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Sächsische Staatszeitung : 31.07.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192307311
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19230731
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19230731
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-07
- Tag 1923-07-31
-
Monat
1923-07
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 31.07.1923
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jchaf» vertraten »ar«», auch von »«iterrn ba^ir- ltchen »reis«» ve»Urle» werden »»d daß sie, ave« in allen» -enomme«, henk ein« A»»reh«ung Habens die immerhin vor n«»en Krieg»«usb»achen mitenischeidend sein kann. Allzu unbarmherzig sind die EtaaMenker, die de» Untertanen der vorkriegtzeit al» Heilige er. schienen, entlarvt, demarkiert worden. Miß trauen ist wieder demolratische Tugend ge worden. Und demokratische Selbstbestimmung ist ein gute» Fundament des Frieden». DaS wird die Verwirrung der Geister in der Nachkriegszeit überdauern. Aus diesem Fundament wird da« Ethos der Zukunst erstehen: daß da« Wesen der Menschheit nicht im Egoismus, sondern im Altruismus, nicht in der Vernichtung des Mit menschen, sondern in gegenseitiger Hilse liegt. Nur gegenseitige, wenn auch noch un vollkommene Hilse führte die Menschen aus ihre heutige Kulturhöh«. In geschichtlichen Intervallen sanken sie um Generationen zurück und wurden untereinander zu Barbaren. Der Kultur- mensch aber will Mensch sein. Nicht von In stinkten getrieben, sondern selbstbewußt und srei will er, rin Freier unter Gleichen, Herrscher der Welt sein! Heute sitzt in erster Linie das ossizirlleFrank- re ich das militaristische Spiel sort. AberKriex»- gesahren und KriegSschwärmer gibt eS überall! Die Ohnmacht, einen neuen Krieg zu beginnen, ist für deutsche KriegShNven kein Verdienst. DaS beweist allen ernsten Friedens- freunden, wie vieles ihnen noch zu tun bleibt! Die FnedeMundgebnng in Berlin. Berlin, 3V. Juli. Ter „Vorwärts" berichtet: Unter riesenhafter Beteiligung sanden am Sonntag die vom AltionSauSschuß „Rie wieder Krieg" einbeiufenen Kundgebungen statt. Während sie in den Vorjahren unter freiem Himmel im Lustgarten veranstaltet werden konnten, mußten sie gestern in geschlossenen Räumen statlsinden. Die Versammlungsräume, Kliems Festsäle in der Hasenheide, das GewerkschaftShauS am Engelufer, die Alhambra am Moritzplatz nnd die Bötzow- brauerei waren über füllt. ES ist außerordent- lich bedauerlich, daß der berühmte Physiker der Pariser Sorbonne, Prof. Langevain, der als Pazifist und schroffer Gegner des nationalen Blocks bekannt ist, durch ein Verbot des Polizei» Präsidenten am Reden gehindert war. Der Polizeipräsident glaubte, diese» Verbot, das die re publikanische und sriedenrfreundliche Bevölkeruag in keinem Falle begreifen kann, erlassen zu müssen, west, wie es in der Begründung des Redeverbotes heißt, „gewisse Kreise der Berliner vevStleruug Vie srauj-sische« Herren mit Gewalt am Reden zu hindern beabsichtigten." Um so größer war der Beifall, als Professor Langevain in Begleitung von Pro'essor Albert Einstein sich bei den Friedenskundgebungen zeigte. Schon dieser Beifall bewies, daß die Republikaner und Frie densfreunde in so überaus großer und achtung» gebietender Mehrzahl waren, daß deutschuatio- «alrn Störenfriede» die Lust zu irgendwelchen Gewalttaten sehr