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SächsischeSlaatszeitung den Freistaat Sachsen Staatsan^eiger für Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Synodal-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der LandeS-BrandversicherungSanstalt, BerkaufSliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» folgenden Lage». Bezugspreis: Unmittelbar oder durch die Postanstalten bM.monatl. EinzAneNrn.20 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 2129b, Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum im AnkündigungS- teile 8 M., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Telle 4 M., unter Eingesandt 5 M. — Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen. Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Beauftragt mit der Oberleitung (und preßgesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Teil): RegierungSrat DoengeS in Dresden. Sonnabend, 12. Februar Nr. 35 1921 Internationale Anleihe? Pari», 11. Februar. Der Berliner «orre» spondent der „Financial News- hat seiner Jet- tnng telegraphisch mitgeteilt: „Ich hoffe, kein Ge heimnis zu verraten, wenn ich mitteile, daß der englische Botschafter in Berlin, Lord d'Adernon, zurzeit untersucht, ob die Lage in Deutschland nicht dazu geeignet sei, das Brrtraue« für eine aufzunehmende Anleihe zu rechtfertigen. Wenn dieser Plan Wirtlichkeit würde, dann wäre er eine gründliche und elegante LSsnug der Schwierigkeiten, die jetzt die Finanzsachverständigen aller Länder beschäftigen. Alle neutralen Länder könnten unter schreiben, denn sic leiden tatsächlich alle unter dem Geldüberfluß. Wo eine Arife vorhanden ist, ent steht fie nicht durch den Mangel au Geld, sonder« ist aus den ungesunden Geldverkehr zurückzuführen. Holland, die Schweiz, Schweden, Tänematk, die vereinigte« Staaten: alle Länder leiden unter dem gleichen Übel: zu viel Kapitalien, zu wenig Handel. Eine internationale Anleihe für Deutschland wäre, wie „L Oeuvre- schreibt, die wirtschaftliche Er neuerung der Welt. Die Erklärung der bayerischen Regierung. München, 10. Februar. Die gestrigen Be ratungen der bayerischen StaatSregierung und der Koalitiontzparteien haben mit der Zustimmung aller beteiligten Faktoren zu der an die ReichS- regierung zu richtende« Erklärung der bayerische« StaatSregierung heute abend ihren Abschluß ge funden. Staatsregierung und Koalitionsparteien haben der Bedeutung und Schwere deS Augen blicks in jeder Weise Rechnung getragen. Wen« trotzdem daS Ergebnis der mehrtägigen Be- ratungen, die in erfreulicher Einmütigkeit geführt und auch von der Mehrheit der Presse in dankenswerter Geschlossenheit unterstützt wurden, den bisherigen Standpunkt der bayerischen Re gierung sesthält, so beweist dies erneut aller Welt, daß daS bayerische Bolk und seine Regierung in der Erhaltung deS unentbehrlichen Selbstschutzes auch heute noch eine Lebensfrage erblickt. Die bayerische Staatsregierung hat demzufolge von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß die Reichsregierung, ebenso wie sic die »«gehn,erlichen Reparatioussorderungen ablchnt, auch dem nn- mSglichen Entwassnnngtzdiktat nicht zustimmen dürfe, di« beide rin zusammenhängendes Ganzes bilden. Sie verkennt jedoch nicht, daß der Reichsregierung die letzte Entscheidung und die Verantwortung für ihre allensallsigen Maßnahmen zufällt. Die baye rische StaatSregierung und die Koalitionsparteien haben sich in ihren Beratungen und Entschließungen ausschließlich von vaterländischen Interessen leiten lassen. Es war das Bestreben der bayerische« StaatSregierung, die Position der Reichsregierung gegenüber dem geschlossenen Willen der verbün deten Mächte zu stärken. I« diesem Geist und in der Absicht sind von ihr alle Verhandlungen gepflogen worden. Wenn nicht überall unter Zurückstellung alles Trennenden