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SächsischeStmüszeÜung Donnerstag, 14. Juli Nr. 161 1921 Zeitweise Nebenblätter: Landtag».Beilage, Synodal-Beilage, Ziehung»listen der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrenten bank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der LandeS-BrandversicherungSanstalt, Verkaufsliste von Holzpflanzev auf den Staatsforstrevieren. Beauftragt mit der Oberleitung (und pre-gesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Lell): RegierungSrat DoengeS in Dresden. Holländischer Einspruch „ege» die schwarzen BesatzunftStrnppen. Amsterdam, 12 Juli. Laut ^«llgemeene» tzandclsblad" bildet sich in Deventer eine vor» üujige «ommissiou, dir e» sich zur «ufgade »ach«, in alle« Städten Komitees z« bilde« um gegen die Besetzung drd Rheinlandrtz durch schwär»« rruppen Einspruch zu erhebt«, die, wie ein Nundschrelde« der Nommission erklärt, eine Riffe» tat gegenüber unserer Rasse ««d »in Hohn a«f ansere Kultur ist. Liese Lat der Franzose« über» tressc an Barbarei alles, wa» die Weltgeschichte zeige. Ladurch, daß wir dagegen Einspruch er» Hede«, so erklärt die vorläufige Kommission, bcrrichten wir ernste Nulturarbeit, die nicht nur ranscnde von Frauen und Kinder« der sexuellen Schändung der afrikanischen Reger entziehen fall, sondern auch in weiter Zukunft Europa »or neuem Unglück, neuen Morde« u«d neuem ünhcil behüte« soll. Mrö Lesövre über Oderschlefieu. Paris, 12. Juli. In der Kammer führte der Abgeordnete Andre Lesvvre über die Ausgaben der Kontrollkommission und ulnr die Entwaffnung Tcutschlands aus: Tie deutschen Truppen (?) nach Oberschlesien waren ausreichend bewaffnet. De deutsche Regierung hat alles für die Organi sation der Armee Höfer getan. Es wird gesagt, die Mission Rollet habe ihre Rolle erfüllt. Dem steht die Tatsache gegenüber, daß die deutsche Regierung imstande ist, von heute aus morgen Korps von 40000 Mann ausLustflle». Bei der Besprechung der Organisation deS Freikorps Höfer sagte der Abg. Lefövre, er zweifle nicht an der Aufrichtig, leit de» Reichskanzlers, wohl aber an seiner Macht, kr sprach alsdann des näheren von der Volksabstim mung in Oberschlesien, und betonte, er sehe nicht em, warum überhaupt zur Abstimmung geschritten worden sei. Er fürchte, daß bei der Teilung OberschlesienS den Polen der wichtige Bahnhof Gleitvitz geraubt werde. Die Franzosen wollten keine Handbreit deutschen Gebietes. Er glaube jedoch, daß man das Ruhrgebiet besetzen müsse. De Besetzung sei nicht eine Annexion oder Okku pation, sie sei eine einfache Sicherheitshandlung. Briand erklärte: Die Beziehungen zwischen Frank- reich und Deutschland könnten solange nicht normal werden, als diese Nation von Revanchegedanken geleitet werde. Deshalb bestehe für jede franzö sische Regierung die Notwendigkeit, die Augen ossenjuhalten. Eine Besetzung des Ruhrgebietes sei unnötig. Der internationale Frauen- kongrrß. Wien, 12. Juli. In der heutigen Sitzung de» Internationalen Frauenkongreß erstattete Frau Hymann-München den Bericht für Deutschland. Cie sührte u. a. aus, die jetzige Regierung Wirth sei ehrlich bemüht, alle internationalen Beziehungen ausrechtzuerhalten und den Pazifismus zu be- schützen. Anders sei die Lage in den einzelnen Ländern, z. B. in Bayern, wo der Ausnahme zustand herrsche und Propaganda- und Versamm lungstätigkeit eingeschränkt seien. Die Pazifisten würden von der Intelligenz namentlich von der Studentenschaft bekämpft. Der bayerische Zweig der Friedensliga trete für einen radikalen Pazifis mus ein. Die Vertreterin Norwegens Frau Larsen verwies mit besonderer Genugtuung darauf, daß sich die schwedische Studentenschaft voll für die Bestrebungen der Frauenliga einsetze. Frau Ray- mont-Holland drückte die Hoffnung aus, daß es den holländischen Frauen gelingen werde, gegen eine gewisse Indolenz gegenüber der Friedensliga