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SächsischeSlaalszeilUU den Zreiftaat Sachsen Staatsan^eiger für Ers^pt Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Erscheinung-tage». ^t-ug»pr«i»: Monatlich 6000 Mark. Einjtlne Nummern L50 Marl. Fernsprecher: Geschäft-steile Nr. 212S5 — Gchriftleitung Nr. 14L74. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Berwaltung der Staatsschulden und der Lande»kulturrent«nbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Lande»-BrandversicherungSan stakt, BerkaufSliste von Hol-Pslanzen auf den StaatSsorstrevieren. Verantwortlich für di« Redaktion: Hauptschr ftleiter Bernhard Jolle» in Dresden Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum im Ankündigung»- teile 500 M., die 66 mm breite Gmndzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 1000 M-, unter Eingesandt 1500 M. Ermäßigung auf Familien- u. GeschäftSanzeigen. Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Rr.134> Dienstag, tL Juni , ,1923 Kopfzerbrechen in London. Verständigung — trotz alledem! L»r Gedankenaustausch zwischen Pari» und London nimmt langsam konkretere Formen an. Im Mittelpunkt der Erörterung st«ht immer noch Lie Frage de» passiv.« Widerstande», aus den Deutschland verachten soll, bevor die Reparation-Ver handlungen beginnen. Entweder kommt e» nun zwi schen Belgien Frankreich und London zu einem Kom- promiß, da» darin besteht, daß die Regierungen dieser Länder Deutschland aufsordern, zu einem Rasfenstillstand die Hand zu bietech und dem dann eine Konferenz, unter Beteiligung der deutschen Regierung, über da» Reparatioo»pro- blem folgen soll, oder aber Frankreich und Belgien erlauben sich erneut die Absendung einer Kollektivnote, in der Deutschland ultimativ aus gefordert wird, auf den Widerstand an der Ruhr zu verzichten. Die Mordtaten in Dortmund haben zweifello» die französische Stellung ge stärkt und die de» englischen Kabinett- geschwächt. Aber e» ist ein Trugschluß sondergleichen, wenn die französische Regierung jetzt versucht, unter Hinwei» auf die Verbrechen die Notwendigkeit de» Verzichts auf den pa sivcn Widerstand zu be weisen. Kein Mord, der nachweisbar von deut scher Seile im Ruhrgebiet erfolgt ist, hat m t dem passiv:« Widerstand auch nur da» Geringste zu tun. Seit Anbeginn der Abwehr haben die Träger dies:» Kampfes unter passiver Resistenz verstanden, dem Gewaltakt der französischen und belgischen Truppen mit geistigen Mitteln zu begegn:» und Erfolge durch die Verweigerung der Arbeitsleistung unmöglich zu machen. Die allgemeine Verurteilung der feigen Mordtaten in Dortmund und die Festsetzung einer hohen Prämie für die Ermittlung der Täter sollte zur Genüge beweisen, daß die Mehrheit deS deutschen Volkes, vor allem aber di: deutsche Arbeiterschaft, die den passiven Widerstand an der Ruhr in erster Linie führt, mit den Verbrechen nichts ge- niein hat. Die Tat ist geschehen. Tie Täter sind lur Verantwortung zu ziehen, und e» ist Pflicht der deutschen Gerichte, alle» zu tun, um ihrer habhaft zu werden. Mit gegenseitigen Vorwürfen aber wird weder diesen Bestrebungen gedient, noch kommen wir der angeblich auch von Frankreich gewünschten Verständigung näher. Ebenso sind di« ohne Vernunft erfolgten Prestigehandlungen gegen die Dortmunder Bevölkerung, die Ermor dung weiterer fünf deutscher Ctaat-bürger und die Inhaftierung maßgebender Persönlichkriten, die den Attentaten sicherlich fernstehen, nicht dazu angetan, den Geist der Rache zu töten. Da» Beispiel de» Umsturz«» in Bulgarien, da» wir gerade in diesen Tagen erlebe» mußten, sollte der französisch«« Regierung zur Genüge zeigen, daß Druck Gegendruck, nicht aber Unterwerfung ohne »»itereS Hervorrust. Die deutsch« Arbeiterschaft sehnt weder die Folgen eine» Gegendrucks herbei, dessen Gefahren sie erkennt, noch aber eine Unter werfung, und gerade deshalb bemüht