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28 Der Leinwand, gleich wie die reizende Sängerin Nachtigall das unscheinbarste Kleid an sich trägt. - Als Matthäus das Gewächshaus betrat, schlug ihm nicht, allein wegen der gehabten Anstrengung Vas Herz ungestümer in der Brust; jedoch trach tete er darnach, seine Wallung zu verbergen, da her er die Jungsrau leichthin begrüßte und sodann, gleich ihr, Blumen abzuschneiden begann. „Nun kann ich wohl gehen?" fragte Christel von dem andern Ende des Gewächshauses her. „Ich besorge, daß ich mehr verderbe, als nütze." „Bewahre!" versetzte Matthäus gepreßt und wischte sich die Hellen Schweißtropfen vom hoch- gcrötheten Antlitze — „wenn Sie sonst ein wenig Zei^ übrig hat —" „Aber wenn ich Schaden mit meinem Schnei den und Brechen anrichte?" entgegnete Christel mit besorgtem Tone. Matthäus mußte der Jungfrau in seinem In nern Recht geben, denn dort schnitt und brach jene offenbar zu seinem Schaden, wie wohl bei- tzes ihm ganz und gar nickt schmerzte. Daher .erwiderte er auch: „Ich dächte gar! Meine Faust ist ja ungleich härter als Ihre Hand, Christelchen, und schon darum wird es den Blumen nicht so wehe thun, wenn sie von Ihr geschnitten oder ge brochen werden." -Gegen Abend waren die Sträußchen gebunden und Matthäus wanderte mit denselben Wohlge muth in die Altstadt hinüber in den von Flem- mingschcn Palast auf der Kreuzgasse, wo die Für stin Pctrikowska ihre Wohnung hatte. Wenn jetzt Dresden einen wohlgeordneten Haus halt vorstellt, in welchem, von den höchsten bis zu den untersten Kreisen herab, ein weises Ver- hättmß zwischen Einnahme und Ausgabe beobach. tet wird, so war dagegen die Zeit Augusts II. eine solche, welche, angestcckt von dem' Beispiele des Regenten, einer maßlosen Verschwendung, Prunkliebe und Genußsucht fröhnte. Der Glanz vieler tausend brennender Wachs kerzen blendete des schlichten Gärtners Blick, als er dem Palaste nahete. Ein Wald von duftender Orangerie und anderen ausländischen Gewächsen, welcher von. der Hausflur an sich diebreiten Trep pen hinauf und bis in den Vorsaal hinzog und in dem zauberischen Lichte bunter Lampen schim merte, empfing unsern Matthäus, welcher jetzt erkannte, daß sein Gewächshaus wohl das Letzte gewesen sei, dessen duftende Erzeugnisse man zu dem heutigen Festmahle verlangt hatte. Da er auf Vie Bezahlung der gelieferten Blumen eine Zeitlang warten mußte, so hatte er Gelegenheit, die Menge und den Glanz der geladenen Gäste zu sehen, welche von Juwelen, Gold, Silber und Seide starrten. Mit Mühe entging er den Rä dern der zahllos hcranrollenden Kutschen, deren hell lodernde Pechfackeln seine Augen blendeten. Endlich war er dem betäubenden Treiben der Re sidenz entronnen und befand sich auf dem einsa men Wege zu seiner Wohnung, welche dunkel wie die Nacht am Rande des Stromes lag. Kein Licht war im ganzen Hause sichtbar, denn bereits hatte es zehn Uhr geschlagen. Was dem Reiter das Pferd, ist dem Gärtner sein Gewächshaus, welches zu versorgen sein erstes und hauptsächlich stes Geschäft sein muß. Daher richtete auch Mat thäus, bevor er in seine Wohnung Hinaufstieg, seine Schritte nach dem Gewächshause hin, um noch einmal im Ofen nachzulegen. Er klinkte auf und trat ein. „Ei, ei! hm! hm!" brummte er betroffen vor sich hin — „weich'eine Wärme das! Vierzehn, fünfzehn Grad mindestens. Wer hat mir dies gethan? Die Mutter nickt, denn ich habe es ihr ernstlich eingeredet, nicht herunter zu gehen. Sollte Christel —?" Er zündete die bereit stehende Lampe an und leuchtete mit ihr nach dem Wärmemesser. „Bei nahe 16 Grad! ha! da ist auch fast das ganze Holz verfeuert! Ist das ein Freund oder Feind gewesen? Wahrlich, es lhät Noth, ich verschlösse noch daS Gewächshaus besonders." In Gedanken versunken, stand Matthäus da. Die Fenster des Gewächshauses waren mit Bre iern fest verwahrt. Es war so still, so warm und huschig in dem duftenden Raume. Die Blu men senkten träumerisch ihre Kelche oder hatten dieselben, wie der Mensch seine Augen im Schlafe, dicht geschlossen. Die grünen Blätter schimmerten saftig in der Lampe schwachem Schimmer, regten sich aber nicht, als ob sie von einem Zauberbanne getroffen wären. Matthäus bemerkte Nichts, er löschte die Lampe aus und ging hinauf in sein Bett. Auch ohne geweckt zu werden, stand Matthäus zu der bestimmten Stunde auf. Dies war heut um 3 Uhr Morgens der Fall. Der junge Gärt, ner warf seinen Schafpelz um, öffnete das Kam merfenster und steckte, sich völlig zu ermuntern, das Haupt hinaus in die frischkalte Morgenluft Noch war es völlig dunkel draußen. Nur ein breiter, grauer Streifen deutete in unbestimmten Umrissen den Lauf des Elbstromes an, über wel chem der Hauch Gottes — ein kühler Morgenwind — schwebte. Völlig ermuntert verließ Matthäus seine Schlafkammer, um hinabzusteigen und mit einem Arme voll Holz nach dem Gewächshause zu gehen, dessen Wärmestand nach seiner Mei nung wieder einer Erhöhung bedurfte. Allerdings