anzukämpfen. — In der zweiten Abendsitzung des Frauenkongresse» kam der Gedanke zum AuS- druck, daß die AbschließungSpolitik der großen und kleinen Staaten zu einem allgemeinen vnlschaftSkrieg führen müsse. Auch die Politik der wirtschaftlichen Ausbeutung Deutschlands, wie sic von den Siegerstaaten betrieben werde, könne nicht zn dem gewünschten Ziele führen, denn die Abhängigkeit der Völker von einander erweise sich nnmer deuKicher. Ter Gedanke deS Freihandels >nade aK Ideal hingestellt. Insbesondere wurde dmiuf »moiesen, daß der Gründer de« Frei- PvldK», Lodden, diesen ganz bewußt al« Mittel z» SichWtmg de» Frieden» und de» Frieden»- ficke» UnWetz«, hab«. Die Weltabrüftung. Die Konferenz in Washington. Paris, 12. Juli. Briand teilte in der Kammer mit, daß der Geschäftsträger der Ber einigten Staaten von Amerika der französischen Regierung einen Vorschlag Hardings übermittelt habe, der die Einberufung einer Konferenz der alliierten und assoziierten Mächte in Washington bezwecke. Aufgabe der Konferenz wird es sein, die besten Bedingungen festzustellen, die ins Auge zu fassen sind, um den Frieden im Stillen Ozean zu sichern und zu gleicher Zeit die Einschränkung der Rüstungen zu Wasser und zu Lande zu er örtern. Briand erklärte, er glaube sich zum Dol- metscher der Gefühle der Kammer zu machen, wenn er dem amerikanischen Staatsoberhaupte danke, daß er diesen edlen Schritt unternommen und zugleich daran gedacht habe, Frankreich daran teilnehmen zu lassen, dessen Friedensgefühle er aus diese Weise geehrt habe. Er habe wohl nicht nötig, zu sagen, daß die sranzösische Regierung die Einladung besonders gern annehme. Sie sieht darin die Möglichkeit, an den Vereinbarungen über den Stillen Ozean teilzunehmen, die Frank- reich nicht gleichgültig lassen können in Anbetracht der großen Interessen, die es dort habe. Die französische Regierung sieht darin weiter die Mög lichkeit, noch einmal zu beweisen, daß Frankreich aus tiefstem Herzen und mit glühender Be geisterung der Sache des Friedens ergeben ist, der sie schon stets geopfert hat. Die Regierung wird loyal und ohne Hindergedanken mit allen Verbündeten verhandeln. Sie empfindet ein be sonderes Vergnügen daran, daß die Konferenz unter denr Vorsitze des Präsidenten Harding abgehalten werden soll. Sie wird alle Mittel suchen, die dazu angetan sind, die Rüstungen zu beschränken und die schrecklichen Lasten zu erleichtern, die auf allen Völkern ruhen, jedoch unter Wahrung aller Vorbedingungen für die nationale Sicherheit. Vielleicht werden wir sogar eine neue Gelegenheit finden, eine Verständigung zu suchen, die uns erlauben könnte, das von allen Völkern gewünschte Ziel zu erreichen. Briand erklärte, er sei unter diesen Umständen überzeugt, die Kammer werde der Regierung darin beistimmen, dem edlen Ruse der amerikanischen Regierung unverzüglich geant wortet zu haben. Die Regierung hoffe mit der Kamküer, daß die Konferenz der Welt den end- gültigen Frieden verleihen und dabei Frankreich die Sicherheit geben werde, auf die es ein Recht habe. (Lebhafter andauernder Beifall aus allen Bänken.) Paris, 12. Juli. Briand gab heute im Senat zu dem Vorschlag des Präsidenten Harding die gleichen Erklärungen wie in der Kammer ab. Es wurde ihm einstimmig Beifall gezollt. London, 12. Juli. (Reuter) Ter ameri kanische Vorschlag für eine Konferenz in Washington ist gestern abend bei der amerikanischen Botschaft eingegangen und Botschafter Harvey begab sich darauf nach Chequers und besuchte Lloyd George. Heute vormittag kam die Angelegenheit in der Kabinettssitzung zur Sprache. Allgemein wird hier große Befriedigung und die Überzeugung gehegt, daß, falls die Washingtoner Konferenz zu stande kommt, sie an Bedeutung nur mit der von Paris zu vergleichen ist. Lord Curzon hatte Be- fprechungen mit dem amerikanischen und japanischen Botschafter, bevor er sich zur