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Auch der zweite Satz zeigt feingliedrige thematische Arbeit. Er wirkt bezaubernd schlicht und stimmungsvoll zugleich. Die graziös gleitende, volksliedhaft einfache, punktierte Melodie, mit der die 1. Violinen den Satz eröffnen, stellt die melodische Substanz des Ganzen dar. Das Thema wird zunächst von den Streichern ausgesponnen, schließlich in reizvollem Miteinander und im Wechsel von Streichern und Bläsern fortgeführt. In der Durchführung unterbricht ein neu auftretendes, sich trotzig aufreckendes Thema, das auch in der Reprise noch einmal erscheint, das liebliche Bild. Das berühmte Menuett mit seinem kraftvoll dahinschreitenden Vordersatz und dem sanft wiegenden Nachsatz umschließt ein idyllisches, humorvolles Trio, in dem die Klarinetten die Führung haben. Die 1. Klarinette intoniert ein gemütliches Ländlerthema und wird von der 2. Klarinette in »dudelnder« Achtelbewegung begleitet. Im Mittelteil des Trios lösen 1. und 2. Violinen die Bläser ab. Das Finale ist von haydnischem Geiste inspiriert. Ausgelassener Humor und sprühende Laune herrschen in dem hurtig mit seiner wirbelnden Sechzehntelbewegung dahineilenden Stück. Piano intonieren die 1. Violinen das muntere Thema, lediglich die 2. Violinen begleiten, und zwar mit einer in Sechzehntel aufgelösten zweiten Stimme. Das Thema wird dann sogleich vom vollen Orchester aufgegriffen und in stürmischer Bewegung weitergeführt. Im ferneren Verlauf findet sich auch hier lockere, geistvolle Arbeit mit dem thematischen Material. Es wird zergliedert, immer neu instrumentiert, mit witzigen Pointen versehen. Ein kecker Streich ist der Beginn der Durchführung: kräftig auftrumpfend erklingt in den Streichern das Kopfmotiv des Themas — dann gespannte Stille (Generalpause). Plötzlich setzt das ausgelassene - übermütige Spiel von neuem ein. Es erscheint durch vielfältige Modulationen in immer neuer Beleuchtung und wird über Reprise und Coda zum wirbelnden Schluß geführt. A. Bruckner Sinfonie Nr. 7 E-Dur Die 7. Sinfonie entstand zwischen September 1881 und September 1883. Vom ersten Thema des ersten Satzes, einem grandiosen musikalischen Gedanken, wie ihn selbst Bruckner selten zu finden wußte, erzählte der Komponist: Dieses Thema ist gar nicht von mir. Eines Nachts erschien mir Dorn (es war dies ein Freund aus der Linzer Zeit) und diktierte mir das Thema, das ich sogleich aufschrieb: »Paß auf, mit dem wirst du dein Glück machen!« Wie dem auch sei, »all Dichtkunst und Poeterei ist nichts als Wahrtraumdeuterei!« (»Die Meistersinger von Nürnberg«). Ist es Zufall, daß das Gesangsthema, namentlich, wenn es in den 1. Violinen auftaucht, die ohne Wagner nicht denkbare freizügige Chromatik anwendet und dann zu »meistersingerischer« Kontrapunktik führt? Das dritte Thema scheint mit seinem fast tänzerischen Gebaren die Feierlichkeit der beiden ersten aufheben zu wollen. In der Reprise gilt es ohnehin nur als zierliche Arabeske zu dem alles beherrschenden, zum Schluß klangprächtig gesteigerten Hauptthema. Der zweite Satz wurde drei Wochen vor Wagners Tod entworfen. Bruckner sagte von ihm in einem Brief an Felix Mottl: »Einmal kam ich nach Hause und war sehr traurig; ich dachte mir, lange kann der Meister unmöglich mehr leben, da fiel mir das cis-Moll-Adagio ein.« So echt brucknerisch dieses Thema ist (es ist geradezu eine musikalische Visitenkarte des Meisters), so ist doch auch die Beziehung zu Wagner gegeben. Bruckner verwendet hier zu Beginn zum erstenmal die Wagnerschen Tuben (tiefes Blechblasinstrument, das Wagner für den »Ring« fördert und das nach seinen Angaben gebaut wurde) mit ihrem feierlich-dunklen Klang. Künden sie von Tod und Bitternis, so sprechen die mit dem zweiten Teil des Themas einsetzenden Streicher Trost und Hoffnung aus. Der Stachel ist dem Tod genommen. Hier hört die »Deutung« auf, denn Bruckner zitiert sich selbst. Die Streicherstelle entstammt dem gleichzeitig entstandenen Tc Dcum: »Non confundar in aeternum« (»Nicht werde ich zuschanden werden in Ewigkeit«), Von diesem Geist des Glaubensvoll-Trostreichen ist der