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— 354 — dunkelt immer nur einen kleinen Theil der Erde auf-einmal, weil der Mond nicht blos kleiner ist als die Sonne, sondern auch als die Erde. Der Raum auf der Erdoberfläche, welcher sich zu einem bestimmten Zeitpunkte im Kernschatten befindet, d. h„ welchen gar kein Sonnenstrahl trifft, hat meistens nur einen Durchmesser von 30 — 40 Meilen; und Mr in der Nähe der Pole (Endpunkte) kann derselbe bis auf 200 Meilen wachsen. Der Halbschatten erstreckt sich dagegen viel weiter. Die Orte, welche vom Kernschatten getroffen werden, haben eine to- taleFinsterniß, und diejenigen, welche nur im Halb schatten liegen, eine nur partiale oder theilweise. Wenn nun auch der Schatten des Mondes in Folge Ved Fortrückung des Mondes in seiner Bahn und der Rotation der Erde über verschiedene Theile der Erde hinwegzieht, so kann doch nur ein schmaler Erdgür- tes.völlig beschattet werden und eine totale Finster- EHabcn, auch kann die Dauer derselben in ihrer Lokalität für jeden einzelnenOrt höchstens5Minu ten betragen, während die Zeit vom ersten Erschei ne^ der dunklen Mondscheibe bis zum Verschwin den derselben 2 Stunden und darüber betragen kann. Wenn zur Zeit einer Finsterniß der scheinbare Durchmesser des Mondes kleiner ist, als derjenige der Erde, so kann dieselbe nirgends total sein, sondern da, wo die Mittelpunkte der Mondscheibe ÜND Sonnenscheibe sich gegenseitig deckend gesehen »verden, ist die Finsterniß ringförmig. Weil nicht ^alle Orte der Erde vom Schatten des Mondes getroffen werden, so wird ein be stimmter Ort auf der Erde nicht alle Jahre zwei Sonnenfinsternisse haben, sondern das gilt nur von der Erde überhaupt. Jeder Ort auf der Erde hat nur aller zwei Jahre eine Sonnensinsterniß, und erst die Hundertste ist total, so daß sich eine solche für einen bestimmten Ort nur aller 200 Jahre ereignen kann. Das nördliche Deutschland kann dies Schauspiel erst wieder im Jahre 1887 erwarten. Wo die Finsterniß total erscheint, entsteht eine eigegthümliche, weder Nacht noch Dämmerung zu Nennende Dunkelkcit. Glaubwürdige Beobachter versichern, daß sie auf 5 — 6 Schritt Niemandem am Gesicht erkennen, das Chronometer (Zeitmes ser) ohne Rampenlicht nicht beobachten und von Büchern höchstens die groß gedruckten Wörter der Titelblätter lesen konnte». Äm Himmel kommen, wie, bereits oben erwähnt, Sterne erster Größe, söDö. die helleren Planeten Venus und Jupiter,, zsim Vorschein, Die Abnahme per Tageshellig- keit? erfolgt Anfangs sehr langsam, dann aber rascher und rascher,, und mit dem Verschwinde» des letzten Sonnenstrahls tritt plötzlich eine über. raschende Dunkelheit ein. Auf sehr freien Ebenen, die eine meilenweite Umsicht gewähren, kann man den Schatten des Mondes deutlich herankommen und wie ejne Wolke vor der Sonne über die Erd oberfläche dahinjagen sehen, und wenn mau end» lich selbst von demselben erreicht, Md in tiefes Dunkel eingehüllt worden ist, kann man entfernte Orte im Sonnenlichte erblicken. Der Himmel verliert sein Azurblau, und nimmt eine graue, in's Violette spielende Färbung an, was einen etwas unheimlichen Eindruck machen soll. Die dunkle Mondscheibe bleibt kenntlich, weil sie von einem glänzenden Lichtringe, wie man die Heiligenscheine abbildet, umgeben ist, von welchem gelbliche Strahen auf mehrere Grade hin ausfahren. Die Farbe der Mondscheibe soll bräunlich-schwarz sein. Ueber den Eindruck, welchen eine totale Son nensinsterniß (richtiger: Erdfinsterniß, weil in Wahrheit nicht die Sonne, sondern die Erde verfinstert ist) auf Menschen und Thiere ausübt, äußert sich ein Augenzeuge, der Professor Fedorow aus Kiew, welcher die totale Sonnensinsterniß von 1842 (bei uns war sie nur partial) in Lscherni- gow, eine Tagereise nördlich von Kiew, beobach tete, in folgender Weise: „Schon ehe die Sonnensinsterniß ansing, waren auf dem Dache des Hauses, in dessen Nähe ich meine Beobachtungen anstellte, wohl gegen 100 Tauben versammelt. Als die Finsterniß eingetre ten war, und cs immer dunkler und dunkler wurde, drängten sich die Tauben immer näher an einander und verhielten sich immer ruhiger, je dunkler es wurde. Aber gleich nach dem Ein treten der totalen Finsterniß waren sie unruhig, stiegen vom Dache auf und flogen über dem Hause herum, als ob sie ein Nachtlager suchten, welches sie in der ängstlichen Eile nicht finden konnten. Zur Zeit der Sonnenfinsterniß hatte ich großen Besuch. Es waren wohl mehr als 60 Menschen, Herren und Damen, um meinen Beobachtungs platz versammelt. Alles wünschte Antheil., zu.neh men an der Beobachtung der totalen Sonnenfin sterniß. Geräuschvoll war die in 4 Sprachen (russisch, polnisch , deutsch und französisch) geführte Unterhaltung der Anwesenden, bevor die totale Finsterniß eingetreten war. Aber gleich nach die sem Augenblicke bemächtigte sich der ganzen Ver sammlung eine erwartungsvolle Stille. Jeder der Anwesenden schien das großartige, ungewöhnlich« Naturphänomen in Andacht zu bewundern >. Mh nur durch dm ängstlichen Flug der Landen uvd dd