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SächsischeStmüszeilung den Freistaat Sachsen Staatsaryeiger für Sonntag, 20. März 1921 Nr. 66 Ankündigungen: Die 32 mru breite Grundzeile oder deren Raum im Ankündigung-» teile L M., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teüe 4 M., unter Eingesandt 5 M. — Ermäßigung aus Geschüst-anzeigen. Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktags nachmittags mit dem Datum des folgenden Tages. Bezugspreis: Unmittelbar oder durch die Postanstalten b M monatl. Einzelne Nrn 20 Ps. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295, Schristleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Synodal.Beilage, Ziehungslisten der Berwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnung-abschdch der Landes-Brandversicherungsanstalt, Berkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Beauftrag! mit der Oberleitung (und preßgesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Teil): RegierungSrat DoengeS in Dresden« Reue Gesetzentwürsk. (8t. L) Das Gesamtministerium hat in der Litzung vom 18. März d. I. beschlossen, dem Landtage folgende Gesetzentwürse vorzulegen: 1. über die Gebühren der Berwaltungsgerichte, 2. zur Abänderung des Gesetzes, betreffend die Bezüge der bis mit 31. März 1920 in Wartcgeld oder Ruhestand versetzten Staatsbeamten und Lehrer, ihrer Hinterbliebenen und der Hinter- bliebenen der vor dem 1. April 1920 im Amte verstorbenen Staatsbeamten und Lehrer, vom 2l. Mai 1920. Deutschland und Rußland. Das in der gestrigen Nummer veröffentlichte vorläufige Protokoll, das am 18. Februar d. I. in Moskau zwischen Vertretern des deutschen Aus wärtigen Amts und der Sowjctrcgierung auf- gestellt worden ist, zeigt, daß die deutsche Regie- rung bemüht gewesen ist, zu sondieren, inwieweit sich ein gewisses Verhältnis zu Rußland schon jetzt Her stellen läßt. Es ist dabei bedeutsam, daß die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu- nächst nicht vorgesehen ist. Die bisher ganz un verbindlichen Besprechungen bezogen sich neben der schon im Interesse der Menschlichkeit zu be grüßenden Erledigung der Kriegsgefangene nange- legenheit, auf die konsularische Vertretung und handelspolitische Fragen. Damit sollte namentlich versucht werden, eine feste Grundlage für die Anbahnung wirtschaftlicher Verbindungen zwischen Deutschland und Rußland herzustellen. Zunächst hat das fragliche Protokoll nur rein vorbereitenden Charakter. Inzwischen ist aber das Abkommen bekannt geworden, das Sir Robert Horne und Krassin am 16. d. M. in London unterzeichnet haben, und das viel weiter- gehende Bestimmungen enthält als das deutsch- russische Moskauer Protokoll. Nachdem in Italien Graf Sforza einen Vertreter der Sowjets emp- fangen hat nnd England zur Regelung seiner Handels beziehungen zu Rußland geschritten ist, gedenkt man deutscherseits das Protokoll als Basis zu einer eventuell zu schließenden Vereinbarung mit Sowjetrußland zu verwenden. Hierüber werden zwischen den beteiligten Dienststellen Beratungen gepflogen. Deutschland lehnt es bekanntlich ab, sich irgendwie in die Gestaltung der inneren Ver hältnisse des russischen Reiches einzumischen. So lange die russuchen Machthaber sich keiner Über griffe gegen Deutschland und die deutschen Staats- angehörigen in Rußland erlauben, berührt es das deutsche Volk nicht, von wem dieRussen regiert werden. Angesichts der großen Bedeutung des russischen Handelsverkehrs für Deutschland ist es nur natür- lick, daß die deutsche Regierung, unbeirrt durch Neigungen und Sympathien für irgendeine russische Gruppe, prüft, wie sie das Verhältnis zu Ruß- land für Deutschland möglichst vorteilhaft