energisch ansgetrieben worden wäre. LangrvainS Rede wurde in deuischer Übersetzung von den Versamm lungsleitern verlesen. Er führte darin aus, daß die große Mehrheit des französischen Volkes dringend die Abkehr rom Imperialismus und Militarismus verlange^ daß sie eine ehrliche Verständigung mit Deutschl andimRah- men d«s Völkerbund««, d«m L«utchlant alstzol» beitretnrsolle, fordere. Ein« eng« geistig« und wirtschaftlich« SolidaritLtzwilche»de» Völkern Frankreichs und Deutschlands el di« Beroedingung kör den Frieden Europa». Di« fran öflsche» Pazifisten übernähmen dre Ver pflichtung, für die Verdrängung der Ge- valtpolittk mit allen Kräften zu wirken. Diese Rede erwecke überall die begeisterte Zustimmung der Anwesenden. Prof. Einstein führt« unter allgemeinem Beifall etwa folgendes auS: Ich habe, wie S!e wissen, dem Völkerbund au- Arger über kein Verhalten den Rücken ge kehrt, doch glaube ich heute, daß bas nicht richtig Ter Antifaschistentag der Kommunisten, den ein Teil der Presse als den Auftakt einer neuen Revolution, als den Ausbruch des Bürgerkrieges hingestevt hatte, ist überall ruhig verlaufen. Sowohl dort, wo die Umzüge und Versamm lungen unter freiem Himmel verboten worden waren, was in Preußen und verschiedenen an deren Bundesstaaten geschah, als auch dort, wo diese Veranstaltungen ungehindert stattfinden konnten, wie in Sachsen und Thüringen. Die nüchterne, ruhige Beurteilung der Sach- läge durch die Regierungen dieser beiden Länder, ihre Ablehnung von Verboten hat also recht behalten. Jene Kreise, die wieder einmal auf das Einsetzen der Reichsexe- kutive gegen die sozialistischen Regierungen Sachsens und Thüringens hofften aus Anlaß von Unruhen, die sie sür den 2d. Juli erwarte- ten, sind abermals enttäuscht worden. Die Berichte aus Sachsen zeigen nebenbei, daß die Beteiligung an den kommunistischen De- monstrationen nicht gerade stark gewesen ist. Das ist eine Mahnung sür die Kommunisten. Sie haben sehen müssen, daß die große Mehr zahl der Arbeiter ihrer Parole nicht ohne wei teres Folge leistet, sondern im Lager der Sozial demokratie steht und sich an ihre Weisungen hält. Die kommunistischen Bäume wachsen also selbst in dieser ernsten Zeit, da die wirtschaftliche Not einen fruchtbaren Untergrund für eine radikale Agitation b.ldet, nicht in den Himmel. Die Kommunisten müssen erkennen, daß sie auf sich allein gestellt, Entscheidendes nicht zu tun vermögen, daß sie Gefahr laufen, den Teil der Arbeiterschaft, der ihnen anhängt, in schwere zerschmetternde Niederlage^ zu stürzen, wenn sie eine extreme Taktik im Gegensatz zur Mehrheit der Arbeiterschaft einschlagen. Der Antifaschistentag mag so sürdas Bürger- tum, Ivie für die Kommunisten nützliche Lehren erbracht haben. In den letzten Tagen ist übrigens die Tätig keit gewisser Tartarennachrichten-Fabrikanten, die Sachsen als ein Land hinstellen möchten, in dem alles drunter und drüber geht, wieder besonders eifrig gewesen. Sie hat bcmerkenswertcrweise selbst an einigen amtlichen Stellen außerhalb Sachsens Glauben gefunden. So wurde am Sonntag von einer amt lichen Stelle der Provinz Sachsen bei der Sächsischen Regierung angesragt, ob daS Gerücht zutresse, daß sich Leipzig in der Hand der Kommunisten befände. Es solle von dort Geschütz, nnd Maschinengewehrseuer zu hören sein und die Sisenbahnzüge sollten nur noch bis Eorbetha Verkehren! Untern» 