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ZUR EINFÜHRUNG Bei der Form der „konzertanten Sinfonie" (ital. Sinfonia concertante), die sich in der Nach folge des barocken Concerto grosso Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt hatte und von zahl reichen Komponisten der Zeit gepflegt wurde, handelt es sich um eine Art Zwischenform von Sinfonie und Solo-Konzert, um eine Sinfonie mit mehreren in verschiedener Weise (einzeln oder in Gruppen) solistisch hervortretenden In strumenten. Auch Wolfgang Amadeus Mozart schrieb mehrere Kompositionen in diesem Genre, so ein Frühwerk, das Concertone KV 190 (mit zwei Soloviolinen) oder die Sin fonia concertante Es-Dur KV 297 b, Anh. 9 (mit vier Blasinstrumenten). Sein zeitlich letzter und unbedingt bedeutungsvollster Beitrag zu die ser Musizierform aber ist die Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur KV 364, die vermutlich ungefähr im Herbst 1779 entstan den ist (eine aus der gleichen Zeit stammen de Sinfonia concertante in A-Dur für Violine, Viola und Violincello blieb unvollendet). Das Werk, das gleichzeitig Mozarts letztes Konzert werk für Streichinstrumente, die Krönung die ses für ihn hinter anderen Gattungen zurück getretenen Schaffensgebietes darstellt, zählt in seiner bereits hohen künstlerischen Reife zu den stärksten Leistungen des jungen Kompo nisten aus diesen Jahren. Der erste Satz (Allegro maestoso) wird mit ei nem breit angelegten, prunkvoll-rauschenden Orchestertutti eröffnet. Im Verlaufe des Satzes spielen dann allerdings die beiden Soli, die sich (nach einem großen Orchestercrescendo in der Art der Mannheimer Schule) nacheinan der vorstellen, eine dominierende Rolle; das Orchester wird hauptsächlich begleitend, die ausdrucksvollen Zwie- und Wechselgesänge der Soloinstrumente unterstützend, eingesetzt. Zu einem wirklichen „Konzertieren" zwischen Solisten und Orchester, zu reizvollen Dialogen, kommt es im darauffolgenden Andante in c- Moll, einem von innigsten Gefühlen beseelten, ergreifenden Musikstück, dessen empfindungs tiefes Hauptthema zuerst durch die Violine, da nach durch die Viola zum Klingen gebracht wird. Der Satz muß als einer der bedeutendsten langsamen Sätze überhaupt angesehen wer den, die Mozart bis dahin geschrieben hatte. Den Ausklang des Werkes bildet ein Finale in Rondoform, dessen sprühende, kraftvolle Hei terkeit in stärkstem Kontrast zum tiefen Ernst des vorangegangenen Satzes steht. Johannes Brahms' Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73, im Jahre 1877 komponiert, entstammt einer glücklichen Lebensperiode des Meisters, deren ruhige Heiterkeit sich in den meisten der in dieser Zeit vollendeten Werke widerspiegelt. So ist auch die Grundstimmung der D-Dur-Sinfonie durch Lebensbejahung, Le bensfreude und innere Gelöstheit gekennzeich net. Das Werk, das oft als die „Pastorale" des Komponisten bezeichnet wurde, steht in star kem Gegensatz zu der vorangegangenen, lei denschaftlich-kämpferischen c-Moll-Sinfonie und verhält sich zu ihr vergleichsweise etwa wie Beethovens „Sechste" zu seiner „Fünften" oder Dvoräks achte zur siebenten Sinfonie. Land schaftliche Eindrücke, Naturstimmungen sollen auch bei der Entstehung dieser Brahms-Sinfonie eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Son nenschein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein," äußerte der dem Komponisten befreundete Chirurg Theodor Billroth zu der in wenigen sonnener füllten Sommermonaten in Pörtschach am See in den Kärntner Bergen geschriebenen Kompo sition, die in ihrer pastoralen Lieblichkeit dem ein Jahr später dort entstandenen Violinkon zert nahe verwandt ist. „Eine glückliche, won nige Stimmung geht durch das Ganze, und al les trägt so den Stempel der Vollendung und des mühelosen Ausströmens abgeklärter Ge danken und warmer Empfindungen." Doch ent behrt das sehr einheitliche und geschlossene, an herrlichen Einfällen überreiche Werk trotz seiner lichten und freudigen, lyrischen Grund haltung, trotz seiner Bindung an die „heitere" klassische Themen- und Formenwelt, keines wegs kraftvoller, ja zum Teil auch tragischer Töne. Am 30. Dezember 1877 fand die Urauf führung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer" nannte) durch die Wiener Philharmoniker un ter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraussage „Mit dieser Sinfonie wird er auch beim Publikum durchschlagende ren Erfolg haben als mit der ersten" sollte sich dabei nachhaltig bestätigen. Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdrin gung und Bindung der einzelnen gegensätzli chen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung erwächst, charak terisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des ge samten Werkes ist das aus drei Tönen (d—cis— d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violon-