Kabinettssitzung begab. London, 12. Juli. Der diplomatische Be richterstatter verschiedener Blätter berichtet, daß Lloyd George persönlich an der in Washington geplanten Konferenz teilnehmen wird. Die Kon ferenz wird vermutlich im Herbst abgehalten werden. Paris, 13. Juli. Ter „Matin" meldet: Die französische Regierung werde der Einladung Amerikas zu einer Konferenz in Washington Folge leisten. Briand beabsichtigt, sich selbst dorthin zu begeben. Auflösung der oberschlefische« Flüchtlingslager. Sleiwitz, 12. Juli. Auf Veranlassung der französische» Behörde müssen die Flüchtlings lager bi» Gade diese» Monats aufgelöst «erden. Truppendurchmärsche in der Pfalz. West Pfalz, 12. Juli. Die Westpfalz steht seit einigen Tagen unter dem Zeichen großer Truppendurchmärsche. Die ländlichen Orte wer den stark mit Einquartierung belegt. Bei dem Wohnungsmangel ist die Unterbringung nahezu unmöglich. Das Marschziel der Truppen ist Bisch, wo Scharfschießübungen abgehalten werden. Für daS am 14. Juli stattsindende französische National- fest werden große militärische Vorbereitungen ge troffen. HerausforderndeHaltungderFrauzsse« i« Oberfchlesie«. BreSlau, 13. Juli. Aus den oberschlesischen Orten laufen Meldungen über die provozierende Haltung französischer Truppen ein, welche an scheinend versuchen, die deutschen Oberschlesier, besonders in Oppeln, zu energischer Ab wehr zu zwingen, um daraulhin drakonische Vergeltungsmaßregeln ergreifen und die Polen ungestört unterstützen zu können. Während die Franzosen es sich niemals einfallen ließen, den Insurgenten Waffe» abzunehmen, veranstalteten sie Henle in dem deutschen Plebiszitunterkommissariat Nicolai eine natürlich ergebnislose Haussuchung nach Waffen und versteckten deutschen Stoßtruppen. In Oppeln ist die von Franzosen angeregte Razzia auf deutsche Flüchtlinge und angeblich dort befind liche Stoßtruppen nur unterblieben, weil sich die Engländer den Franzosen widersetzten. Der Zweck, den die Frairzosen verfolgen, ist ganz offensichtlich der, weitere Vorwände für die Aufrechterhaltung der Sanktionen zu finden. Die portugiesische» Ka««er»ahle». Lissabon, 13. Juli. Bei den Kammer wahlen am Sonntag wurden in Lissabon 12 Demokraten, 2 Liberale und 2 Monarchisten gewählt. Im ganzen wurden b Monarchisten ge wählt. Die Parteien werden nicht sämtlich in der Kammer vertreten sein. Auf den Azoren hat die Regierung die Mehrheit erhalte«. Wiederherstellung -er Freizügigkeit in Österreich. Wien, 12. Juli. Ter parlamentarische Haupt- auSschuß hat gestern die Freizügigkeit aller Öster reicher innerhalb der Grenzen der Republik wieder hergestellt und damit den Einreise- und Ausenthalts- brwilligungen ein Ende gemacht. In der neuen Verordnung wird ausdrücklich festgestellt, daß keinem österreichischen Staatsbürger Durchreise und Aufenthalt in Bundesländern verwehrt wer den dürfe; ausnahmsweise könnten örtliche Be schränkungen eintreten, wenn die einheimische Be völkerung e» verlange. Der amerikairische Senat »ud das Flottenbndget. Pari», 13. Juli. „Chicago Tribune" meldet aus Washington, daß der Senat gestern seine 13 Abänderungsanträge zu dem vom Repräsen tantenhause angenommenen Flottenbudget habe fallen lassen. Ter Gesetzentwurf, der nunmehr dem Präsidenten zugcht, sieht 410 M,ll. Dollars statt 496 Mill. Dollar» vor, die der Senat bis her verlangte. Der englisch-japanische Vertrag. London, 12. Juli. Llovd George sagte in seiner Unterhousrede über de» englisch- japanischen Vertrag, es sei der Wunsch sowohl des britischen Reiches als auch Japans, daß das Abkommen in völlige Übereinstimmung mit den Satzungen des Völkerbundes gebracht werde und daß, sosern die Völkerbundssatzungen und der Vertrag miteinander in Konflikt kämen, die Be stimmungen der Völkerbundssatzungen maßgebend sein sollen. Wie die Mütter melden, wurde gestern eine in diesem Sinne gehaltene Note an den