Johann Sebastian Bach Weihnachtsoratorium Bach schrieb die sechs Kantaten des original als „Oratorium Tempore Nativitatis Christi" bezeichneten Weihnachtsoratoriums im Jahre 1734. In den ersten Leipziger Amtsjahren (ab 1723) waren eine Reihe ge schlossener Kantaten-Jahrgänge ent standen. Anfang der 1730er Jahre hingegen komponierte Bach mehrere weltliche Huldigungsmusiken in glanzvoller Besetzung, die er mit dem Leipziger Collegium Musicum aufführte. Sehr wahrscheinlich plante er bei deren Entstehung schon eine spä tere Wiederverwendung, um ihre musikalische Substanz nicht ganz dem Vergessen anheimfallen zu lassen. Günstige Gelegenheit für die erneute Benutzung der Kantaten bot dabei der etwa zur gleichen Zeit rei fende Plan, Oratorien für die wich tigsten kirchlichen Feste — Weih nachten, Ostern und Himmelfahrt — zu schreiben. In der an Kirchenmusik relativ armen - und damit für Bach ruhigeren — Zeit zwischen dem 1. Ad vent und Weihnachten entstanden 1734 die sechs (jeweils einzeln an den drei Weihnachtsfeiertagen, zu Neujahr, am Sonntag nach Neujahr und zum Epiphaniasfest aufgeführ ten) Kantaten des Bachschen Weih nachtsoratoriums. In der heutzutage üblichen Aufführungspraxis (nach einander Teile I—III bzw. IV—VI) wurde das Weihnachtsoratorium zu Bachs Lebzeiten nicht musiziert. Umstritten ist in diesem Zusammen hang immer wieder die Frage, ob die Bezeichnung „Oratorium" ge rechtfertigt sein kann. Die Geschlos senheit des Werkes wird durch die textliche und musikalische Gesamt anlage bestätigt: Der dem Evange listen anvertraute biblische Bericht von der Geburt Christi bis zum Er scheinen der drei Könige aus dem Morgenland durchzieht die Kantaten als gleichsam „roter Faden". Auch musikalisch lassen sich Gemeinsam keiten zwischen den einzelnen Tei len des Oratoriums erkennen, z. B. Analogien in der Gestaltung der Schlußsätze. Mit seinen Oratorien schloß Bach an die Tradition der Historienkomposition des 16. und 17. Jahrhunderts an. Besonders in den protestantischen Kirchen Sach sens und Thüringens erfreuten sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts Histo rien großer Beliebtheit. Die Worte des Festevangeliums wurden von einem Eingangs- und Schlußchor umrahmt. Man sang mit verteilten Rollen und Choreinschüben. Die Vertonung des Evangeliums ent wickelte sich vom Psalmton hin zum dramatischen, oft generalbaßbeglei teten Rezitativ. Die Geschichte der Weihnachts historie beginnt — soweit bekannt - mit der Empfängnis- und Weih nachts-Historie des Dresdner Hof kapellmeisters Rogier Michael aus dem Jahre 1602 und führt über eine anonyme Historia Nativitatis Christi (Breslau 1638), über Tobias Zeutzschners Historie von der Ge burt Jesu Christi (Breslau 1649) und die Weihnachtshistorie von Thomas Seile (Hamburg 1660) zu Heinrich Schützens Weihnachtshisto rie von 1664. Bei Schütz sind die