöhter Mieten den aller- uu günstigsten Augenblick gewählt. Durch die Rentenmark haben »vir einen Stillstand in der Preisbewegung erreicht. Preise und Lohne haben fick ausgeglichen, aber unter Umständen, »reiche die Lebenshaltung der Bevölkerung so ein- schrarken, daß eine weitere Reduzierung nicht mehr möglich »st. Run will das Reich die Mieten in wenigen Monaten auf Friedensstand dringen. Was bedeutet das, und wie werden die Wir kungen dieser Maßnahmen fein? Tic Miete braktue z. B. im Oiiober noch nicht 50 Mil lionen in Gold auf, während sic im Frieden mehr als fünf Gvldmiümrdcn ergab. D e gegenwärtigen Mieten müßten also, nach Absicht der Negierung, um gut 4».L Milliarden gesteigert werden. Tos Einkommen der Bevtttcrung, die zum größten Teil arbeitslos ist oder verkürzt arbeitet, lätzt cinc solche Velastnnq nicht zu. Nun versichert zwar die Regierung immer wieder, die Angleichung der gegenwärtigen Mieten an die Friedcnsmictcn nur allmählich, also in einem Tempo vornehmen zu wollen, das die Steigerung wirtschaftlich und sozial tragbar macht. Das wird ihr nicht gut möglich sein. Loll die Mietzinsstcuer Ländern und Gemeinden eine finanzielle Entlastung bringen, die überhaupt von Bedeutung ist, dann muß sic un bedingt zu Lohnforderungen führen. Und der Erfolg? Tas ganze, mühsam anfgebautc Preisniveau würde in wenigen Tagen re- volotumierl, st« Prriäckbba« sofort zw» LtMmih kommen mW durch «ne PreMeigamng vbgSMst Wersten. Die Regienmg gäbe somit da» Signa! zu der Ncntcnmarkmstation. Sie Säte deshalb klug, a« den gegenwärtiger» Berbälinifscn solange «cht zu rühren, di» Rare Verhülttufse emgeweten fmb, die proGische und erfolgreiche Maßnahme»» ga- ramtieren. * Protest der (Aewcrkschosten und des MieterbinkPe?. Lie fünf GcwerkschafiSbünde und der Deuische Mieterbund haben gegen die ge plante Rcichsmictsteuer gemcmsain bei der ReichSrrgierung durch Übermittlung nachstcyenstcr Erklärung Protest erhoben: „Die unterzeichneten Verbände haben Kenntnis davon erhalte»», daß die Reichsrcgicrung die Neu regelung der Mieizinsbildung iu einem Sintw ver folgt, der für die vor» Lohn und Gehalt leben den Volksschichten untragbar ist. Sie sehen sich darum genötigt, die Reichsregierung nochmals und ii» letzter Stnnde davor zu warnen, ihre am 27. Oktober d. I. überreichten Vorschläge über die Neuregelung dcr WohnnngSwirtschaft «nde- rücksichtigt zu lassen. Jnsbcsondcre weisen sie darauf hin, daß sie nicht imstande sind, die Rcichs- «gicrung in dcr Durchführung dcr geplante» Mictsteucr zu unterstützen, »renn nicht folgende Forderungen bei der Neuregelung Berücksichtigung finden: 1. Da« rcichsgcfctzlich« H»heil-recht für Vic Reuregclang der Wotznungswirtfchaft maß ainh writrrhin »nfrechierha lte» vlcivcn. 2. Tie A«swert»«g dcr gcgcnwänigr» Mcte« darf nur nach «oßgadc »er Steige» r»»g der Kaufkraft der Löhne «uv Gehälter erfolgen »uv vai auf de» heute nicht »lberfehoarr» S»a»d der Wirtschaft Rücksicht z» nehme»«. 2. Rach Abdeckung der Uukoste« für eiar ordnung: mäßige Bewinfchastuug der Woh- nuugeu ist jeder Mie»mchrcr»rag der private» Berriltzeruug zu entziehen und zugunsten der Unterstützung leistuugsschwachrr Mieter u«d der Wohnnugrbauwirtschast iu tzt« öffentliche Hauv zu üvcrjühre« 4. Da» Reichs mirtkngefttz pleibt aufrrchtcrhaitc», »mdcschadct einrr verein- sachten und rinhciUichcn Durchjührung dnrch Pie Länder. L. ZurLiudcrung derWohnungs- » o 1 muß aus dcr Wohmmgswirtschajt selbst schleunigst eine ansreichendc glmeinwirtjchaft- tiche Kapftalguclle erschlosst» werdcn. Schärfftcn Einspruch muß die Absicht des