gestalten solle. TaS Sinken des FrankkurseS. Basel, 18. März. Die „Nationalzeitung" weist im Handelsteil darauf hin, daß entgegen allen Erwartungen beim Eintritt der „Sanktionen" der französische Franken mehr zurückgegangen ist als die deutsche Mark. Das Blatt schreibt dazu: Tie Industrie- und Börscnsührer versprechen sich nichts von den „Sanktionen", und die erwartete Sanierung Frankreichs beginnt seltsamerweise mit einer Entwertung des Franken, die bei der mächtigen Auslandsverschuldung Frankreichs gleich Milliarden ausmacht, vermutlich mehr als die ganze Differenz des ersten Jahres zwischen den französischen Forderungen und dem deutschen Angebot. DaS englische Unterhaus und die Sanktionen. London, 18. März. Im Unterhaus«: erklärte oer Staatsanwalt noch, die von den Alliierten ge. troffLnen Maßnahmen seien durch den Vertrag von Verfalles gerechtfertigt. Lord Robert Ceeil fragte, ob die englische Regierung der Ansicht sei, daß der Vertrag bezüglich der Reparationen Sanktionen zulasse. Von Regierungsseite wurde An die Oberschlesier! Ausruf des Reichspräsidenten. Der Reichspräsident erläßt folgenden Aufruf! Oderschlesier! Die Stunde der Entscheidung ist gekommen. Von euch wird es abhängen, ob Lderschlesien, durch Jahrhunderte mit Deutschland vereint, in Jahrhunderten mit Deutschland groß geworden, sich auch in Zukunft in Blüte und Wohlstand weiter entwickeln kann vberschlesien nnd Deutschtand sind unlöslich miteinander verbunden durch Bande des Blutes, durch die gemeinsame Knltnr, durch deu gleich zeitigen sozialen Aufstieg nnd durch die gemein same wirtschaftliche Entwicklung. Würden diese Bande zerrissen werden, so ist die fruchtbare Ar beit des letzten Jahrhunderts zunichte gemacht, nnd Hunger, Rot und Elend sind die unausbleib lichen Folgen. Lberschlesier! Voll Stolz und voller Zuver sicht blickt das ganze deutsche Boll an eurem Schicksalstage auf euch. Aus allen Teilen des Reiches, aus dem Auslände find eure Brüder nnd Schwestern zu euch gekommen, um aller Welt die Einmütigkeit aller Deutschen und die Znfammeugryörigtcit Lberschlesiens mit dem Deutschen Reiche z» beweisen. Weder Drohungen noch Lockungen, weder Mühen noch Entbehrungen haben vermocht, sie von der Erfüllung ihrer vaterländischen Pflicht abznhalten. Wir ver trauen daraus, daß die Abstimmung in Ruhe und Ordnung vor sich gehen wird. Ter Rcichsregie- rung ist es ein Bedürfnis, in dieser feierlichen Stunde erneut zu erklären, daß sie das ober- schlesische Volk iu der Nengestaltuug feiner Zu kunft nach Kräften unterstützen wird. Die erste gemeinsame Aufgabe der Zukunft wird es sein, Gegensätze auszugleichen, die der Abstimmungs- kamps geschaffen hat, und sich zn gemeinsamer Fried ensarbeit zusammenzusinden. Oberschlesier! Tie Stunde der Entscheidung ist da! Das deutsche Volt und di« deutsche Re gierung hassen und vertrauen auf euch. Denkt an eure Zukunft, denkt an euch und eure Sinder und stimmt für ein deutsches Oberschlrsien. Der Reichspräsident: Ebert. Ter Reichskanzler: Fehrenbach. Einreise noch am Sonntag. Wie von der Zentralstelle für die technische Durchführung der Abstimmungstransporte mit- geteilt wird, ist die Meldung, daß Stimm berechtigte nach dem 1». d. M., 12 Nhr nachts, nicht mehr in daS Abstimmungsgebiet rinreifen dürfen, nicht zutrrfsend. Anscheinend liegt dieser > falschen Meldung ein Mißverständnis zugrunde. Die Abstimmungssvnderzüge enden zwar um die angegebene Zeit. Dagegen steht der Einreise der Stimmberechtigten mit den Zügen des ge wöhnlichen sahrplanmäßigrn Verkehrs nichts im Wege. Tas geht aus den Bestimmungen der interalliierten Regirrungs- und Plcbiszittommis- sion iu Oppeln mit aller Deutlichkeit