sie sich ehr lich, einen Aulweg au» der kritischen außen- pol tischen Situation zu finden. Wie soll Deutschland jetzt, da neue Kompro- misse auf Kosten unseres Bolle» erwartet werden, vielleicht aph neue Ultimaten in Vorbereitung sitld, handeln? Sollen wir uns der Forderung auf Verzicht de» passiv:« Widerstande- gegenüber grundsätzlich ablehnend verhalten oder bestrebt sei^ eine Kompromißlösung zu ermöglichen? Nach Ler Auffassung der Teutschnatio- nalen ist di« Anbahnung einer Verständi gung Landesverrat. Trotz unserer traurigen wirtschaftlichen Situation verlangkn si: von der Regierung, daß der passive Widerstand fort- gesetzt wird, bi» die Räumung der über den Vertrag von Bersaille» hinaus besetzte» Gebiete und die Wiederherstellung v:rtrag»inSßig«r Zu stände in den Rheinlanden erreicht ist. Welcher deutsche Staatsbürger würde das nicht wünschen, wenn e» möglich wäre? Aber betrachten wir die gegenseitigen Machtverhältnisje, die allgemeinen Zustande im besetzte« und im unbesetzten Gebiet, dann muß Klarheit darüber entstehen, daß die Politik der Deutschnationalen nicht» andere» er- I strebt als die Katastrophe, von der sie ihren ^endgültigen Wiederaufstieg in Deutschland er warten. Rrin! Wollen wir nicht die Kapitula tion, dann muß die ablehnende Haltung gegen über der Forderung auf Verzicht de» passiven Widerstandet ausgegeben werden. Dem Abbau aus der einen Seite müssen ab«r natürlich auch Zugeständnisse auf der anderen Seite folgen l Die freien Gewerkschaften, al» eigentliche Träger der Abwehr gegen die Gewaltpolitik an der Ruhr, haben bisher zu drr französischen For derung noch nicht Stellung genommen. ES ist jedoch zu erwarten, daß sie sich schon in den allernächsten Tagen damit beschäftigen. Die maßgebenden Gewerlschaft-instanzen sind über die allgemeine Lage im Ruhrgebiet unterrichte», und wir erwarten, daß sie gerade deshalb zu einer Entscheidung kommen, die den staattpolitischen Notwendigkeiten de» Augenblick» entspricht. Heute spricht Curzon. London, 11. Juni. Im Unterhaus« erklärte Baldwin aus eine Anfrage, er sei nicht in der Lage, zu der ReparationSfrage mehr zu sagen, als daß diese Frage die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nehme, über die Lage im Ruhrgebiet könne er im Augenblick keine Erklärung abgeben. Der Premier minister erklärte weiter, Lord Robert L-cil werde Grcßbritannien im VölkerbundSrate ebenso wie früher Balfour vertreten. Weiter erklärte Bald win, er sei nicht in der Lage, irgendeine Er- klärung über die deutsche Note abzugeben. Für heut« abend 6 Uhr ist eine Sitzung de» britischen Kabinett- im Unterhaus: zur Erwägung des deutschen Memoran dum- anberaumt worden. Den Blättern zufolge erörterte Lord Curzon heut« die deutsche Note mit Sachverständigen und empfing den britischen Botschafter in Berlin Lord d'Abernon und außerdem den französi schen Botschafter Grafen St. Aulair e, der ihm eine Mitteilung PoincarS» überreichte und zwei Stunden n it Eurzon beriet. Dieser erwartet noch Mitteilungen der italienischen und der bel gischen Regierung, so daß dem britischen Kabinett in derheulkgenAbendsitzungdie Ansichten allerAlliierten vorliegen würden. Während de- Wochenende» hatte» sehr wichtige Erörterungen zwischen Balsour, Curzon, Cecil und anderen Ministern stattgefunden. Man meldet als wahrscheinlich, daß LordCurzon morgen im Oberhanse auf die Anfrage Lord Birk.nheard» über dieStellung der Regie rung zudemneuendeutschenAngebot ant worten wrd. Die öffentlichen Kreise bewahren strenge» Stillschweigen, sodaß die Äußerungen der Presse mit Vorbehalt aufzunehmen sind. Die „Pall Mall Gazette* nimmt an, daß die Unterredung Lord Curzon- mit dem Grasen St. Aulaire in erster Linie der Haltung Frank reich- zur Ruhrbesetzung gegolten habe. „Eve- ning Standard" meint, e» sei unwahr scheinlich, daß Frankreich und Belgien selbständig das deutsche