Sommerfrische und Symphonisches Seit er aus Hamburg wegge gangen war, hatte Brahms es sich angewöhnt, den Sommer entfernt von Wien zu verbrin gen. Er ging in die Sommerfri sche und folgte damit einmal mehr dem Vorbild des gehobe nen Bürgertums, das ihn trug. Wir finden ihn in Bonn, in Ba den-Baden, in Tutzing oder auf der Insel Rügen, drei Sommer lang in Thun, drei in Pörtschach und wiederum drei Sommer in Mürzzuschlag in der Steier mark. In späteren Jahren kommt Bad Ischl hinzu. Die drei Sommer in Pörtschach beginnen mit einem der zu gänglichsten Werke Brahms’. Es ist der Sommer 1877, und Brahms läßt der 1. Symphonie, an der er wie wir wissen, min destens vierzehn Jahre arbei tete, in einem Sommer eine zweite folgen. Zur ersten ver hält sie sich wie das zweite Klavierkonzert zum ersten. Der Sturm, die Beklemmungen der frühen Jahre sind verarbeitet. Brahms scheint mit neuem Mut ausgerüstet, sich zu seiner Art von unverblümter Klassiknach folge zu bekennen. Man hat keine Not, in diesem Werk den Variationspraktiker zu erken nen; schon der erste Satz ent hält das Material zu allen vier Sätzen. Gleich die Kantabilität des ersten Satzes, der für Brahms ungewöhnliche Auf schwung, sich auszusingen, sprechen von Ausgeglichen heit. Ein »Seht, kann ich nicht singen?« steht von vornherein über der Symphonie. In einem ist Brahms ganz Romantiker, in der Naturempfindung nämlich. Natur löst sich ihm auf in ein Lebensgefühl, auch deswegen ist diese 2. Symphonie mit »Pa storale«, wie sie oft bezeichnet wird, richtig und falsch zugleich charakterisiert. Die Anspielung auf Beethovens Sechste hinkt wie alle Vergleiche zwischen Brahms und Beethoven. Hören wir bei Beethoven den Kuckuck noch veritablerweise rufen, so ist Brahms' Naturerlebnis auf gelöst in Stimmung, in Farbe, in