Reichsfinanzmimsteriums hcrvorrusen, dic Mieten zu einer Einn ahmc qucllc für allgemeine Finanzbcdürfnisse dcs Reiches, der Län der und Gemeinden zu mache». Abgesehen davon, daß wir einen solchen Ctcucrwcg für unsozial halten, erscheinen uns die wirtschaft lichen Verhältnisse dre testcr Volkskreisc derart, daß die beabsichtigte Belastung ihnen nicht zugcmutct werden kann. Hinzukommt, daß bei der Beschreitung des von der Regierung vorgesehenen Weges eine Belebung dcr ans allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Gründen nötigen Bautätigkeit nicht zn erwarten strht. Durch das Damicder- -chge» der Waulckligkei« drohe» nicht nur der Wirtschaft, sondern nach dem Ctmttr, desockders im Hinblick auf die dad«ch bedingte Atbeitslofig- leit, größte Schäste». Zusmmneusnfsend erkläre, die intter-cichaeten Verbände, daß sie die bisher laut gewordenen Absichten der Reichsrcgiemng nicht billigen Rinnenr sic müsscn diese vielmchr im Interesse der von ihnen vertretenen Bonsschichte» «vfs schärfste bekämpfen. Allg-emenier Deutscher Gewerkschaftsdund. Deutscher Gewerkschastsbund. Allgemeiner Freier Angcstelltenbund. GewcrkschaftSring dcutsche, Arbeiter-, Angestellten- und Beamtcnverbände. Allgemein«« Deutscher Beamten-Bund. Deutscher Micter-Bund. Ste»ercr»«stigu«- ftir Lohn- empsäxgrr. V»rschtäge tze» -üRftzehRer^RdschusseS. Berlin, 18. Dezember. Der FünfzehnerauSfchuß des Reichstags legte gestern, bei Beratung der zweiten Steuer- notvcrordnung, dcr Regierung nahe, bei den vorgesehene« Abzüge» der Steuer vom Arbeitslohn die Ermäßigung für die zur Hanthalmng des Arbeitnehmers zählenden Familienangehörigen aus Kinder dis zu 18 statt nur bis zu 17 Fahren aus- zudehnen. Wetter empfahl der SluSsckmß der Re gierung, den »Steuerabzug vom Arbeitslohn, im Fnwresse dcr Vereinfachung und Verbilligung dcr Steuererhebung, in dcr Wcise ummgcftckltcn, daß dcr Abzug von der Gesamtsumme dcr von den einzelne« Ltrdcltgeber» gezahlten Löhne und Gchälier erhoben wird, statt nach individueller Berechnung. Dcr künftige Rcichöbaukprüsident. Schacht oder Nrbig? Berl»», 18. Dezember. An de« letzte» Doge» wird der Gcncral- dirrktor der DiSeonto-Gescllschast Nrdig »eben vr. Schacht als ausjichtvrrichcr Kandidat für das vcrwaistc Amt des Rcichsbanlpräfidentc« genannt. Datjachr ist, daß Urbig als aussichts reicher Kandidat bisher nicht in Frage kommt, fanden» lediglich von einzclncn Berliner Groß- bankcn gern als Reichsbankpräsident gesehen würde. Diese Bankrn habe« z« Nrdig »nchr Bertranei» als zu Schacht, der ihnc« das viele Monate gegen unser Volk getriebene Anflations- grsthäft durch feine anerkenn»nSwcrte Tätigkeit «ls Währungskommijsar allzu schnell ver dorben hat Wie der „Soz. Pariinncust^-Dienst"., erfährt, dürfte dic prcußischc Regierung ihren Vorschlag, dem Reichspräsidenten Oe. Schacht als Präsident dcr Rcichsbank zu empfehlen, in dcr hcntigcn Sitzung des Rcichsrats aufrecht erhalten. Es ist auch anznnchmcn, daß dic Mehrzahl der Ländcr- vertreter, ausgenominen Bayern, dieser Kandidatur der preußische» Regierung nach wie vor ihre Zustimmung gibt, nachdem dic Reichsrcgierung sich ebenfalls mit ihr einverstanden erklärt und die gegen O». Schacht erhobenen Vorwürfe sich in» Verlauf einer Untersuchung als vollkommen nichtig herausgcstcllt haben. Schon bevor Dr. S-chacht zum Reichswährungskommissar ernannt wurde, sind die jetzt von der Rechten gegen ihn erhobenen VeschMdigaage, auf ihm Richtigst untrrsuq» morden. D»s ««geb»» nun, »aß Vie letzte Re gienm, S<r«se»«n» einstimmig beschloß, Schacht zum WähningÄommtfsar zu ernennen. Line »esse« Rechtfertigung für vr. Schacht und eine schlimmere Bloßstellung »er deutschuatienale» Werlemndcr konnte' es u. E. nicht gebe«. Es ergibt sich aber auch, daß die Angriffe tatsächlich rein persönlicher Art sind. Wie schlecht muß eS um die Teutschnaiio- rucken bestellt sein, wenn sie gegen einen be- »vährten Man» mit Vorwürfen hausieren gehen, von denen sie schon vor ihrer Verwendung wußten, daß sie falsch und unberechtigt sindk Tie Sieich-Getzr i« Thüringen. EineTenfschristdeSStaatSminiNeriumS. Weimar, 17. Dezember. Das Thüringische StaatSministcrium hat dem Landtag vor wenigen Tagen eine zweite Denk- .schrist über be« militärisch«« Ausnahme- zu stand in Thüringen zugehe« lassen, dic das aklenmäßige Material über den Verkehr zwischen dcr Landesregierung und vcn Reichs. w«hrb«här»e» m der Zeit vom 20. November bis 10. Dezember enthält. Daraus erfährt man z. V., daß die Behauptung dcs Reichswehr- Ministers, nach dem Ausnahmcstand hätte der thüringische Isstizministcr und der Inneniiiimster bei einer Veranstaltung in Weimar eine Rede mit einem Hoch auf die rote Armee geschlossen, schon deswegen unrickttig sei» muß, weil weder vor noch nach dem Ausnahmezustand der Innen minister Hermann m Gemeinschaft mit dem Iustizminister eine Rede gehalten hat. Mit Jitter- esse liest »na« in einem Schreiben des thüringischen Vertreters bei der Reichsrcgicrung an das Vurean dcs RcichSpräsidentci», daß das Rcichsinehrmnlste- rium selbst „befremdet" war durch dic Be setzung dcr Stadt Weimar, die zwei Tage nach einer Besprechung zwisckwn dein thüringischen Staatsminister und dciu Reichswchrministcr crjvlgie. An diescr Besprechung war alS Grund satz «»»fgcftkllt worden, daß die Reichswehr »ur nach vorherigem Einvernehmen mit der LandcSregierung vorgehcn soll; über diese Abmachung hak sich der Kommandknr ctnfach hinweggcfetzt und zog in Thüringcns Haupistadi rin. Die Denkschrift bietet auch wirbcr altertet Material über MißhandUnrgc« «nd gcwalisame Haus- snchunge» durch die Reichswehr, teilweise sogar i« Abwesenheit der HauSbewohurr. Wie dic Rcichswchr sich bei ihrem Bor- grhcn durch Denuuziatioucu vrrleiten ließ, dasür ist dcr Fall der Haussuchung im Staatlichen BauhanS «nd das Bor- grhe« gegen dessen unpolitische« Direktor GropiaS ei« schlagender BrweiS. Schlrchl- hk« wird da dvn Gcnerallrutnaut Hassc „ein»va«dsrei festgrstrlU", daß Schüler des Bauhanse« sich verschiedentlich kon» n»»«istisch bctätigt haben, und daß birS nicht ohne Wissen deS TirrktorS geschehen ist. lind wie beweist man das? Indem die Lienst- stellc, welche die Hanssnchnng anordncir, ringegangrnc Anzeigen als „wahr" unicr stellte. Auch im Beschwerdeverfahren wird nicht der geringste Versuch unter nommen, den Wahrheitsbeweis an- -ntreten; vielmehr erklärt dcr militärische Befehlshaber iu Dhüringen: „Ta der Petr. Druppenkommandeur lrineB«ra»I»ff»ng hatte, dic Wahr- Tie neue Jugend Europas. Tas, worum uns die Nachfahren einst beneiden werden, ist, daß wir in einer Zeit von unerhörter «cligeschichrlicher Bcdeniung gelebt Halen. Daß Altes stürzt und neues Leben aus den Ruinen blüht, war oft öa; aber Henle geschieht mehr: Ein Zeiikckter geht zu Ende, ein neues wird inner Wohcn geboren. Das Zeitalter dcr Technik, der Wirischaft, dcr Organisation,dcr Interessenvertretung, kur; alles, was das 19. Jahrhundert lieb und wert machte, ist rettungslos vorbei. Toch eines, das vergessen wurde, das nur noch als Funktion der Materie seine Geltung behielt, wird neugeboren, umgcschafsen: dcr Mensch. Wir müsscn wcit zurückgreifcu, um einen ähnlichcu — ich jage ab sichtlich »richt