Memorandum zurückweisen würden. Ebenso meint der „Star", man könne hoffen, daß Frankreich gegenwärtig bereit sei, etwa» «ernunft an- zunrhmen. Die Unterhaltung sei jetzt auf dem kritischen Punkt angelangt, der e» den Fran zosen schwer mache, eine Unter redung über die deutsche Rote ab- zukehnen, falls si: nicht zugestehen wollten, daß e» ihnen nicht auf Reparationen, sondern aus die Zerstörung Deutschland» ankomme. Deutsch land hab: ihnen Gelegenheit gegeben, sich mit Würbe au- dtm Ruhrgebiet -urückruziehen. Roch „Evening Standard" sei England mit der Einberufung einer internationalen Kommission und mit einer Konferenz mit Deutschland einverstanden. Ebenso sei England zu Opfern in bezug auf seinen Anieil an den deutsch.« Reparationen bereit. Die Schwierigk.it liege nur b:i Frankreich. Zwischen der Englischen und französischen An schauung klaff: «in weiter Riß, »icht nur in bezug auf die Repara'.ion-summe, sondern vor allem in bezug auf den passiven Widerstand. Reuter meldet: Man nimmt an, daß dem heutigen Kabin«tt»rat die französischen Gesichts punkte vorliegen werden. Gut unterrichtete Kreise sind der Ansicht, daß Poincarö verlange, die Alliierten, einschließlich England, sollten un verzüglich eine Note an die deutsche Regierung richten, in der die Aufgabe de» passiven Widerstandes gefordert wird. Poincar» hält die» für die notwendigste Vorbedin gung für jede gemeinsame Diskussion der Alliierten über die ReparationSfrage. England dagegen ist der Ansicht, daß eine Unterredung der Alliierten über die Reparationen vor der Vornahme einer derartigen Schrittes stattfinden müsse. HavaS über beu Ltandpuutt des englischen Kabinetts. Pari», 12. Juni. Hava» meldet über denSta«dp«»kt»e» englischen Kabinett», wie er sich a«s dem abgehaltene« Kabinetts rate ergebe« habe, daß die britische Regie,n«g es für möglich halte, die Einstellung Le» dentsche« passiven Widerstande» al» Bedingung für Verhandlungen z» »erlangen. Sie wünsche, jede» Bruch zu ver meiden. Aber es könne«, «ach ihrer Ansicht interalliierte Berhandlnngen auf der Grundlage de» deutschen Memorandum» stattfinden. Jedoch neige da» englische Kabinett dazu, die darin enthaltenen Ziffern abzuändern und zu versuchen, von Deutschland die Annahme der Ziffern de» Plane» Vonar Law zu erreichen. Wenn Frankreich seine« Standpunkt anfrechtcrhalte, so schlage England vor, auf einer Konferenz alliierter Sachverstän diger die Lage Deutschland» zu untersuchen nnd die Ziffern für die Reparationszahlungen be stimmen zu lajs^,. Fall» auch da »eine Einigung erzielt werden sollte, würde die britische Regie rung die deutsche Regierung zur Ausgate de» passiven Widerstande» zu bewege» suchen. „Petit Journal" schreibt: Jetzt handle r» sich darum, klarzustellen, ob die Entscheidung, die in Brüssel getroffen worden sei, nur die Deutsch«» betreffe oder ob Poincarö und TheuniS darunter auch eine strenge Bedingung für jede Untrrhal- lung unter den Alliierten über die Reparation»- frage verstanden hätten. Wenn die erste dieser Auslegungen richtig sei, würde e» vielleicht noch möglich sein, den Meinungsaustausch mit England fortzusetze« und ein Mittel zu finden, um die Erörterung über den englischen Plan wieder auszunehmen, de« die Beurteilung nach reiflicher Überlegung nicht für so schlecht gehalten habe, wie e- den Anschein hätte. * „Daily b!