Volltext Seite (XML)
Zeitweise Nebenblätter: Landtags.Beilage, Synodal.Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht unk «echnungsabschlu» der Landes-Brandversichemngsanstalt, Berkaussttste von Holzpflanzen aus den Staatssorstrevieren. Beauftragt mit der Oberleitung lund preßgesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Teil): Regierungsrat Doenge« in Dresden. Nr. 174 Freitag, 29. Juli 1921 Der Entwurf eiues Gesetzes für die Gtmeindeorduuug und Vezirksverwal- tnng im Freistaat Sachse«. (iX., Der Entwurf eines Gesetzes für die Ge- memdevrdnung und Bezirlsverwaltung im Frei staal Sachsen ist soeben fertiggesteüt und zur Be- gulachtung den Ministerien, dem Sächsischei« Ge- meindelag, dem Verband der Bezirksverbände, dem Sächsischen Bürgermeistertag, der Organisation der Aemeindevorstände, dem Landgemeindetag und den anderen in Frage kommenden Interessenten zuge- sandl worden. Er soll noch im Herbst dem Land- tage zugehen. Das neue Gesetz stellt eine Vereinheitlichung der Rechtsquellen aus kommunalem Gebiete dar und ist auf den Grundsatz aufgebaut: „Ein freies Volk regiert sich selbst." Der Selbstverwaltung ist deshalb der weiteste Spiel« raum gelassen. Der Entwurf beabsichtigt, die Amtshauptmannschaften zu kommunalisieren. Durch den Ausbau der Selbstverwaltung der Gemeinden und deren Verbände werden künftig eine Reihe Aufgaben der bisherigen Aufsichtsorgane wegfallen. Sin Teil dieser Organe wird überflüssig werden, so z. B. die Kreishauptmannschaften. Künftig soll jeder stimmberechtigte Einwohner Burger sein, ein besonderes Bürgerrecht also weder erworben noch verliehen werden können. Gemein- den solle«« sich im Wege freier Vereinbarung ver einigen dürfen. Eine zwangsweise Vereinigung soll nur durch Landesgeseh erfolgen. Der Gemeinde ist voller Spielraum gelassen, an Aufgaben zu übernehmen, was sie nach vor handenen Mitteln und Kräften übernehmen kann. In« neuen Entwurf wird auch die viel um strittene Frage des Ein- oder Zwei-Kammer- svstemS zu lösen versucht. Der Entwurf folgt hier der alten sächsischen Gemeindeverfassung, über trägt sie, den Zeitverhältnissen und der Entwicke lung angepaßt, auf alle Gemeinden, er setzt also organisch Gewordenes fort und vereinheitlicht und vereinfacht dadurch die Verwaltung. In jeder Gemeinde soll nur ein Gemeinderat sein, der aus besoldeten und unbesoldeten Mitgliedern besteht und vom Bürgermeister geleitet wird. Jedoch will im Gegensatz zur Rheinischen Bürgermeister- versassung der Entwurf, daß der Bürgermeister nicht allmächtig, sondern nur aussührendes Glied des Gemeinderates sei. Für die Gemeinde Wahlen ist die einheitliche Wahl im ganzen Lande an einem Tage mit unmittelbar anschließender Wahl des Bezirksrates vorgesehen. Der Gemeinderat soll auf drei Jahre gewählt werden, es soll stets Vollerneuerung stattsinden. Der Bürgermeister und die besoldeten Aemeinderatsmitglieder sollen auf sechs Jahre ge- wählt werden. Künftig sollen Gemeinderatsmit glieder wege«« Äußerungen in den Sitzungen strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung ge zogen werden. Der Gemeinderat teilt seine freiwilligen und ihm übertragene«« Ausgaben mit den Ausschüssen. In diesem soll die Bevölkerung im weitesten Maße zur Mitarbeit an den Aufgaben der Gemeinde herangezogen werden. Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. Drei Monate nach seinem Zusammentritt müssen sich auch die Bürgermeister zur Neuwahl stellen, da es die Selbstverwaltung vereiteln würde, wenn man Bürgermeister ohne weiteres bis an ihr LebenSende im Amte lassen wollte. Jedoch sind auch dem nicht wiedergewählten Bürgermeister seine erworbenen materiellen Rechte zu sichern. In einem besonderen Abschnitt ist im Enlwurs die Bildung von Gemeindeverbänden als Ersatz für dat wegfallende GemeindeverbandSgesetz vorgesehen. Ein weiterer Abschnitt scheidet die Vemeinden in bezirksfreie und Bezirksgemeinden. Alle Gemeinden über 10000 Einwohner werden bezirksfrei, die Städte bleiben Städte, auch wenn sie weniger als 10000 Ein wohner haben, doch gehören sie, wie alle Ge meinden unter dieser Einwohnerzahl, dem Be- znksverbande an. Die bisherigen Bezirke der Amtshvuptmannschaflen werden beibehalten, de Amt-Hauptmannschaften hören ans, als staatliche Behörden zu existieren. Wie der Bürgermeister, so muß sich auch der AmlShauplmann zur Wahl stellen. Aus einem staatlichen Beamten wird ein Gemeindebeamter, der so wie der Bürger- Die Hungersnot in Rußland. Der Kamps der Sowjetregierung gegen den Hunger. Helfingsors, 27. Juli In Moskau hat dieser Tage eine allgemeine Versammlung der Sowjetautoritätei« stattgefunden, an der u. a. Kamenew, Maxim Gorki und die Gräfin Alexan dra Tolstoi teilnahnien. Die Lage wmde al- äußerst kritisch bezeichnet. Kamenew teilte im Namen der Regierung mit, daß sie bereit sei, mit allen Parteien zusammen zu arbeiten, um Rußland, das jetzt tatsächlich vor de« Tode stehe, zu retten. In der letzte«« Sitzung der Kommunisten im Deutsche,« Theater in Moskau hat Sinowjew eine große Rede gehalten, in der er sagte, daß der Kampf gegen den Hunger von der Sowjetregie rung mit derselbe«« Energie durchgeführt werden wird, wie gegen die Gegenrevolutionäre. Die freiwillige Räumung der bedrohten Gebiete durch die Bevölkerung werde mit Gewalt durch Truppen verhindert, damit diese Menschenmafien Rußland nicht überschwemmten. Daß die inländische Lage nicht ernster bedroht sei, sagte er noch, werde dadurch bewiesen, daß Lenin in Kürze eine Auslandsreise zu unternehme,« gedenkt. Auswärtige Hilse für Rußland. Riga, 27. Juli. In Riga wird ein aus Vertretern aller Konfessionen und Nationalitäten zusammengesetztes Hilfskomitee für Rußland ge- gründet. Dieses Komitee soll ein Bindeglied zwischen dem Moskauer Hilfskomitee und der übrigen Welt darstellen. Das von der Rigaer Sowjetmission herausgegebene Blatt „Novy Puty" bezeichnet den Vorschlag, den der kürzlich aus Rußland zurückgekehrte Vertreter des Estländischen Roten Kreuzes zur Hilfeleistung an die hungernde Bevölkerung Rußlands ausgearbeitet hat, als prak tisch ausführbare Grundlage. Danach müßte die Arbeit in Rußland in den Händen von unpoli tischen Organisationen liegen, die in Sowjetruß land Autorität genießen und von den Behörden nicht behindert werden dürfen. Hierfür käme die Moskauer Quäkerorganisation in Verbindung mit Maxim Gorki und dem neugegründetem Moskauer Hilfskomitee in Betracht. Der Sonderfriede Amerikas mit Deutschland. L » « do «, 27. Juli. Nach ei«rr Re« Korker Meldung keS „Dniltz-Mail" berichtet der Washing toner Vertreter deS „New Aork-run", daß der Pla« des Staatssekretärs Hughes, di« Annahme der abgründerlen Fassung des Versailler Ver- träges zu sichern, gescheitert sei, und daß rin «ener «ertrag mit Deutschland, der sich genau an die einwandfreien DeU« des Versailler Ver trage» halte, in Bearbeitung begriffe« sei. Toch Dreiteilung Oberschlesiens? London, 28. Juli. Das britische Mitglied des Botfchasterrates ist der „Daily News" zufolge angewiesen worden, den seinerzeit von England und Italien gemachten Vorschlag über die Zu- Weisung der unstreitig deutschen und polnischen Teile Oberschlesiens an Deutschland und Polen dringend zu erneuern. England gegen Sondernuter- nehmungen in Oberschlefieu. London, 28. Juli. „Morningpost" erfährt von amtlicher Stelle, daß die britische Regierung den von ihr in der oberschlesischen Frage ein- genommenen Standpunkt für richtig halte. Sie sei dafür, daß sie den Friedensvertrag von Versailles loyal aussühre, wenn sie darauf bestehe, daß jede Aktion in Oberschlesien gemeinsam sein müsse. meister