28. Juli wurde an die Sächsische Regierung das folgende Telegramm gerichtet: war, dm» d«r Völkerbund »nag »och so schlecht sein in de«, wa» «r getan hat. «r ist jedoch u». geheuer wertvoll im Hinblick auf die Möglich- ketten, di« er «och in sich birgt. Unter den heutig«» Umständen ist er da-einzige Organ, da- gestaltet, zwi schen de» Rationen Vezlehungen herznstellen. Et ist deshalb außerordentlich wichtig, mit ganzer Kraft dafür einzulreten, daß Deutschland dieses Jahr nicht vorübergehen läßt, ohne seinen Beitritt zum Völkerbund zu vollziehen. Ter Weg über dl« Verhandlungen des Völkerbundes ist der einzig«, d.-r ,« ermöglich», in der Zeit, die uns noch bleibt, dem völligen Ruin zu entgehen. Berlin, 28. Juli. AuS Zwickau wird be- richtet, daß streikende Arbeiter usw. Konditoreien und Kaffees zwingen zu schließe». Bitte für Herstellung verfassungsmäßiger Zustände zu sorge» nnd um Nachricht über Vorgänge und veranlaßtes. Reichtzinnenminister Leser. Das Antworttelegramm, das an» 29. Juli ab ging, lautete: Reichsinnenminister Oeser, Bertin. Don nerstag, 26. Juli haben in Zwickau kleinere Trupps Jugendlicher versucht, einzelne G> schästsinhaber zum Schließen za veranlassen, teilweise mit Erfolg. Polizei hat binnen kurzem ordnungsmäßige Zustände wieder hergestellt. Vorgänge waren so unbedeutend, daß nicht einmal die Tagespresse von ihnen Notiz genommen hat. Sächsisches Innen ministerium. Liebmann. Es wäre interessant zu wissen, wer der Gewährsmann des Reich-tnnenmini. sterS in diesem Falle gewesen ist. In Dresden ist übrigen- am 29. Juli eine ganze Anzahl von Verhaftungen vorgenommen worden. Aber es sind nicht Kommunisten gewesen, gegen die die Porjzei vorgehen mußte, sonder» es war der sogenannte Bürgerliche Ordnungsdienst, der bei der Feier des bOjährigen Jubiläums des Militärvereinsbundes im AusstellungS, gelände ausmarschiert war. Tie Polizei hatte Anlaß, anzunehmen, daß dieser Bürger liche Ordnungsdienst bewaffnet sei, sich also nach 8127 St G.B. (Bildung e.nes bewaffneten Hausens) strafbar machte. Deshalb schritt die Polizei ein und nahm die Mitglieder des Ordnungsdienstes fest. 83 Mann, darunter der Leiter, Major Löffler, wurden dem Polizeipräsidium zu- gesührt. Es ergab sich, daß der größte Teil der Mitglieder bewaffnet war und zwar bestand die Bewaffnung aus Gummischlägern, Revolvern, scharf geschlissenen Dolchen, Hämmern, Stahl schlägern, Seitengewehren usw. Die Erörterungen ergaben auch, daß die Fcstgenommenen fast alle dem Jungdeutschen Orden, dem Jungsturm und der Peruaner - Auswanderergemeinschast an- gehörten. Es stellte sich weiter heraus, daß die Angabe des Militärvereins- buudes, erhübe Wegendes Antifa schisten- tages Bedrohungen durch die Kommu nisten befürchtet, und deshalb den vom Ordnungsdienst angebotenen Schutz an- genommen, falsch war« Es ist vielmehr schon im April General Maercker vom Militärvereinsbund beauftragt worden, den Ordnungsdienst mit Major Löffler zu regeln, Ein ruhiger Tag. Merkwürdige Anfrage» an die sächsische Regierung. Der «isglückte Fluchtversuch Dechows. Z»chiha»Sflrafe« gc-e« die Later. «erki», 31. Juli. Tie geplante Selbstbefreiunz des Rathenau Mörders Ernst Werner Techow aus d:n Zuchthaus Sonnenburg hatte ein gericht ltchrS Nachspiel vor der Strafkammer in Frank fort a. O. Bald nach seiner Einlieferung i» Sonnenburg trat Techow mit dem ebenfalls in