>ronicle" warnt. London, 11. Juni. „Daily Chronicle" schreibt: Da» deutsche Angebot bietet eine wirkliche G elegenheit, al le Parteien zurEr- örterung zusammenzubringen. Tie Ruhrsrage müsse jedoch au-geschaltet werden, wen« die Franzosen und Engländer in der ReparationSfrage Übereinkommen wollten. Trotz dem hätten die Franzosen Großbritannien ersucht, sich ihrer Forderung anzuschließen, daß die Deutschen den passiven Widerstand im Ruhrgebiet einstellten, bevor die Ver handlungen eröffnet würden. Eng'and sollte so mit die Legalität Hessin zuzeben, war seiner Ansicht nach illegal sei. Wenn aus dieser For- derung bestanden werde, so hätten die Bera tungen keinen Zveck. Weu« Lie Franzosen wirtlich Reparatioae« wollte«, so würde England ihnen helfe», alle» z» bekomme», wa» man von Dentschkand ver- lange« könne, und werde ihne« anch I» der Frage der Schntde« an England entgege«- komme«. »«stehe aber Frankreich daranf, w«s LIvtzL George gestern die Et«s»tz»«g der »acht Eber da, «echt ge»a««t habe, f» könne E«g»a«b «icht weiter mit Frank reich z«sammr»gehr«. England müsse e» ab- lehne«, sich weiterhi« von Frankreich mttschlrppe« z» lasse«, u«d müsse ei«e britische Politik be folge« i» Gemeinschaft mit seine» Frr««be», die bereit feie«, mit E«gla«d i« Ler Sache be» Friebe«» ««d be» Wtedera«fba«e» brr Wett z«- sa«me«»nwirke». * Genüge Aussichte» aus Einigung. Lv»bv» 12. J«nt. A«» A«laß ber gestrige« Berat««- Lorb E«rzo«» mit be« Vvtfchafter» Frank reich», velgie«» nnb Italien» schreibt ber dtplvmattsche Berichterstatter be» „Datltz Telegraph", daß die ««»sichte» a»f da» Zustanbekomme» einer inter alliierten Vereinbarung gering seie«. Der dnrch de« französische» «atfchaster i» Lando» gester» »»terbrettete Sw»vp»»kt Pain eart» hab« all« best«hr»vk» Aussichten ans Ber- söhnu»g b«r britisch«, und französische» »eimmg verschenkt. Ma» sei Iber da» »och «icht »»gewese«« «aß sra«zöfischer N««achgk»higkeit bestürzt grwese«. Der fra«»östfche Botschafter habe «icht ««r die Et-stell««- be» deatsche» passi»«« Wibersta«be» al» Be bt «g»«g für Berha«dl»»gt« selbst ««1er be» Alliierte« vrrla«gt, f»»brr« habe d»vch s«i«e ««dere« Fordenmge« förmlich gezeigt, baß «» kei«e« «««gleich gebe» könne. Die französische «egiernng würbe weiterhin anßer ber Znrückziehnng der be« pas sive« Widerst««» betreffe«de« Verordn»»-«« Deutschlands auch dir Zurückziehung ber Ver fügung fordern, die Beamte «nd andere Per sonen mit Strafen bedroht«, welchr die Fran zose« unterstützt hätte«. Fenrer werde für der» artige Persone« ri«e volle Amnestie ver» langt werde« sowie die Gara«tte für ei«« künftige Znjammenarbeit der dent- schen Behörde« mit der Besatz««- B Unvereinbare Ziele. London, 11. Zunt. Drr Londoner Berichterstatter deS „Manchester Guardian" schreibt, die wirkliche Schwierigkeit sei nach wie vor die französische Politik. Die Re gierung Baldwin» hab: gesunde«, ebenso wie die srüheren britischen Regierungen, daß Frank reich zwei miteinander im Streit befindliche Ziele verfolge, nämlich eine große Entschä digung zu erhalten und Deutschland im Interesse der sra«zösischen Sicherheit zu ver nichten. Die britische Regierung könne schwer einiehen, wie irgend etwa» in Übereinstimmung mit Frankreich getan werden könne, solange dies« Politik de» Quai d'Orsay bleibe. E» feie« vor läufig noch keine Anzeichen vorhanden, daß sie aufgegeben werde. Da» britische Kabinett erwäge daher dir möglichen Alternativ«, in der allge meinen europäischen Politik Großbritannien». * PoinearLs Vorbedingung. London, 11. Juni. Reuter zusolge verlautet, daß knn endgültige, Vorschlag von britischer Seile für eine interalltterte Konferenz eifolgt sei, aber daß e» unter den gegenwärtigen Um ständen nicht vo'kommen überraschend sein würde, wenn ein solcher Borschlcg bild erfolgte. Gut unterrichtete o'sizielle Kreise äußerten sich mit keinem Worte üb:r den Fortschritt der eng lisch-französischen Erörterungen. CS vrrlautet jedoch ron einer gewöhnlich gut unterrichtete» Seite, daß Psink arö dafür eintrete, daß die Alliierten eiu- schließlich Großbritannien» unver- züg'ich eine Rote an die deutsche Re gierung richteten, worin gefordert werd?, daß drr passive Widerstand im Ruhr- gebiet aushöre. Poinca:» sehe diese« Schritt, wie verlobte», ol» em« ro wendige Vor bedingung für die Aufnahme jeder alliierten Er- ' örtrrung in der Reparationtjrag« an, Die Lri-