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lisch verarbeitete, so daß Mauersberger einer der .dresdnerischsten' Komponisten über haupt genannt werden kann" (M. Herrmann). Die in den Jahren 1915/16 komponierte (und 1920 nochmals überarbeitete) Sinfonie e - M o I I, der der junge Komponist den Beina men „Tragische" verlieh und die unter sei ner Leitung von einem „feldgrauen Orchester" am 25. Januar 1918 im Saale des Herrmanns bades zu Bad Lausick uraufgeführt wurde, ist ein großangelegtes, viersätziges Werk „mit Frauenchorschluß" von 50minütiger Auffüh rungsdauer, das erstmalig wieder am 24. No vember 1989 anläßlich der Mauersberger-Eh rung in Braunschweig unter dem Dirigat Vol ker Rohdes erklang. Dem Werk liegen Goethe- sche Worte zugrunde, die zuletzt der Frauen chor anstimmt: „Was vergangen, kehrt nicht wieder — aber ging es leuchtend nieder, leuch- tet’s lange noch zurück." Stilistisch ist die Sin fonie ein Schmelztiegel verschiedenster Ein flüsse von Wagner über Strauss bis zu Sibe- lius, in ihrer schwelgerischen Haltung gleich wohl anrührend und beeindruckend für den Hörer, der den schöpferischen Weg des Kom ponisten kennt, der sich später nicht als Sin foniker ausgewiesen hat. Aus der Tatsache, daß der 1. Satz (Moderato) ziemlich geschlossen gearbeitet ist, gleichsam selb ständig als eine „sinfonische Dichtung" zu be stehen und zu wirken vermag, nehmen die In terpreten die Berechtigung, unser heutiges Konzert mit diesem Werkausschnitt zu eröffnen. Der Satz ist durchdrungen von der Tragik der Vergänglichkeit. Er baut sich auf den Motiven der Unabänderlichkeit, der Schwermut, der Klage und des Schmerzes auf. Immer eindring licher tönen die Motive, bis das Toben des Orchesters seinen höchsten Punkt in dem Aus bruch der Verzweiflung erreicht. Das Orche ster verstummt und leise klingt wie von fern das Motiv der Unabänderlichkeit. Wenn Felix Mendelssohn Barthol dys Instrumentalschaffen — abgesehen vom e-Moll-Violinkonzert — bisher viel zu wenig beachtet wurde, so hat das seine Ursachen. Die nachlassende Wertschätzung durch die Musikwissenschaft hat bewirkt, daß sich die Konzertwelt nur für wenige Hauptwerke des Komponisten interessierte. Daher blieb ein be achtlicher Teil des Werkbestandes unveröffent licht und fand erst nach 1960 in der neuen Leipziger Mendelssohn-Ausgabe einen festen Platz. Andererseits wurde einigen Kompositio nen der Weg in den Konzertsaal auf Grund musikkritischer Fehleinschätzungen erschwert. Ein solcher Fall dürfte beim 2. Klavier konzert d-Moll op. 40 vorliegen. Si cher ist es nicht als Weiterentwicklung der beiden vorangegangenen Werke (Mendels sohn hatte bereits vor dem sogenannten 1. Klavierkonzert g-Moll op. 25 als Knabe im Jahre 1822 ein Klavierkonzert in a-Moll ge schrieben) zu bewerten, und wenn es Robert Schumann als „flüchtig heitere Gabe" bezeich- nete, so meinte er damit, daß wir hier nicht ein Stück mit großen Problemstellungen er warten dürfen. Diese Grundstimmung wird aber um so verständlicher, wenn wir uns das Entstehungsjahr 1837 vergegenwärtigen. Die glücklichen Tage der Hochzeitsreise mit Cecile Jeanrenaud haben sich in der unbeschwer ten Atmosphäre des am 19. Oktober 1837 im Leipziger Gewandhaus durch den Komponisten selbst erstmals gespielten Werkes niederge schlagen. Und es ist daher nicht verwunder lich, wenn im virtuos angestimmten Einlei tungssatz Stilmittel und Rhythmen seiner Ju gendzeit auftauchen. Die drei Sätze gehen in einander über — wie in einer großen Fantasie. Dem lyrischen Adagio, einem stimmungsvol len „Lied ohne Worte“, folgt das rasante Fi nale, ein temperamentvoller Abschluß, in dem Solist und Orchester unbekümmert miteinan der wetteifern. Einen historischen Bezug zur Philharmonie-Ge schichte hat der zweite Konzertteil, der zwei Werke nach Goethe-Texten darbietet, die der Komponist, Johannes Brahms, einst selbst in Dresden vorstellte. Am 5. März 1884 spielte er nämlich — als Erstaufführung — mit der schon erwähnten Mannsfeldtschen Kapel le — sein 1. Klavierkonzert d-Moll und diri gierte den Schlußchor der Kantate „Rinaldo" sowie die Alt-Rhapsodie (mit der „Liederta fel" und Hermine Spies als Solistin). Obwohl der gestrengen Kritik das Klavierkonzert nicht „jene freudige innere Befriedigung gewährt hatte, die wir gegenüber den großen und ernsten Kunstwerken der klassischen wie der neuen Zeit immer und immer wieder empfin den", und dem Künstler „Claviervirtuosität" als nicht „zu seinen starken Seiten" gehörig abgesprochen wurde, hieß es dann doch: „Brahms ward im Laufe des Abends vielfach glänzend ausgezeichnet, und als er nach Schluß des Concerts stürmischem Hervorruf Folge gebend, nochmals auf dem Podium er schien, begrüßte ihn das Orchester mit einem dreimaligen Tusch". Die sogenannte Alt-Rhapsodie aus Goethes „Harzreise im Winter" für Altstimme,