gleicht« — Waudcl in der Kultur zu finden. Die Renaissance »vor mehr nur ästhetisch, literarisch im weitesten Siune bestimmt; viel stärker schon war dcr Umschwung um 1750, zur Zeit des Et um es und Dranges. Es war kein Zufall, daß damals dic Psychologie in den Vordergrund rückte. Nm aus der Erstarrung herauszukommen, wollte mau zum Menschen hin. Genau wie heute stand auch damals nicht die Sache, sondern der Mensch im Mittelpunkt. Keineswcgs vergleichbar sind die Strömungen der 80er Jahre, jene blieben doch im Literarischen, Politischen, Sozialen befangen. Diese gewaltige Bedeutung unserer Tage aus- zuzeigen, war ein Verdienst vou Theodor Schulze, dcr gestern in der Literarische« Gesellschaft über „Reugcistige Strö mungen iu der europäischenJugeud" sprach. Richt immer in zwingender Formulierung, nicht immer aus dem vollen schöpfend, aber doch das Chaotisch« unserer Zeit zeigend. Schon in dem Vergleich der Gegenwart mit den Strömungen der Romantik lag ein Fehler; dort ein Heer nur von Führern, dort zwar ein neues Lebensclemcnt, aber noch uicht neues, bewußt geformtes Leben. Mag man auch Brentano, um wie viel mehr Novalis und Hölderlein, als Dräger dieses neuen Lebenswillens ansehen, mit Schlegel kann es kaum gesck ehcn. Nickt aus man- gclnder Haltung erlagen dic Führer, sondern cs ist dic Tragik des dem Leben nicht gewachsenen Lebenswillens. Tic neuen geistigen Strömungen in dcr Jugend unserer Zeit sind nicht Folgen dcs Krieges, »oeit mehr Ergebnisse der Mecbanisicrnng, dcr Entscelung unscres Lcbcm-, dcs Relativismus der Zeit. Erneut wird die Frage an das Abso lute gestellt, und wir Teutscken Haden die Nei gung, den Realitäten des Lcbens auszuwcichcn, alles in „Fragen", „Probleme" auszulösen. Weit vor 1914 liegen dic Gemente des neucn Fühlens, wenn es auch seine stärksten Antriebe durch Spengler mid Hermann Hesse, in dem sich ja ein völliger Wandel vollzogen hat, erst nach dem Kriege erhielt. Und die neue große Aufgabe, die da vor Augen steht, die neue Zielsetzung liegt darin: eins mit dem Schicksal zu werden. Und gerade daran mangelt es uns: seit Jahrhunderten wächst unsere Widerstandsunsähigkeit gegen die harten, nackten Tatsachen deS Lcbens. Um wie vieles glücklicher sind -a dw Franzosen» denen Rousseau, bei allem Kuli «Pessimismus, doch das Lebcn zu zwingen zeigte. Bo» hier aus- gehend, wurde klar, wie man wohl gegen Rousseau FroM machen, ihn aber nie überwinden kann. In der französischen Gegenwart suchte Barras als Fran- zose über das Leben zu siegen und formt «men neuen starken Nationalismus der Tat, während von Bergson ein neuer idealistischer Aufschwung aus- gcht. Gerade hier liegen, nach de« Forschungen von Platz und Eurtius, die Verhältnisse ein wenig anders, vor allem verwickelter, als es gestern her aus kam. Sehr hübsch war die Gegenüberstellung des Teutschen, der nie fertig wird, und de» Fran- zosen, der immer fertig ist. Ter Gegensatz deS Sein» znm Werden. Die Rechtlosigkeit deS Deut schen macht ihn zom Sammelbecken der europäi- scheu Spannungen, die von Westen »nd Osten, von Frankreich wie von Rußland ausgehen. LS gipfelt die deutsche Mission in der doppelten Auf- gäbe, durch harten Willen zum Schicksal geschmiedet z» werden oder zn kapitulieren vor der unend liche n Güte und Weichheit, wie Hesse. Tie deutsche Jugend muß gegen zwei Fronten kämpfen: gcgcn Rousseau und Dostojewski; aus der Zweifelhaftig keit jedes GlaubcnS, aus Skeptizismus gegen den unendlichen Fortschritt unserer Kultur strebt sie nach neuer Synthese, einer Synthese, die, nach des Vor- tragenden Worten, nur dnrchEiuopa