Volltext Seite (XML)
SächsischeSlaalszckung Zeitweise Nebenblätter: Landtag».Beilage, Ziehungslisten der «erwaltuug oer Staatsschulden und der LandeSkultnrrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes > BrandversicherungSaustall, BerlausSliste von Holzpflanzea auf den Staatsforstrevieren. verantwortlich für di« Redaktion: Hauptschristletter Bernhard Zolles in Dresden. 1923 Dresden, Montag, 1. Oktober Nr. 229 Zm Zeichen der Kahrdittatur. Bayern oder Sachsen? Einige Tage »ong hat e» in der deutschen Republik naive Leute gegeben, die geglaubt haben, daß man durch die Einsetzung de» WiltelSbach«- Monarchisten v. Kahr zum bayerischen Diktator vorläufig der Schwierigkeiten übrrhoben sei. Diese Diktatur habe den Putsch der Hitler und Ludendorff verhindert nnd bedeute, notwendiger« weise, eine Kampfstellung de» bayerischen General« stoalSkommiffarS gegen die von ihm unter seiner s.üheren Mtmsterptä,>denlschaft großgezogenen all« deutschen Rechtsradikalen. Niemand, der die Machwerhältnisse in Bayern kennt, konnte sich, auch nur eine Minute lang, dieser Illusion hin- geben. Tie neuerlichen Maßnahmen de» Herrn o. Kahr — Auslösung der sojialdemolratischen Lchutzoerbände, Aushebung der Republikschutz- gesetze für Bayern, das Weitererscheinen de» „Völkischen Beobachter»", die Enthebung de» demokratischen Nürnberger Bürgermeister» vr. Luppe von der Polizeigewalt — beweisen unwiderleglich. daß die Bemühungen de» Henn v. Kehr, wie nicht anbei» zu erwarte», darauf hinauslaufen, durch eine geschickt: iakujche Wendung, bei der die bayerischen kleri- kalen allerdings den Hitler und Ludendorff üb:r- vgen waren, unter der Führung der Rupprecht« rinhänger eine EinheilSsront der baye« rischen Renktion herzustellen. Diese Einheitsfront — und die» ist der Unterschied zu Hitler — soll sich vorläufig auf der sogenannten „föderalistischen" Grundlage Bayern» bewegen, um von hier aus, nach einer gewissen Befestigung der Positionen in Bayern, nach dem Norden vor- zustoßen. Durch die Verhinderung des Hitler-Putsches ist vi: Lage in Bayern für die ReichSregierung nicht etwa leichter, sondern ungleich schwie riger geworden; denn noch den letzten Maß nahmen des Herm v. Kahr ist die durch die ReichkauSnahmeverordnung beabsichtigte Kombi nation Kahr-Lossow oder Lossow-Kahr gegen den bayerischen RechUradilaliSmu» unmöglich ge- worden. Die ReichSautorität müßte sich durch den Rechswehrbesehlkhaber v. Lossow gegen den bayerischen Generalstaatskommissar v. Kahr seiber richten. Da» würde bedeuten, daß von der ReichSregierung die bayerische Frage in diesem «ugenblcke zu einer radikalen Lösung gebracht werden müßte. Ist die» zu erwarten? Herr v. Kahr und seine Trabanten scheinen sich sicher zu sühlen und Der Reichsregierung nicht viel Energie zuzutrauen. In kategorischer Weise dementiert die .Bayerische StaatSzeitrwg" wiederholt, daß die ReichSregierung sich in einem Gegensatz zur bayerischen Regierung befind«, und daß sie etwa die Absicht habe, von der bayerischen Regierung dir Zurücknahme der Voll machten de» Herrn v, Kahr zu verlangen. Sowohl die Maßregeln ler ReichSregierung wie die Vor kehrungen der bayerischen Regierung seien von langer Hand in Erwägung gezogen. Herr v. Lossow arbeite in engstem Ein vernehmen mit Herrn v. Kahr. Diese Aasfassung der .Bayerischen StoatSzeituvg" wird bestätigt durch zwei KrelStelegrammr der Zweig stellen de» RetchSverkehrSminiperium» und de» Reichspostministerium» in München. In diesen Kreisielegrammtn heißt e» daß