mit der gleichen Sachlichkeit und Zurückhaltung die strittige Frage behandelt worden ist, so ist daS bedauerlich, da eS viel zur Verschärfung beigetragen hat. Ter Beitritt Amerikas zum Völkerbund. London, 11? Februar. DaS die großen Finanzintcrcssen vertretende Blatt „Journal of Commerce" fordert unter Hinweis auf die uner- ledigten Verträge und die infolge der fruchtlosen Erörterungen drohende Krise den Beitritt Amerikas zum Völkerbund. Ein amerikanisches Ein- wailderungsgesetz. Loudon, 11. Februar. Nach einer Meldung ou» Washington hat der Senatsausschuß für Ein- tmmberungsfragen einstimmig einen Gesetzes- vorsWag angenommen, der bestimmt ist, an die Eleve der vom Repräsentantenhause angcnomme- «» Sesetzesvorschlag zu treten. Wenn dieser WHomvrschlag vom Kongreß angenommen wird, W »Wd die Höchstzahl fremder Einwanderer auf AB WO jährlich festgesetzt werden. Deutschlands Zahlungsfähigkeit. Tas Urteil der Sachverständigen. Berlin, 11. Februar. Deutschland-Zahlungs fähigkeit drückt sich nach dem Ergebnis der gestrigen Konferenz der Sachverständigen mit den Mit gliedern deS Kabinetts in folgenden Zahlen auS: Im Jahre 1913 betrug (immer in runden Zahlen angegeben) die deutsche Einfuhr 8 Milliarden, die deutsche Ausfuhr 5 Milliarden, sodaß wir mit einem Passivum von 3 Milliarden zu rechnen hatten. Dieses Passivum konnten wir auf unsere Schultern nehmen, da unS aus anderen Werten wie zum Beispiel aus unseren Guthaben im Auslande, der Tätigkeit unserer Handelsflotte, den Kolonien usw. Einnahmen zu flossen, die das Passivum wieder wettmachten und uns noch etwa eine Milliarde Überschuß einbrachten. Frankreich legt seiner neuen Berechnung die Bilanz von 1913 zugrunde, läßt dabei aber vollständig außer Betracht, daß wir weder unsere Handelsflotte noch unsere ausländischen Gut haben, noch die Kolonien besitzen, mithin nicht in der Lage sind, das Passivum irgendwie aus- gleichen zu können. Für 1920 können wir an nehmen, daß die Mindereinnahme weit über 3 Milliarden Goldmark beträgt. Wie sollen wir nun dieses Defizit decken? Auf der einen Seite läßt sich eine Ersparnis in beschränktem Umfange vielleicht dadurch erzielen, daß die Einfuhr ein geschränkt wird. Da dies bei den für Deutschland notwendigen Lebensmitteln nicht möglich ist, so bleiben nur alle diejenigen Gegenstände, die man etwa unter „Luxus" zusammenfassen kann. Dem steht aber wiederum entgegen, daß eine Anzahl Waren, wie Parfüms, Rotweine, Zigaretten, Tuche vorhanden sind, deren Abnahme durch uns von Frankreich und England dringend gewünscht wird. Wollen wir daher das. Ricfcndesizit von über drei Milliarden Goldmark decken, so kann das nur durch Mehrproduktion geschehen. Die Mehrproduktion jedoch ist wiederum nur durchführbar, wenn wir die Einfuhr erhöhen. Man kann rund annehmen, daß die eingeführten Produkte etwa ein Viertel des Wertes ausmachen, den die Fertigwaren bei der Ausfuhr repräsentieren. Wir werden daher erst daran denken können, unser Passivum zu be seitigen, wenn Einfuhr und Ausfuhr etwa 6 Milliarden Goldmark betragen, daS heißt, wenn unsere Ausfuhr etwa verdoppelt wird. Eine derartige Überschwemmung Europas und Amerikas mit deutschen Waren aber müßte zu einer Weltkrisis führen, die sich jetzt bereits in ihren Anfängen durch gewaltig steigende Arbeitslosigkeit und Stillegung großer Betriebe bemerkbar macht. Hierzu kommt noch, um unsere Lage zu er schweren, die 12proz. Abgabe von der Ausfuhr. Wenn wir also die Annuitäten und die 12 Proz. Abgabe erlegen wollen, dann müßte das deutsche Volk seine Ausfuhr auf etwa 14 Milliarden Gold mark steigern, was ungefähr das Dreifache der jetzigen Leistung ausmacht. Hier beginnt der Wahnsinnsreigen der Milliarden inS Unermeßliche zu steigen. Die deutschen Kabel. London, 11. Februar. Reuter meldet aus Washington, daß der republikanische