hervor. Verbrecher an ihrem Volke. Wie von den Vereinigten Verbänden heimat- treuer Oberschlesier mitgeteilt wird, gibt es tat sächlich ein« kleine Anzahl Lberschlesier, die trotz dringendster Ausfordernng nicht zu bewegen sind, ihre Stimme für Lderschlesien adzugebrn. Tie Bereinigte» Verbände werden sich deshalb, wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung" hört, ge zwungen sehen, die Name» diejer Verbrecher an ihrem Volke bekanntzugeben, um sie so öffentlich zn brandmarken. daraus erklärt, falls -Ministerpräsident Briand in Zeiner Rede hätte sagen wollen, daß der Ver sailler Vertrag Sanktionen nicht nur in der Frage der Reparationen vorsehe, so stimme das mit den Anschauungen der britischen Regierung überein. Tie Kämpfe der Franzosen mit den Arabern. Paris, 18. März. Nach einer Havasmeldung aus Rabat ist eine Erkundungskolonne in der Gegend von Uezzan von 200 Angehörigen des nicht unter worfenen Stammes der Beni Mezara angegriffen worden. Sie seien »ach heftigen Kämpfen zurück- geworfen worden. Der Feind habe große Ver luste gehabt, darunter mehr als 100 Tote. Die Verluste der Franzosen betragen 34 Tote, darunter, 3 französische Offiziere. Die Verwundeten der Franzosen betragen 74, darunter 3 französische Offiziere und 15 Soldaten. Ter Aufruhr in Rußland. Kopenhagen, 18. März. „Berlingske Ti- dende" wird ans Hclsrngsors telegraphiert: Aus Tarijoki wird vom 18. d. M. 1 Uhr nachmittag- gemeldet: Aus Kronstadt kommen beständig neue Flüchtlinge hier an. Bisher sind an der finnischen Grenze 36000 Flüchtlinge eingctrofie». ES wird noch immer ein heftiges Geschützfeuer von Kron- tadt gehört. Nach einer späteren Meldung hörte das Gefchützseuer am Nachmittag auf Tie englische Kriegsmarine. London, 18. März. Zu Beginn der Bera tung des Marincbudgets im Unterhaus« hat Archi- s bald Shee folgenden Antrag eingebracht: Angesichts der starken Vermehrung ver Seestreitkräfte anderer Mächte ist es nötig, die Stärke der englischen Kriegsmarine bezüglich der Großkampsschiffe und der Hilfsschiffe noch zu erhöhen, damit sie einen o starken Besitz an Schiffen hat, daß sie der sanderer Staaten mindestens gleichkommt. Präsident Harding und der Friedensvertrag von Versailles. Paris, 19. Mürz. Nach einer vom „Matin" ausgegebenen Nachricht des New Volker Handels journals aus Washington soll aus sicherer Quelle verlauten, Präsidcirt Harding und die Scnals- kommission für auswärtige Angelegenheiten seien einig darüber, daß der Friedensvcrtrag von Ver sailles dem Kongreß in der nächsten Session mit einem Vorbehalt hinsichtlich des Völkerbundes wieder unterbreitet werden soll. Die Annahme des Vertrages in dieser Forin würde die An nahme aller Bedingungen hinsichtlich der Repara tionen und der Indemnitäten sowie der Feststellung der Grenzen Deutschlands, der Mandate der Be setzungen und der Verfügungen über die ehe maligen deutschen Kolonien durch die Vereinigten Staaten bedeuten. Der Belagerungszustand in Thrazien. Pari-, 18. März. Wie Havas nuS Athen erfährt, ist in Thrazien der Belagerungszustand er klärt worden. Diese Maßnahme erklärt sich durch die Tätigkeit bulgarischer Banden an der Grenze. Frankreichs Hoffnungen auf die Arbeiter. Von unserem Berliner §-Mitarbeiter. Berlin, 18. März Briand ist ein geschickter Advokat. Seine Reden sind daher meist weniger wertvoll durch das, was sie inhaltlich besagen, als durch die Nebenwirkungen, die sie zu erzielen streben. In seiner großen Kammerrede, die er soeben gehalten hat, hat er seine advokatorischc Geschicklichkeit wieder in Hellstein Lichte strahlen lassen: nachdem alle Versuche, die deutsche Regierung und das deutsche Volk in der Rcparationssrage auf die Knie