als einer selbstän digen Knltureinheit möglich sei. Bon da ergebe sich ein weitgespannter Ausblick aus die Weltbedeutung der europäischen Rasse, auf die Stellung Amerikas. Eine Fülle von Gedanken werdcn angeschnitten und gestreift, aber selten weiter verfolgt. Bei der europäischen Einstellung vermißte man dic lieferen Hinweise auf die russischen und englischen Strö- nnmgcn, auf die tiefe Einwirkung, die heute schon von den Anschauungen Hans Drieschs ausgeht. Brt Aw« Briest Kcr-ivaxd Lassalles Iu dkr T-Michrn BkrIa«,»anüaU >8. m der rttarbrttunz Gustav Mayer», der »riefwrchlel Kerdtnaud »M de» H« b- seid» erkdtrnen Au» diesem !wch»n»reNan«cn Werte dtrdyenrlt-dem wir «achsredend »wei »Ur LaNatte charrcktrttstischr Bries« au» den Jahren w« und l»«3 I. Mittwoch früh fAachen, 8. August 1860). In bezug auf gewisse und manche Menschen verhält es sich so, wie Sie sagen. Aber nichts heutzutage ist gemein gültig, nichts herrscht, nichts ist mel^ allgemeine Ansicht. Dies ist eben das Sonderbare und Charakteristische der Zustände, in denen wir leben. Es gibt heut zutage nicht mehr, wie zu jeder anderen Zeit, eine bestimmte Substanz von Gesinnungen, welche die ethische Welt beherrschen. Sondern es ist di« bunteste Mosaik der allerverschiedenartigsten Welten und Gesinnungen, die gleichzet ig existier», »nd von denen jede von der andere» nm Jahr hunderte und länger absteht. Co küßte»» hier vor kurzem noch 40 000 Pilger da» Cchweißtuch deS Heüand», wie im 10. Jahrhundert. Daneben der Protestant, den das choqnierte. Daneben die aufgeklärten Badegäste, die es wundcrie. 7«< neben Spötter, die cs verhöhnten. Taiicbcn deutsche Atheisten. Jeder vom anderen geistig um 1000 Meile» entfernt, jeder seine Welt als die heutige Welt betrachtend. In diescr buu:c» Mosaik, in diesem Nntergegangensein alles geistigen Einklangs ist wenigstens das Gute, daß lein Individuum mehr allein zu stchcn braucht, dH es für jede Meinung Gcsinnungsgcnosscn und Glauben-brüder gibt, für jeden Standpunki Teil nehmer, und daß es sich nm darum handelt, sch diese um sich zu sammeln; daß ferner jedes Individuum dann sich »nd seinen Siandpunkl und Kreis als die b-rcchtigtc mid wahrhaftige Welt und die anderen als nur individuelle Unvernunft und als von sich in Ban» und Acht getan lwem» zwei Standpunkte sich ausschließcn, schließen sie sich gegenseitig aus) betrachte« kann und dies auch dadurch nicht gehindert wird, daß vielleicht mehr Individuen ihm gegcnüberstehen, zumal wenn er dasür Vernunft, Wissenschaft und die geschichl- Uche Bewegung für sich hat, da es das Zählen der Individuen m keiner Hinsicht macht. Tie große Majorität dcr Bewohner 'der Welt sind — Buddhisten. Deswegen steht dic Welt doch nicht mehr auf dem Standpunkt deS Buddhismus. ... DaS Zähle« macht's also nicht. Und cS kann also heutzutage jede- Individuum sag?« — und sagt eS auch tatsächlich — mein Standpunkt ist dic Welt, und waS draußen liegt, ist nur individuelle Unvernunft, von mir in Bann und Acht getan. Und jeder wird, wie gesagt, heutzutage da für Genossen finden, die bereit sind, auf diesen Boden mit ihm zu leben. Und daß unsere Ge nossen gerade dic schlechtesten oder dümmsten sind, nun, das, denke tch, werden Sie selbst nicht be haupten. Immerhin ist noch in den paar Leu ten, die wir in Berlin haben, soviel Geist und Bedeutung, wie auf der ganzen Dilhelmstraße zu- sammengenommen nicht. Jene exklusive Kraft, von der Cie spreche», hat heutzutage nicht», gar nichts mehr. Alles -besteht nebeneinander tm lückerlichften Mrrwan.
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