Beauftragter und aussührendes Organ des Staates wird. Der Bezirksverband ordnet seine Verfassung und Verwaltung selbständig und kann alles in den Bereich seiner Wirksamkeit ziehen, was die Ge meinden allein zu leisten nicht imstande sind. An Stelle der bisherigen Bezirksversammlung tritt der Bezirksrat, dem der Bezirkshauptmann vorsteht. Der Bezirksrat erledigt die Aufgaben des Bezirks, wie der Gemeinderat die Aufgaben der einzelnen Gemeinden. An Stelle des Bezirksausschusses treten drei Ausschüsse, ein Verfassungs-, ein Verwaltungs- und ein Gesundheils- und Wohlfahrtsausschuß, denen alle Ortsgesetze, Haushaltpläne usw. der Gemeinden vorgelegt werden müssen. Der letzte Abschnitt ordnet die Gemeinde, aufsicht, die sich künftig darauf beschränken soll, nachzuprüien, daß die Gesetze nicht verletzt werden und die Organe ihre Befugnis nicht überschreiten. Die Aufsicht wird au-geübt über die Bezirks- gemeinden vom Bezirksverband, über die bezirks freien Gemeinden und die Bezirksverbände durch das Ministerium des Innern. Ein Bestätigungs recht der Beamten soll es nicht mehr geben, wohl aber die Möglichkeit, säumige Gemeinden zur Pflichterfüllung zu bringen. Die Auflösung eines Gemeinderates soll dem Ministerium fernerhin Vorbehalten bleiben, weil der Weg über die Gesetz- gebnng zu umständlich und den Interessen der Gemeinden nicht dienlich ist. Jedoch soll eine Auslösung nur auf Antrag und erst dann erfolgen, wenn ave anderen Mittel nicht fruchten. Der Bezirksrat soll nur durch LaudeSgesetz aufgelöst werden können. Die Entscheidung des OberverwaltnngSgerichteS, nach der e« dem Ermefien der Rittergutsbesitzer freigrstellt ist, mit welcher Gemeinde sie ihr Gut vereinigen wollen, hat die zweckmäßige Durch- führung der Vereinigung sehr erschwert. Dieses Hemmnis für die Vereinheitlichung der Gemeinde- verwalltmg soll durch da- neue Gesetz beseitigt werden Künftig soll die Vereinigung von Ritter gütern mit der Gemeinde erfolgen, mit der sie hauptsächlich durch die Wohnstätten und Betriebs- räume verbunden ist. Mit diesen Neuerungen will der Entwurf eine völlige Neuordnung der Selbstverwaltung aüf der breiten Grundlage der Selbstbestimmung der Ge meinden und ihrer Verbände erreichen. Er bringt damit den hochentwickelten Gemeinden Sachsens das, was sie zum Leben brauchen: Bewegungs freiheit. Bereinigte Staaten von Amerika nud Oberster Rat.- London, 28. Juli. Der Pariser Bericht erstatter der „Limes" meldet unter Vorbehalt, er habe von gut unterrichteter Seite gehört, eine sehr hohe Persönlichkeit Frankreichs habe mit Rück sicht auf die Schwierigkeit, zwischen den Ver bündeten eine Übereinstimmung herbeizusühren, den amerikanischer« Botschafter in Paris gefragt, ob die Möglichkeit einer Verbindung mit den Ber einigten Staaten bestehe. Beim Präsidenten Harding sei angefrag« worden, ob Harvey an den Sitzungen d«S Obersten Rates «eilnehmen dürfe, und zwar nicht nur als Beobachter, sondern als Delegierter. Die griechisch-türkischen Kämpfe. Konstantinopel, 27. Juni. (HavaS.) Die letzten Nachrichten von der Front bestätigen, daß die Griechen im Abschnitt Seid-Ghazi einen Fehl schlag erlitten haben Die Griecden sollen mit dem Rückzug begonnen haben. Athen, 27. Jul'. Sine amtliche Mitteilung besagt: Die türkischen Berichte vom 25. und 26. d M. über die Lage auf dem Kriegsschau plätze und alle anderen im gleichen Sinne ge haltenen Darstellungen sind gänzlich unbegründet. Insbesondere ist die Angabe, daß BÜedjik und Afium-Karahtfiar von den Türken zurückerobert worden seien, vollkommen falsch. Athen, 27. Juli. Nach hier eingctroffenen Meldungen ist der Widerstand de- Feinde- voll kommen gebrochen Seine Verluste an Toten. Verwundeten und Gefangenen werden auf 60 000 Mann geschätzt Die griechische Vorhut soll auf der Straße nach Angora