zu zwinge«, einstweilen an dem starken Sinne des deutschen Volkes gescheitert sind, ver sucht er es mit anderen Methoden, und der wenig günstige Eindruck, den das rücksichtslose Vorgehen der Verbandsmächte, und besonders Frankreichs, durch Anwendung der militärischen und wirtschaft lichen Sanktionen überall in der Welt gemacht hat, bietet ihm den Anlaß dazu, diese neuen Wege zu beschreiten. Er versucht es nämlich jetzt mit den Arbeitern. Diese sollen gegen die deutsche Regierung scharf gemacht werden. Aber auch hier kann man sagen, daß, wär' die Idee nicht so ver flucht gescheit, man' wär versucht, sie äußerst dumm zu nennen. Herr Briand braucht Geld. Ec hat es dem französischen Volke versprochen, Geld, viel Geld, mehr, als in der ganzen Welt augenblicklich über haupt zu haben ist. Nun kommen die Deutschen und sagen: Geld kannst du nicht haben, aber Arbeit wollen wir dir leisten. Das ist nun ein sehr ver nünftiger und daher zugkräftiger Gedanke. Der einfache Mann in Frankreich, der immerfort die Klagen seiner Regierung hört, daß sie die zer störten Gebiete nicht aufbauen könne, weil sie kein Geld habe und solches von Deutschland nicht bekommen könnte, kann nicht begreifen, warum sie nicht das deutsche Anerbieten, mit deutscher Arbeit die angerichteten Schäden wieder gutzumachen, anzunchmen wünscht. «Tatsächlich könnte ja, das ist durch den Unternehmungsgeist in Ostpreußen hmlänglich nachgewiescn, das zerstörte Nordfrank- reich zum überwiegenden Teile wieder aufgebaut sein, wenn die Herren in Paris sich mit diesem Gedanken einer deutschen Mitarbeit hätten be freunden können. Gegen diese Absicht aber hat man an der Seine die seltsamsten Einwände geltend gemacht. Bald war es die Gefahr bolsche wistischer Verseuchung (I), die man von der Ein wanderung deutscher Arbeiter befürchtete, bald wieder war es der tödliche Haß gegen Deutsch land bei der Bevölkerung der notleidenden Gebiete, die eine Beteiligung deutscher Arbeitskräfte nicht rötlich erscheinen ließe. Auch in seiner jüngsten Rede hat ja Briand dem Abg. Hennessy gegen über die Behauptung aufgestellt, daß der Gedanke einer Zusammenarbeit mit Deutschland von den befreiten Gebieten zurückgcwieien werde. Was es damit in Wirklichkeit aus sich hat, wissen wir ja: nicht die Bewohner der befreiten Gebiete sind es, die sich dagegen wenden, sondern die französischen Industriellen und Schieber, die sich das gute Ge schäft nicht entgehen lassen wollen und lieber daS Land zerstört liege», als es durch deutsche Mit hilfe aufbauen lassen. Der Haupttrumpf aber ist nach wie vor die Unterstellung, daß die fran zösischen Arbeiter eine solche Konkurrenz deutscher Arbeiter nicht dulden könnten. Spekuliert hier Briand auf die Naivität der französischen Arbeiter, so hofft er die Sympathien der deutschen Arbeiter durch das Argument zu ge winnen: das ganze Unternehmen der Verbands mächte mit den auch der deutschen Arbeiterschaft abträglichen Sanktionen richte sich in Wirklichkeit gar nicht gegen die deutschen Arbeiter, sondern im Gegenteil gegen die deutschen Unternehmer, welche die eigentlichen Kriegsschuldigen seien, und die deshalb die Schulden aus dem Friedensverlrag bezahlen müßten. D e deutschen Banken, die deut sche Industrie, der deutsche Großhandel und die deutschen Großgrundbesitzer, sie seien alle reich genug, um das nötige Geld zur Bezahlung der Kricgsschäden herbcizuschasfcn. Dw deutschen Ar beiter fühlten nach sranzüsiicher Auffassung dunkel, daß die französischen Soldaten die wahre Republik nach Deutschland brächten. Schätzt man drüben den deutschen Arbeiter wahrhaftig für so dumm ein, daß er den Herren Briand, Poincarö, Foch, Loucheur einen derartige»