Senator France im Senat eine Entschließung einbrachte, in welcher der Ankauf aller deutschen Kabel und auch der deutschen afrikanischen und Südseekolonien durch die Vereinigten Staaten vorgeschlagen wird. Die Entschließung ist an den Senatsausschuß für auswärtige Angelegenheiten verwiesen worden. Eine der Bestimmungen der Entschließung geht dahin, daß Deutschland für diesen Ankauf die Summe von 5 Milliarden Dollars auf seine Ent schädigung angerechnet werden soll. Reuter meldet dazu, daß Senator France bereits mehrere derartige Entschließungen eingebracht hätte, die von den Ausschüssen, an die sie verwiesen wurden, niemals zurückgekommen sind- Tie Arbeitslosen in England. London, 11. Februar. „DailyExpreß" meldet, die Arbeitslosigkeit im Vereinigten Königreiche nimmt zu. In der am 4. d. M. endigenden Woche betrug die Zahl der Arbeitslosen 1108000. Das bedeutet gegenüber der vorhergehenden Woche eine Zunahme von 42680. Ein Abkommen englischer und sranzöfischer Industrieller. Paris, 11. Februar. Die Agence HavaS" meldet aus London: In Großbritannien wird die Ankunft einer Gruppe französischer Industrieller erwartet, die über ein Abkommen mit englischen Industriellen unterhandeln will. Es handelt sich dabei um die im Elsaß gewonnenen Kalimengen, für deren Bearbeitung die Franzosen die nötigen Einrichtungen nicht besitzen. England besitzt diese Einrichtungen und es handelt sich darum, zwischen französischen' und englischen Unterhändlern eine Arbeitsgemeinschaft durchzuführen. Unterzeichnung des polnisch-russischen Friedens. Paris, 11. Februar. Nach einer Radiomel dung berichtet ein Funkspruch aus Moskau, daß der polnisch-russische Frieden gestern unterzeichnet worden ist. Ter Ban von Bergmannswohnungen. v^. Bochum, 11. Februar Im Wohnungsausschuß des Reichstages hat Ministerialrat Dr. Glaß über den Bau der Berg mannswohnungen folgende Zahlen mitgeteilt: Auf Grund der Kohlenabgabe sind eingegangen für Januar bis September 1920 348559 000 M., bis 31. Dezember 1920 schätzungsweise 476 Mil lionen Mark, 1921 voraussichtlich 512 Millionen Mark. Eingegangen sind im ganzen Reich (ohne Aachen und Ober- und Niederschlesien) bis September 1920 492 Mill. M., bis 31. Dezember 1920 schätzungsweise 672 Mill. M. und 1921 735 Mill. M. Zuschuß erhielten im Ruhrgebiet 5600 Wohnungen, davon 1150 fertige, 3898 im Bau, 550 noch nicht angefangene. Aus Werk« mitteln wurden im Ruhrrevier 3765 Wohnungen gebaut, von denen 1848 Wohnungen bereits be zogen und bis 1. April 1921 bezugsfertig sind. Austritte aus der kath lischt» Kirche in der Tschecho-Llowakei. Prag, 11. Februar. Nach Berichten der sozialistischen Blätter sind im Bereich von Groß- Prag während der letzten 14 Tage rund 100000 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Die Wahlen in Lüdafrika. London, 11. Februar. Wie die „Times" aus Kapstadt meldet, verfügt die südafrikanische Partei über eine Mehrheit von 25 Sitzen, die sich wahr scheinlich auf 28 erhöhen wird. Die Reise des Kronprinzen von Jnpin. Das Königreich Bagdad. Paris, 11. Februar. Pertinax macht im „Echo de Paris" darauf aufmerksam, daß Lloyd George am 8. Februar in einer Rede angekündigt habe, England wolle ein arabisches Königreich unter Paris, 11. Februar. Nach einer Radiomel- britischem Mandat errichten. Pertinax vermutet, daß düng aus Tokio wird der Kronprinz von Japan, cs sich um ein Königreich Be.gdad bandle und daß der am 4. März Tokio verläßt, auf seiner Reise der Emir Fefsal für den Thron in Frage komme, durch Europa auch Frankreich besuchen. Die Bedeutung dcr Pariser Forderungen für das deutsche Wirtschaftsleben. Von unserem Berliner (I-Mitarbeiter Berlin, 10. Februar. Das deutsche Wirtschaftsleben leidet seit dem politischen Zusammenbruch unter mancherlei Fähr- lichkeiten, die es ehemals nicht kannte, oder doch nicht zu