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116 „Änd hübsch snn" — bemerkt« der Schnitt- Händler. _ „Auch nicht zu alt" — Reinwart, der dabei an seine Prinzipalin dachte. ,>Dabei lenksam und gutmüthig" — fuhr Ei- senhuld sort. ,,Sonst unterwirft sie sich nicbt dem Willen VeS Mannes und rückt kein Geld heraus." Lie vier RedacteurS brachten endlich folgenden Aufsatz zu Stande: „Ein junger Kaufmann von angenehmen Aeu- ßern, unbescholtenen Sitten und ein tüchtiger Geschäftsmann» sucht, aus Mangel an Be kanntschaft, auf diesem jetzt so beliebten und mit dem besten Erfolge gekrönten Wege eine Lebensgefährtin, die, in den zwanziger Jah ren stehend, gebildet am Körper wie am Geiste, sanft, wirtschaftlich und beglückender Triebe fähig sein muß. Auf solche Eigenschaften wird mehr gesehen, als auf ein großes Vermögen, das übrigens durch hypothekarische Versiche rung vor möglichen Verlusten bewahrt wer den kann. Geneigte frankirteAnträge erbittet man sich unter der Adresse: k. !>. I). L. L.eip-ix, poste restante, und verspricht zu gleich di« größte Diskretion." „Du wirst schon sehen —" sagte der Banquier zu Rrinwart, wetwer es durchgesetzt hatte, daß das Vermögen der Braut erst hinter deren guten Eigenschaften die Stellung einnahm — „daß sich lauter unbemittelte Damen melden werden, die durch uns unter die Haube zu kommen gedenken." „Das fürchte ich gerade nicht —" versetzte Nein- wart --- „Und gesetzt auch, daß sich viel Spreu herbeimachen würde, so hoffe ich doch darunter auch desto gediegenere Goldkörner zu finden, die sich außerdem durch einen, lediglich auf Geld ge richteten Antrag zurückschrecken lassen dürften." Die Heirathslustigen gingen endlich, nachdem sie Reinwart mit dein Durchsehen der eingehenden Anträge beauftragt hatten. Dieser glich einem Briefträger, als er nach acht Tagen von der Post kam. Alle Taschen und Hände voll der Schreiben Mit der obengedachtcn Adresse. Und nun halte er Gelegenheit, die wunderbaren, zuweilen gar nicht zu entziffernden Schriftzüge weiblicher Hände, deren Styl und Recht-— nein, Falschschreibekunst zu bewundern. Es gab keinen Buchstaben des Alphabets, der nicht durch einen oder mehre Vor namen der brautlustigen Jungfrauen und Wittwcn vertreten gewesen wäre, von Aurelia und Aurora an, bis zur Zenobia und Zerline herab. Stricker-, Sticker-, Nähter-, Stuben-, Kammer-, Laden mädchen; Putzmacherinnen und Schneiderinnen, Blumenverfertigerinnen und Schriftzeichnerinnen, Jungfrauen ohne Beschäftigung und junge Witt- wen ohne Gewerbe — Summa: eine Armee weib licher Heirathskandidaten machten ihr Anerbieten, den jungen, bewußten Kaufmann durch Liebe und Gattentreue zu beglücken. Aber ach! kein Ster benswörtchen von einem sicherzustellenden Vermögen. „Wie ich vorausgesagt habe!" sprach der Ban quier Dietrich. „Das hast Du von Deinem zar ten Gefühle, das sich gegen das bestimmte Ver langen einer reichen Mitgift verwahrte. Run ha ben wir ein Heer Heirathskandidatinnen auf dem Halse. Wie sie nun mit guter Manier wieder loswerden? „Wir bestellen sie insgesammt zu der selben Stunde in den vorstädlischen Park" — sagte der Musterreiter — „ein weißes Schnupftuch in der Hand ist das Erkennungszeichen — das giebt eine Scene zum Todtlacben, wenn die vielen Ne benbuhlerinnen einander treffen werden." „Das ist unedel —" schalt der wackere Rein- wart — „abscheulich sogar. Gegen ein solches Verfahren sträubt sich mein ganzes Gefühl." „Das Mittel ist, wie ich zugebe, etwas stark" — meinte der Schnitthändler — „allein probat. Dann möchte ich auch unsre Bräute von Angesicht und Gestalt kennen lernen." Die Mehrzahl drang durch im Nathe, und der überstimmte Reinwart konnte demnach die Aus führung des gefaßten Beschlusses nicht verhindern. Himmel! weich' eine Schaar von Frauen- und Mädchengestalten zu der anberaumlen Stunde die sonst so öde Platanenallee des Parks erfüllte! Die Schönen und Nichtschönen staunten billig ob des unverhofften Zusammenflusses, erachteten sich für gefoppt; giftige Blicke wurden gewechselt, verle tzende Worte fallen gelassen und dennoch das weiße Schnupftuch, theils offen, theils etwas versteckt, in die Hand genommen, sobald die vier Freunde sich einfanden. : Leinwart war kein böser Mensch. Es schnitt ihm schmerzvoll in's Herz, als seine Gefährten mit neugierigen, rohen und lächelnden Blicken die Brautmusterung hielten. „Jhr.Aermsten!" sprach er wehmüthig, bezüg lich der Frauengestalten, zu sich selbst — „ihr folgt ja nur dem heiligsten und unwiderstehlichsten Triebe der Natur und wollt, demselben gehorchend, euch der Willkür von euch unbekannten Männern, so wie einer ungewissen, ja selbst unheilvollen Zu kunft anvertrauen. Wehe unserm gekünstelten, un natürlichen Staatsleben, das so viele Lausende zur Ehelosigkeit verdammt." , (Fortsetzung folgt.) -OS«—