verschiedenen „Fassungen“ hätte führen können, stand diesem Prozeß im Wege. In seiner Siebenten schöpft Bruckner - und dies in allen Sätzen - seine melodischen Möglichkeiten in einem Maße aus, das die früheren wie späteren Sinfonien übertrifft. So entfaltet sich schon das erste Thema des ersten Satzes in edler Kantabilität zu vielgestaltiger Gliederung: Dem aus der Tiefe sich erhebenden E-Dur-Dreiklang folgt ein mehrfach sequenzie rendes Motiv, das sich gleichsam auf die Suche nach immer neuen rhythmi schen und harmonischen Dimensionen begibt. Ähnlich das Verfahren mit den folgenden Themen: Vom kleinsten Detail bis zu großformalen Struktu ren breitet sich das Material in ständiger Variantenbildung aus, wobei Rhythmik, Harmonik, Dynamik und Instrumentation tendenziell zu block- hafter Monumentalität führen. Der zweite, langsame Satz ist eine Trauer musik in memoriam Richard Wagner. In ihm verwendet der Komponist zum ersten Mal jene Tenor- und Baßtuben, die Wagner eigens für sein Bayreu- ther „Nibelungen“-Orchester bauen ließ. Der weiche Klang dieser „Wag- ner“-Tuben gibt dem Hauptthema zusammen mit den tiefen Streichern den vorgeschriebenen „sehr feierlichen“ Ton. Ein zweites, etwas bewegteres Thema führt in dichter kontrapunktischer Verknüpfung mit dem ersten zu gewaltigen Steigerungen und Höhepunkten. Der dritte Satz, ein beharrlich pulsierendes Scherzo, bewegt sich vor verhangenem Moll-Hintergrund, von dem dann freilich das ländlerisch-anmutige Trio sich freundlich abhebt. Das Finale beginnt mit einer Variante des Hauptthemas des ersten Satzes, dessen ursprünglich feierliches Pathos sich jetzt in eine ungestüm vorwärtsdrän gende Kraft verwandelt hat. Den treibenden punktierten Rhythmen stellt sich alsbald ein zweites, choralartiges Thema entgegen. Die Kontrastierung und Entwicklung beider verbindet sich über weite Strecken mit neuen thematischen Varianten und führt endlich über einem Orgelpunkt auf dem Ton E zu einer gewaltigen, alles überbietenden Schlußapotheose. S. I. Die Dresdner Philharmonie gehört in die Reihe weltberühmter Dresdner Musikinstitute wie Kreuzchor, Staatskapelle und Staatsoper, obgleich sie — zwar aus 450jähriger Rats musiktradition hervorgewachsen — erst 1870 gegründet wurde, also das jüngste Glied in dieser Kette klangvoller Begriffe darstellt. Im Verlauf ihrer nunmehr allerdings auch über 120jährigen Geschichte entwickelte sie sich zu einem repräsentativen Klangkörper von Weltruf und trat frühzeitig als Sendbote Dresdner Musikkultur im Ausland in Erscheinung, so 1871 und 1872 bei Gastspielen in Petersburg, 1879 in Warschau und 1883 in Amster dam, 1907 in Dänemark und Schweden und 1909 in Amerika. Prominente Dirigenten und Solisten, die als Gäste des zunächst „Gewerbehausorche ster“ genannten Institutes wirkten, förderten den steilen künstlerischen