die Anordnungen veS bayerischen Generaistaal-kommiffarS Maß nahmen der vollziehenden Gewalt auf Grund der Reich-Verfassung seien. Damit ist von R:ich» wegen die Legalität der bayerischen Diktatur des Henn v. Kahr anerkannt. Die maß gebenden bayerischen Stellen scheinen sich aber au» dieser Legalität von Reich» wegen nicht viel zu machen. Z. B. rrktärt die offizielle Korrespon denz der bayerische« volk-partei, daß «m Reiche wohl u'cht da» Bedürfnis .bestehen werde", einen Konflikt mit Bayern vom Zaun« zu brechen. ES würde sich allerdings darum handeln, ob d«r Reichskanzler stark genug sei, Provo- kattonsabsichten der auf der Linken stehenden Mitglieder seine» Kabinetts g«g«n Baye,« hintan,uhallin. Im übAM täte »l« Reichtregterang gut dara«, sich nicht ans staatsrechtliche Diskussionen einjulassen, da ihre Stellung bedeutend schwächer sei als die der bayerischen. Die Volks- parteikorrespondenz erklärt sogar, daß kein formale» Recht, kein Satz Reick,»recht breche Landesrecht" die bayerische Regierung von ihrer naturrecht lichen Verantwortlichkeit eulbiuden könne. Diese Sprache von halbamtliche« Organen der bayerischen Regierung und die Maßnahmen de» Herrn v. Kahr sind deutlich genug. Diese Deut ¬ lichkeit ist nur möglich, wenn die bayerischen maßgebenden Stellen da» sichere Be- wußtsei« haben, daß sie in Berlin ein flußreiche Verbündete besitzen, die mit aller Machl daran arbeiten, einen Konflikt zu ver hindern, der durch eine Enifesselung der republi kanischen BolkSlräfte zu einer Nieserlage der bayerischen Diktatoren sühren könnte, Di« bayerische Volksparteikonesponveoz reNamert so« Der Ausnahmezustand gegen die Republikaner. Nürnberg, 3«. September. Der Generalstaatslommifsar hat dem Staatskommifsar von Nürnberg.Aüxth, OberregiernngSrat GaretS, auf «rund des Ausnahme zustandes die Polizeiexelntive von Rürnberg-Kürth als seinem Vertreter übertragen. Dem Oberbürgermeister Luppe in Nürnberg ist die Polizetgetvalt in der Stadt entzogen morden. * München, 3V. September. Auf Auordnung des «eueralstaalslommissars sind die Sozialtstis che « Arbeiterwehreu verboten worden. Außerdem sind die Ausführungs bestimmungen für das Gesetz zum Schutz der Republik außer Kraft gesetzt worden. Protest der sächsischen LaudeS- inftanzen der V. S. P. Die Gefahren der Militärgewalt. Der LandeSarbeitSauSschuß, die Land- agSfraktion, die sächsischen ReichStagS- mitglieder sowie der Bezirksausschuß deS A. D. G. B. haben am Sonnabend zu der politi schen Situation Stellung genommen und folgende Entschließung einstimmig angenommen: .Der Ausnahmezustand über daS Reich hat für Sachsen eine» besonde re» AnSnahmeznstand geschaffen. Während Preußen einen Zi»ilk»««ifsar er halte« hat, ist ein solcher dem Freistaat Sachse« nicht zugestanden worden. Dabei zeigt sich gerade in Sachsen an der Verordnnng b«» Wehrkreiskommandos, daß hier die politi schen Rechte der Arbeiterklasse in wett höherem Maße bedrängt sind, al» in irgendeinem anderen vnndesstaat des Reiche», «ährend in de» Knndgebnngen anderer «rhrkreiSkommanba» der «Ute zu« Znsammenarbeite« «tt de« Zivilbehörbe» dentlich erkennbar ist, schaltet Vie «eich»- regternng die sächsische» Zivil- behörben völlig an» »nd stellt ste nnter da» miMärische »onnuando. E» liege« A«. reiche« basstr vor, daß sich bte Militär« gewallt in Sachse» elndenltg gege» je»e» Lett de» Proletariat» richtet, »er e» bi», her al» höchste «asgabe betrachtet hat, bi« Republik z» stütze» nnd zu befestige», «äh re»» t» Freiberg