Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 2 D-Dur op.43 Allegretto - Tempo Andante, ma rubato - Vivacissimo - Allegro moderato Durch das Schaffen von Jean Sibelius erlangte die finnische Musik überlokale Bedeutung, und zwar durch Stilkriterien, die als geglückte Vereinigung finnisch nationaler und europäisch-spätromantischer Elemente bezeichnet werden können. Derlei Synthesen finden sich nicht nur bei Sibelius: Grieg und Dvorak haben ähnlich gearbeitet. Darin spiegelt sich das für das 19- Jahrhundert typische erstarkte Na tionalbewußtsein der Volker, die nun ihre Eigenständigkeit auch auf künstlerischem Gebiet unter Beweis stellen wollten und vor allem in der Musik danach trachteten, sich vom Übergewicht deutsch-romanti scher Einflüsse zu befreien. Die Eigenart der Musik von Sibelius ist durch die im Hintergrund wirksame finnische Volksmusik gewährleistet. Sibelius kopiert sie nicht, läßt aber ihre dunkel getönte Harmonik, melancholische Melo dik, ihren abrupten, oft bizarren Stimmungswechsel in seine Sinfonien einfließen. Seit 1900 war Jean Sibelius als Dirigent eigener Kompositionen häufig auf Reisen. Zahlreiche Werke seiner mittleren Schaffensperiode ent standen solcherart wenigstens teilweise im Ausland, so auch die 1901 zum Teil in Italien geschriebene und am 8. März 1902 uraufgeführte zweite Sinfonie. In ihr löst sich Sibelius von den überkommenen Vor bildern und vollzieht den Durchbruch zur eigenen Schaffensindividua lität. Äußerlich sind die Vierzahl der Sätze und deren traditionelle Charaktere beibehalten, doch die innere Organisation bringt Neuerun gen: Anstatt das thematische Material in einer Exposition vorzustellen, dann in einem Durchführungsteil zu zerlegen und zu "verarbeiten” und in einer Reprise wieder zum Ganzen zusammenzubauen, kehrt Sibelius diesen Prozeß um, indem er in der Exposition Themenbruch stücke vorstellt, sie erst in der Durchführung in ihrer vollen Gestalt erscheinen läßt, und in der Reprise wieder den aufgelösten Anfangs zustand herstellt. Auch das gewohnte Prinzip zweier beherrschender