bi- Gordium gekommen sein. Aus dem Rückzüge steckt der Feind seine Materiallager, die er infolge der eiligen Flucht nicht mitnehmen kann, in Vrand. Reichsfttuergesetzgebung und Gemeindefinanzen. Bon A mlshauptmann vr. Schelcher - Auerbach i. V. 1. Mit der Reichssteuerreform sind von seilen des Gesetzgebers zwei große Hauptzwecke versolgt worden. Einmal sollten die vorhandenen Steuer- quellen restlos ausgeschöpft werden durch eine gleichmäßige und scharfe Anspannung der Steiler, anderseits sollte eine möglichst gleich mäßige Belastung der Steuerpflichtigen er reicht werden, die bisher nicht bestanden halte, weil jede Gemeinde die Hauptsteuerquelle, die Einkommensteuer, nur ihren Bedürfnissen ent sprechend erhob, und auf diese Weise in reichen Gemeinden prozentual geringe Steuern, in anderen schwerbelasteten Gemeinden hohe Steuern erhoben wurden. Es ist zuzugeben, daß der erste dieser beide» Zwecke erreicht worden ist; bezüglich des zweiten Zweckes darf aber ein wirklicher Erfolg stark be zweifelt werden. Die Auswirkungen der Reichseinkommensteuer bei den Gemeindefinanzen führen nämlich zu Er gebnissen, die, wie ich vermute, vom Gesetzgeber ebensowenig gewollt, als auch bei der Schaffung des Gesetzes überhaupt bedacht worden sind. Sie werden letzten Endes durchgreifende Umgestaltungeu der gesamten Gemeindeverwaltung nach sich ziehen Durch die neue Reichssteuergesetzgebung wird den Gemeinden ihre Haupreinnahmequelle — da war die Einkommensteuer — zwar nicht wegge- nommen, aber der Höhe nach bestimm« beschränkt. Sie erhalten nach dem Lächsisä eu Bollzugsgesetze von dem gesamten Aufkommen der Gemeinde ohne Rücksicht auf ihren wirkliche«« Be darf den dritten Teil zugewiesen. Ebenso ver hält es sich mit der Körperschaftssteuer, während an anderen ertragreichen Steuerquellen wie z. B- die Umsatzsteuer die Gemeinden so gut wie über haupt nickt beteiligt werden. Den gleichen Weg ist die Sächsische Landesgesetzgebuug gegangen. Sie nimmt die anderen Haupleinnahmequellen, nämlich die Grundsteuer und die in dem neuen dem Landtage vorliegenden Gesetzentwürfe über aus tveitgehend ausgkbaute Gewerbesteuer für sich in Anspruch und beteiligt die Gemeinden in be stimmtem Umfange an dem örtlichen Aufkommen, ebenfalls ohne Rücksicht aus ihren tat sächlichen Bedarf. Wenigstens liegen in dieser Beziehung die fertigen Gesetzentwürfe bereits dem Parlamente vor. Die Gemeinden sehen sich also von vornherein ziffern mäßig begrenzten Einnahmen gegen über. Was ihnen an sonstigen Steuer- Möglichkeiten bleibt, ist wenig bedeutend. Es kommen in der Hauptsache die Vergnügungs steuer und gewiße Luxussteuern in Frage, die in Gemeinden mit reicher und wohlhabender Be völkerung einen guten Ertrag bringen werd.'«, obwohl gerade dort infolge eines guten Auskom- mens der Hauptsteuern der Bedarf verhältnismäßig gering sein wird. In armen Gemeinden, welche die Erschließung weiterer Steuerquellen besonder» nötig haben würden, bringen solcke Steuern nur wenig, und dies auck nur dann, wen» sie zu außerordentlicher Höhe angespannt werden. Auf der anderen Seite haben die Gemeinden bestimmte Ausgaben zu erfüllen und können hierbei einen gewissen Mindestaufwand nicht unterschreite«. Ls sei erinnert an die Ausgaben für «Gehälter, an die Schul-, Armen- und wegebaulasten usw. Zahl reiche Gemeinden stehen deshalb vor der Tatsache, daß sie selbst bei größter Sparsamkeit nicht in der Lage sind, ihre Ausgaben mit den «Einnahmen, die man ihnen gelassen hat, zu decken Et bleibt nicht- andere- übrig, als daß der Staat bez. das Reich, welche die Einnahmequellen für sich in An spruch genommen Haden, den Fehldcdarf decke«. Im Vollzug-aesetz« ist durch den sogenannten AuS- gleichestock eine Einrichtung geschaffen, die — wie Vdt Gesetz sagt — dem LastenauSgleich unter de«