be» uati»»alf»zi»ltst1« sche» Verbände» für Sonntag, d«» »» Sep- tember, ei»r große nationalistisch« Ku»d gebnug, die dle sächsische Reglern»» »erbiete» wallte, v»u de» Militärbehörde» gestattet Warde, stad zn gleicher Zeit vier vw» der KPD. geplante Versammlung«, t» Ehe«, »itz »on der gleicht» Stelle verbale» worbe». Diese Beispitle zeige», wte er»st bl« Litnatto» ist, vor die bie ArbeNerAasfe dnrch die militärische Veei»trächtig»»g ihrer politischen «echte gestellt ist, ,i»e Vretnträchtignng, bte sich a»ch a»f wirtschaftliche«Gebiete «»»wirke» «»ß, z»«al die g»ge«wärtige wirtschaftliche Rat eine frei« politische nab gewerkschaftlich« Ve- tätig«»- d«r Arbeiterklasse erfordert. Die liugaug» erwäh»tr» Partrii«stanzen fordern daher mit aller Wntfchiedtnheil, bah der Al»^ nah«ez«stand sich utcht zn eine« Sander- an»nah«eznstanve gegen da» sächsische Prole tariat «»»wirkt. Die Parteigenosse» bek»»- de» er»e»t, daß bte«erhä»-»»- »e»«»» «ah«ez»sta»be» »icht »»tw«»bl- »ar. -»»besä»»«-« fordern sie, daß et» «ttßtte» dir sääistsche» »«§ er»»g al» Zivil- tommissar mit gleiche» Rechte« wie in Prtn. ße» für Sachstn rtngesetzt »oird. Ebluso ver lange» ste «it größ:e« Nachdruck, daß die wirtschaftliche» Kämpfe der Arbeiterklasse, iuSbtsondere der Kampf um höhere Löhne und um die Erhaltung des Achtstundentages, in keiuer «eise beeinträchtigt »»erden. So energisch die Parteiinstanzen diese Forde rung gegenüber der Exekutivgewalt erheben, so sehr müssen unsere Parteigenossen davor ge warnt jein,, sich provozieren zu lassen. Nichts käme den Reaktionären und den Feinden der Republik gelegener. Was die Stunde von jedem Sozialisten erfordert, ist eifrigste Wach- amkeit, Tatbereitfchaft, aber auch kalt- blüttge Besonnenheit und Ruhe. Nur, wenn die Massen ihre Kräfte nicht vorzeitig und zwecklos vergeuden, wenn sie kampfbereit der Weisung ihrer Führer harren, werden wir Sieger in diesem Kampfe bleiben!" „Ys lebe der Kö^ig." «üucheu, l. Oktober. Gestern weiht« das Leibregi«e»t «tue Ge- »«»ktasel für feiue Knegsgefalle»«» ei». I« Hofe der Dürkeukaserue wäre« etwa 2»»»» ehemalige Augehörige des RegimeutS aufgestellt. Derfrühere KrouPrtuzRupprecht, viele Priuzeu «ud Priuzeffiuue«, der Miutster» präsideut v. Suilliug, die Geuerale Lossow »»d Bothmer Ware» aaweseud. «ach ei»er «»sprach« »e» General» v. Epp enttzüllle der ehemalige Kronprinz «npprecht di« über de« Eingang »er Kaserne «»gebrachte Tafel. E» folgt« et« v»rbei«arfch »e» Letbregime«» »ar de« ehe« «align, Kr»»prt»ze«. w»bet »«» Pnblikn« tha «tt be« N»fe begrüßte: .E» lr»e »er Kö«igl" Darauf bega» sich »er ,he«»0ge Kronprinz zn« Ar«ee«»fe»«, vor dem die Mtvuhener Schntz- «»»»schaft z»r Feier de» 2S jährigen Bestehen» anfgeftellt war. Die Festrede htett Miaister Schwetzer, »er da» verbrech e» der November- «ä»»er geißelt, Kerhi»ber«tts eines Golsmark- trEASpsrtS. «äraberg, l. Oktober. 8« Auftrage d«r «eich»baukzr»tralsteUe Verti» sollten a«Sa»nabe»ddie ia brr«ür»berg«r »etqsbaakftltal« «»fb wahrte» IS» Mtllt»»«» G»Ib«ark nach Verll» m»»s- potttert werbe». Inzwischen war der Nür»berget Oberbürgermeister vr Lnpp« seiner Stell»»- al» Poltzrichef eMhabe» nnd der Staatsk»«»«ssar Garet» «tt bttfer Annktto» bea»ftr»-t worden. G«i»e erste Tat für da» widerrechttäbe Shße« »ahr war bte «erhiaber»»- de» fär Verll» bept««te« G»lb«arktr,»»p«r1«r Poltttsch« Ab sichte» lag«, de« Abtrnn-Port «llht z»gr»»de. gar für ihre Aossaffung den ReichSkanzker vr. Stresemann. In der Tat hat der ReichSwehrbesehtshab« v. Lossow