Völkerbund veröffentlicht, die vom 7. Juli datiert «nd von Lloyd George und dem japani- lchen Botschafter unterzeichnet ist. /LL ebt für das Ober- fchlefierhtlfswert! Die Konferenz von Washington. Machtverteilung oder Abrüstung? Um die Bedeutung der hardingschen Botschast voll zu würdigen, um sich aber auch nicht pazi fistischen Einbildungen hinzugeben, muß man die Vorgeschichte des amerikanischen Schrittes genau beachten. Tabei ist es überflüssig zu untersuchen, wem die geschichtliche Ehre zusällt, das erste er lösende Wort gesprochen zu haben, Hardiirg oder Lloyd George. Es spielte in den letzten Wochen soviel hinter den Kulissen, daß man diese Frage vielleicht nie entscheiden wird. Die erste offizielle Äußerung tat Oberst Harvey, der neuernannte Bot schafter der Vereinigten Staaten von Amerika in London, als er kurz nach seiner Ankunft auf englischem Boden die neue englisch-amerikanische Gemeinschaft der Weltinterefsen verkündete. Sofort wiederholte Llovd George den Gedanken auf britisch in einer Form, die durchblicken ließ, daß er in dieser An gelegenheit schon an der Arbeit sei. Aber Har- ding war anscheinend noch früher ausgestande«. Bereits Mitte Juni hatte der amerikanische Prä sident die Grundlagen eines die Erde umspannen den angelsächsischen „Konzerns" — der Ausdruck wurde dann von Oberst Harvey geprägt — genau umschrieben. Er sprach von einem Bündnis. Aber es sollte ein Bund ohne Papier und Siegel werden. Ein Zusammenwirken, ober: „keine formelle Allianz", wie er ausdrücklich hinzufügte, um der seit den Tagen George Washingtons im amerikanischen Volke wurzelnden Abneigung gegen „verstrickende Bündnisse" Rechnung zu tragen. Als Zweck seines Programms gab Harding von vornherein die Abrüstung an, und er löste damit den Wechsel ein, den er als Präsidentschafts kandidat der republikani chen Partei im Sommer vorigen Jahres unterschrieben hatte. Abrüstung oder doch Einschränkung der Rüstungen durch bindende Abmachungen mit anderen Groß- Mächten war ja eine der am stärksten betonten Forderungen des amerikanischen Volkes nach dem Weltkriege, und nur durch die einseitige Entwaffnung Deutschlands ist das Pro blem als allgemeines Friedensziel etwas in Ver ruf gekommen. Niemand wagt es ja auch, selbst Harding nicht, die Abrüstung als Göttin der Wahrheit rein und nackt aus den Sockel zu stellen, sondern es wird ein Umweg genommen über die Ergebnisse der — britischen Reichskonserenz. Die kommende Abrüstungskonferenz von Washington wird auSgegeben als die Tochter des Londoner Kongresses der allbritischen Ministerpräsidenten. Man ist in London vor der Frage stehen ge blieben: Was wird aus dem englisch-japanischen Bündnis, das, 190ö abgeschlossen und seither zweimal erneuert, England an das amerika- gegnerische Japan bindet? Die Antwort aus Amerika lautete: Ein britisch-amerikanischer Welt- komern unter Hinzuziehung Japans und China-t Bei diesem Konzern macken natürlich nur die beiden Hauptbeteiligtcn das gute Geschäft, wäh rend die hmzugczoarnen Machte mehr Objekt als Subjekt sind Abrüstung, das heißt vorläufig nicht anderes, als: Beschränkung der amerikani schen Seemacht auf den Stillen Ozean und Über lassung de» Atlantischen Ozean- an England al- britische Einflußsphäre. Beide angelsächsische Groß- reicke können tatsächlich so zu einem gewissen Teil abrüsten. Tie amerikanischen Scestreitkräfte werden Japan gegenüber stärker konzentriert, und England kann sein Pazifilgeschwadcr zurückzieben, um seine Welt macht an anderen Gestaden des Meeres zu sichern. Die Verknüpfung der Ad- rüstungsfrage mit dem Problem de« „äußersten Ostens" ist eine kluge Synthes«, wie sie der Augenblick eingab. Da» aller Macht und Welt bedeutung beraubte Deutschland kann bei dem Friede nSschel von Washington mehr tun, al» nur ohnmächtig zuseher, e- kann da» fragend« n»d mahnende Gewiffen bilden. S- kann ei« de-