Strafhaft befindliche» Zuchthau-gesangenen Zachauer durch Vermittlung eines Werkmeisters Hartmann in Verbindung. Zachauer und Techon gelang rS, auch mündlich miteinander Fühlung zu bekommen. Zuerst wollte man die Flucht auf die Weise in; Werl setzen, daß Hartmann Techow in einen» Bündel hinaustragen sockle. Da dieser Plan aber unsinnig erschien, verfiel man auf di: Idee, daß Hartmann Uniformen von Anflalls- beamten beschaffen und den Gesangenen heraus- lassen sollte. Die Anstaltsleitung, die auf beson- derr Anweisung des Oberreichsanwalts Techow scharf beobachtete und infolgedessen wiederholt unvermutete Zellenrevrsionen vor nahm, deckte den Plan auf, so daß er nicht über dar Stadium der AnsangSvorbereilungen hinauSgekommen ist. DaS Unternehm:« hatte aber für die Beteiligten, zu denen auch ein früherer Kamerad Techows, der Bankbeamte Huld, gehörte, schwere Folge», da aus ihre Handlung das Schutz- gesetz Anwendung finden mußte, gemäß dem auf Zuchthausstrafe zu erkenne» ist. Tie Strafkammer verurteilte unter Anwen dung d«S Gesetzes z»m Schutze der Republik Zachauer z» zwei Fahre» Zuchthaus, Werkmeister Hartman» zu eineinhalb Jahr«» Zuchthaus und de» Bautdcamte» Huld zu einem Jahr Zuchthaus. Tanebc» wurde noch auf Geldstrafen von 20« ««« bis 30«««« M. «rkannt. Ter Mitan- gekkagte Hilsswachtmeister Müller wurde mangels ausreichender Beweise für feine Beteiligung an dem Pla« freigesprochen. Ans Bayern. Erstürmung eines (EewerkfchaftshauseS. München, 30. Juli. In Rosenheim war am Sonnabend angeblich ein Bauer von Sozialisten verprügelt worden, woraus gestern Angchörige vaterländischer Ver- bände das Gewrrkschaftshaus stürmten. Ein Kom munist wurde getötet, vier verletzt. Uber den blutigen Zwifchensall tn Rosenheim wird ein: halbamtliche Darstellung verbreitet, wonach einige Chiemgauer auf der Straße von Kommunisten angerempelt und verprügelt worden seien. AIS dann noch das Gerücht entstand, daß ein Chiemgauer im Ge- werkjchaftShauS sestgehalten würve, zogen mehrere Chiemgauer zum Restaurant des Gewerkschafts- Hause». Hier kam es zu einer S chlä g er e i- in deren Verlauf ein Schlaffer einen Schlag auf den Kopf erhielt, dem er in einer Stunde er- lag. Der Vorgang spielte sich so rasch ab, daß die Polizei nicht sofort zur Stelle sein konnte. Kurz darauf wurde das Gewerkschastshaus und die Straße mührlo? geräumt. Schädlicher bürgerlicher Selbstschutz. Berlin, 30. Juli. Für die Vorfälle in Neurupp n ist es seh« bezeichnend, daß zunäch st am Freitag ein Lebensmittelgeschäft von einer kteinen Anzahl Radikaler geplündert wurde. Erst als Ter Krieg ist in Wahrheit eine Kra»khcit, wo die Säfte, di« zur Gesundung und Erhaltung die»en, nur verwendet werden, um ci» Fremdes, der Natur NngkmäßeS, z« nähren." Goethe. * Man hat sich oft gefragt, was auS de« während deS Krieges verschwundenen Geldern geworden ist. Darauf muß man antworten, daß sie sich in den Geldschränken von zwct oder drei Privatpersonen beslnden, die an dem allgemeinen Unglück profitiert habe«. Vo taire. Weltkrieg-Passion. lZum 31. Juli.) Von Hermann Schützinger. Lie lärmende Gegenwart geht mit hastigem Schritt über die Geburtsstunde des Weltkrieg- Hinweg. Drei Jahre lang haben wir den SriegSauSbruchtag durch mächtige „Rie wieder Krieg!"