fürchten hatte. Die deutsche Mart ist zum Spekulationsobjekt geworden und erschwert so jede Kalkulation, und das um so mehr, als Versuche des deutschen Kaufmanns, diese Ungewiß heit in seinem Calcul einzustellen, nicht nur mit Zurückziehung der erteilten Aufträge beantwortet wird, sondern von vielen Abnehmern sogar mit dem Abbruch alter Beziehungen beantwortet worden ist. Dazu kommt noch das Sinken der Rohstoff preise, wie es seit dem Herbst vorigen Jahres einsetzte, das zwar den Bezug langentbehrter Stoffe erleichterte, anderseits aber viele Waren in Deutschland selbst im Werte herabsetzte und die Abnehmer zu einer Zurückhaltung bestimmte, die wieder die Fabrikation zu Einschränkungen ver anlaßte und so Zunahme der Arbeitslosigkeit im Gefolge hatte. Diese allgemeine Ungewißheit und Unsicherheit lastet schwer auf den: gesamten deutschen Wirtschaftsleben, dem das Steigen der Mark hierfür nur beschränkten Ersatz bietet. Immerhin gewährte die Zunahme der Arbeits willigkeit, die Besserung der Berkehrsverhältniste und der billigere Bezug vieler Rohstoffe eine ge wisse Bürgschaft für einen langsamen wirtschaft lichen Aufstieg, wofern kein Eingriff diese Ent wicklung störte. Bedauerlicherweise hat sich jedoch der Verband zu einem solchen gefährlichen Eingriff in das deutsche Wirtschaftsleben entschlossen, atS er in den Pariser Beschlüssen Deutschland zur Zahlung von 226 Milliarden Goldmark im Verlause von 42 Jahren und zur Einführung eines Ausfuhr zolles von 12^ Proz. versuchten zu wollen untcr- sing. Was dieser Ausfuhrzoll soll, weiß jeder: er soll die unerwünschte Konkurrenz Deutschlands, die sich bereits in Südamerika und auch in euro päischen Ländern zum Nachteil Englands bemerk bar macht und die von anderen Ländern, wie z. B. Griechenland und den russischen Randstaaten ohne weiteres ersehnt wird, unterbinden. Und das nicht bloß für eine Reihe von Jahren, sondern auf absehbare Zeit hinaus I Hier gehen die Inter essen Englands und Frankreichs insofern konform, als ersteres sich auf diese Weise seine Vormacht stellung als erste Handelsmacht Europas sichern würde, während letzteres hierfür freie Hand am Rhein erhält, worauf ja die ganze französische Politik eingestellt ist und eingestellt bleiben wird, so lange die jetzigen Machthaber in Paris am Ruder sind. Und dann darf man eins nicht übersehen: je mehr Frankreich an seiner Ostgrenze sich festlegt, um so eher ist es geneigt, England im nahen Orient, vor allem in Kleinasien, gewähren zu lasten. Schon jetzt kann gesagt werden, daß der alte Traum der französischen Diplomatie von einer Vorherrschaft in Syrien und den benachbarten Küsten durch die Festsetzung Englands in Meso potamien seiner realen Basis beraubt ist; denn Frankreich wird dort nur als Trabant Englands auftreten können, aber nicht als Schutz- und Schirmstaat der Christenheit, welches Ziel einst den französischen Staatsmännern vorschwebte und das auch ihre kirchenseindlichen Nachfolger un beirrt im Auge behielten. Was aber nun die Festlegung der deutschen Entschädigungszahlung auf 226 Milliarden Goldmark betrifft, so ist hier Frankreich die treibende Macht. Es sieht den Franc an den Markkurs gebunden und steht vor einem Desizitbudget, das durch deutsche Zahlungen ins Gleichgewicht gebracht werden soll. Und darüber hinaus sollen die deutschen Zahlungsversprechungen dazu dienen, den französischen Kredit zu heben. Freilich wollen die Pariser Beschlüsse sich nicht mit Ver sprechungen begnügen, sie wollen sie vielmehr als Verpflichtungen in Gestalt von Bons auf den Markt bringen und mit ihnen Deutschland wirtschaftlich in stetiger Abhängigkeit halten — cS müßten denn große Goldlager aus deutschem Boden entdeckt werden, welche die Abzahlung der 226 Milliarden Goldmark ermöglichten! Doch die Aussichten hierfür sind lcidrr sehr gering!