in München von den ihm übertrazeue« Vollmachten noch keinen selbständigen Ge brauch gemacht, obwohl er dazu in der Lage wäre — da) ist ja der Sinn der ReichSauSnayme. Verordnung — und sich auch dazu veranlaßt sühlen müßte. Das Generalverbot deS.Völkischen Beobachters" ist nicht von Lossow., sondern von Geßler au-gegangen. Diese Maßnahme ist zwar notwendig, bedeutet aber ein Augenverblend««; denn daS eigentliche Angriff sol-jekt für die ReichS- grwalt ist heute nicht mehr Hitler, sondern Kahr, der seine Aufgabe darin sieht, den Schutz der republikanischen Staateversassung zu unter graben. Unter diesen Umständen tst eS eine etwas merkwüldtge Auffassung der Berliner Stellen, wenn sie auch heule noch nicht in dem bayerischen Ver halten eine« Bruch vor Verfassuugrbestimmunge« sehen Aus diese Weise wirs die hochpolitische Frage um die Existenz der republikanischen StaatS- verfasiuug auf einem juristischen Geleise tot gefahren. Wir haben ähnliches gegenüber Bayern schon mehrfach erlebt. Selbst wenn sich die Re chsregierung — heute der Militärdiktator Geßler bez» die Reichswehr- generel« — notgedrungener weise zu bestimmten Maßnahmen — z. B. zur allgemeinen Entwaff nung der illegalen Formationen in Bayern — entschlössen, würde dies wiederum uni« dem RLzime Kahr Sand i« die Augen der Republik sein, denn die Boyern haben schon mehrmals gezeigt, wie man solche Entwaffnungsaktionen durchsührt. Außerdem ist, politisch gesehe i, die Existenz der Hillecgarde« eine Existenzfrage der gesamten bayerrchen und gesamten deutschen Reaktion. Der Konflikt dreht sich nur darum, wer die Führung tn der Hand behalten soll, Hi ler oder Kahr—Ruppr echt- WittelSbach. Die Zusammenhänge zwischen Berlia und München werden sofort Nar, wenn man Ken Unter schied betrachtet zwischen dem Verhalten Geßler» gegenüber Sahr und gegenüber der sächsische« Regierung. In Bayern handelt der Reichs- wehrbesehlshaber. General vcn Lossow, im engsten Einvernehmen mit Herrn v. Kahr. Sr trifft über haupt keine Maßnahme, die nicht zugleich eine Maßnahme deS Herrn v. Sahr wäre. Ganz ander» in Sachse«. Hier sträube» sich die vcrlm« Stelle«, ei«e« Zivil kommissar auf »««sch der sächsische« Re- gier««- »uv der sächsische« Arbeiterver- bä»de ei«z«fetzem Hier gibt der Reichs« wehrbefehlshaber v,rord«»»g,« heraus, »Hue sich mit der verfassuugsmäßtge» La«« de-regler»«- t« rm Ei»ver»ehme» zu fetze», da» auch die Zusttmmuug der sächsische« «egieruug bedeute» würde. I« Sachse« habe» die Dele« gierte» der Regierung lediglich die Be fehle der Militärbehörde« z«r Ke»»t- »t» z« »eh«eu. Da» mag jurtstifch eiuwa«dfrri fei». Dauu soll «a« dies« juristisch« Zdeutität auch tu vaye» zu« restl»fen Durchbruch bringe». Politisch verrät aber dieses unterschiedliche Ver hallen der Berliner Stellen xegrnüber Baysr» und Sachsen etwa» ganz anderes. Mit Hilse des velagenmgszustandeS s»ll die veweg»,g»freihett der sazia- llsttsche« «egieruug i« Sachs««, im Interesse der bürgerliche« «eaktiou, ei«- geschr«»kt, wem« «icht gar a«sgeh»be« werde« D e sächsischen Industriellen fleckm sich mit «mem Telegramm hinter den Rei iskanzle, und stellen Sachsen al» einen klastisch«» Staat dar. in dem nur die Mil'tSrgrwalt Ordnung Haffen könne. So ist die Berlin« Loalrtion-r egieruug aus dem besten Wege, im Apgeablick der größten Gefahr für die Republik den schwrrsten politische» Fehl« zu begehen, nämlich die Arbeitermicksen vor d«u Kopf zu floßen, die letzten Eckdeä allein imstande sind, durch die Kraft ihrer