-Kundgebungen geehrt. Wir wollen eS dem Ausland zu wissen tun: Die Parole hat gezündet in den Massen der deutschen Arbeiter und Bauernschaft, ja selbst in einem großen Teil deS Bürgertums. Sie war Herzenssache eines jeden Republikaners, ob Zentrumsmann, Demo krat oder Sozialist! Nie hab ich die Augen von Demonstranten so leuchten sehen wie auf der „Rie wieder Krieg!"-Feier 1920 am Königs- platz in München, wo die Propyläen leuchteten und im FarbendreMang de- schtvarz-rot-goldenen Deutschland widerhallten vom Massenchor der Arbeitersänger, die ihre gefallenen Kameraden ehrten. ES war eine Handvoll Menschen, die all jährlich den Ruf zur „Rie wieder Krieg!"-Feier in Deutschland weiter gaben und die Träger der Feier bildeten: WeltkriegSsoldaten, jung und heiß- blütig, voller Abscheu am vierjährige« Mord. Der Alltag, die Sorge d«r Parteien um die DemonstrationSkrast ihrer Mitglieder, di« Rot der Gegenwart, die Unmöglichkeit, jetzt noch durch Plakate und Inserate die Mafien auf di« Bein« zu bringen, da- vergeblich« Ringe« de- »«««» Deutschland um eine Verständigung mit dem siegreichen Frankreich — all das hat uns mürbe gemacht und zwingt uns, den Tag der Welt krieg-Passion still und. heimlich, aber doch mit aller Glut und Hingabe zu begehen. Gehen wir zurück — zum 31. Juli 1914: Julischwüle lag über dem Truppenübungs platz Grafenwöhr. Wir saßen allabendlich im Kasino-Garten, die heißen Köpfe gebeugt über die Zeitungen, die vom Mord in Serajewo, vom österreichifchen Ultimatum an Serbien, von deutschen, englischen und russischen Noten er. zählten. Wir sahen das Gespenst sich erheben über den dürren Fichtengruppen des sandigen Übungsplatzes und den gelben Kuppen mit den sich schwarz am Horizont abhebenden Ziekörben der Batterien. Und Loch glaubten wir im Ernst nicht daran. ES ist eine üble Lüge, das deutsche Offizierskorps wäre heulend vor Kriegsdurst in Len Feldzug gestürzt, um feinem blutigen Handwerk Erfüllung zu bringen, über uns allen lastete seit Monaten und Jahren der unerhörte Druck der gkwaltigfleu Militärmaschine, di« jemals ein Volk beherrscht hat, die aus dem schlecht besoldeten, oft recht schlecht behandelten TruppenoffizierSkorpS der Provinz-Jnfanterie herauspumpte, was heraus- ging, welche die Massen zu militärisch höchst ge- schulten Kampsformationen zusammenschweißte zu höchster kriegerischer Krast und zu höchster Enteignung de» eigenen Menschentun»». Wir, die wir die Waffcnwirkung der Infanterie- und Maschinengewehrgarbei» von ten Schießplätzen her kannten, wir wußten alle ganz genau, was unserer wartete, wenn wir nicht mehr mit Platz- Patronen, sondern mit scharfer Munition aus einander schossen. Und so erbleichte manche» Gesicht, wie der Krieg in seiner nackten Wirklich- keit uns am Kragen nahm. Nur die Allerjüngflen flüchteten zu Bier und Wein in den Kasinogarten, um ihn mit nächtlichem KriegSgebrüll zu erfüllen; di« meisten schrieben Briefe an Fra« und Kind, an Ulten» «ad Geschwister« Ta kam der letzte Ubungstag. — Tic Brigade lag entfaltet im Gefecht am Kiefernhang des GrünhundweiherS; die Maschinengewehre takten und das Gewehrfeuer rcllte gellend zu Tal — da kam der große Moment — der Befehl, überbracht vom Brigade-Adjutanten: „Gefecht abbrechen — Zustand der erhöhten Kriegsge fahr — Abrücken zur Mobilmachung in die Gar- nisionen!" Und dann packte unS der große Fieberrausch jener Juliwoche mit seiner Hast, seinem Drängen, seinem Stoßen und innerlichen Würgen — die wenigen Tage, verbracht in der Gluthitze der Kassernenhöfe und Kammern, die Nächte im schwülen Zimmer, halb durchwacht unter dem Druck des gewaltigen Geschehens. Frühmorgens rückten wir zur Bahn; die Sonne ging eben auf. Wenige Menschen gaben uns das Geleite. Die Tonaustadt Regensburg hatte sich in den voraufgegangenen Tagen schon heiser geschrien. Wie Mauen» stehen die Leiber der Kompaniekolonnen auf dem Bahnhosplatz, als der Oberst vor die Front tritt und mit zittern der Stimme seine Ansprache endet: „Wir wollen, wenn's sein muß, sterben fürs Vaterland." Da rinnt ein Zittern durch die Körper: „Sterben!" Und der Ernst der Stunde leuch tet auS unsern Gesichtern. Und dann rollt lang- sam und schwerfällig der Transportzug die Donau hinauf. Jeder von uns ist mit sich beschäftigt, die Augen nach innen gekehrt. Augsburg naht! Feierliche Stille ruht über den einsörmig stamp fenden Wagen. Da — ein wildes Schreien — Menschen sind's — Brüder — Schwestern. Ihr Schreie« verstärkt sich zum Sturm, der den ein- sahrenden Zug umtost. Was wollen sie? Sie gebärden sich wie besessen! Wir springen auf, angefleckt von dem tosenden Schwall — die Arme heben sich, die Kehlen weiten sich. „War wollen sie?" kämpft's ii» mir. Und ein Gedanke preßt mich in die Ecke des WagevS: „Eie bejohlen die zur Schlachtbank gefahren«» Menschen. U»d Wir? morituri t» «»lutantk Heimat, es grüßen dich, die fa« dich »erdenk' Tie Kehlen werden heiser — in nächtlicher Stille geht's über den Rhein — und Lcr Mond spiegelt die Wagen, gefüllt mit Menschen, im Wasser wider. Von Schlettstadt aus wälzt sich die Kolonne des Regiments hinauf in die Berge, hinauf zur großen Passion. — Die ersten Toten liegen am Weg und gloßen uns an wie Fremd linge aus einer andern Welt. Die Bergstraßen herab rollen die Autos mit blutenden Körpern zu Krüppel geschossener Kameraden. — Die große Passion öffnet ihre grauen Flügeltore und nimmt uns aus — zum Leiden und zum Sterben, wie unser graubärtiger, biederer Oberst gesagt. Und jetzt? Am 21. Juli 1923? Tas alte Deutschland ist tot. Der Krieg, der fürchterliche Schlächtergeselle aber lebt noch und wetzt seine B:ile mitten unter uns, am Rhein, an der Ruhr: er vertauscht sei»» Gewand, wie es ihm paßt: heute mordet er hungrige Kinder und Greise, morgen steht er vielleicht mitten unter uns als Fackelträger des „bellum eivile", des Bürgerkrieg». Gewalt muß ewig Gewalt erzeugen. Wir Jungen, wir Soldaten des Weltkriegs aber sind Männer geworden und Bürger des neuen Deutschland! Haben wir dem Mordgesellen, dem Krieg, sein Handwerk gelegt? Haben wir wirklich unser eigenes Schicksal, die Entscheidung über Krieg und Frieden in unserer Hand? Nur wenige wissen es, wie furchtbar nahe wir vor wenigen Monaten einem neuen Krieg gegen» überstanden, al» einige wenige Narren darangingen, deutsches Bint für eine von vornherein verlorene Sach: zu vergießen! Darum soll uns der Lag des Schreckens, der Lag des Beginn» der größten MenschheitStragödie ein warnendes Fanal sei«! D:r Weg in Deutschland» Zukunft darf un» nicht wieder zurückführen auf die Schlachtfelder der rohen Gewalt, wo die Fahnen d«L alten Deutsch land im Feuer de» WellbrcmdeS wie Zunder erloschen! Laßt un» die Weltkrieg-Passion feiern mit dem Gelöbnis, di« steinigen und rauhen Pfad« de» »un «i»« Weltgeltung ganz avderer Art ringenden neuen Deutschland »u «d»!
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