Volltext Seite (XML)
114 Hat man den Saum des Waldes erreicht, so ist man der Gefahr entgangen, wenigstens folgen sie einem bei Heller Tageszeit nicht in die offene Gegend." Weit gefährlicher ist es, in langen und strengen Wintern zu Pferde auf einen Haufen von Wölfen zu stoßen. Ist man nicht allzuentfernt von einer Ortschaft, so tyut man wohl, zu flüchten. Die Kunstgriffe, deren man sich als Fußgänger bedient, sind zu Roß nicht ausführbar, und dazu reizt das Roß die Freßgier der Wölfe viel stärker als der Mensch, der ihnen zum Glück noch keine bekannte und gewöhnte Speise geworden ist. Packen sie das Pferd an, so ist gewöhnlich auch der Reiter verloren, und ist dieser bewaffnet, und vertheidigt er sich gut, so hat er doch sicher den Verlust seines Thieres zu beklagen. So war es vor mehreren Jahren einem Postbeamten, welcher auf dem Um wege über das Städtchen Parczow von Wlodama nach Siedlce reiste, nicht einmal möglich, seinen Postillon und seine Schwester zu retten. Kaum hat er das Dorf Sos- nowica verlassen und befindet sich in dem Bruchwald, der durch eine Menge von Teichen ziemlich durchbrochen und hell wird, als er sich von 17 bis 20 Wölfen verfolgt sieht. Da die Raubthiere ihm nicht entgegen, sondern nachkom men, so ist eine Rückkehr nach Sosnowica unmöglich. Es bleibt nichts übrig, als durch die Schnelligkeit der vier starken Pferde die Rettung zu suchen, welche nach russi scher Manier neben einander gespannt den Schlitten ziehen. Allein die Wölfe sind schneller als die Pferde und haben die Flüchtlinge bald eingeholt. Anfangs suchen sie von hinten in den Schlitten zu dringen und die beiden darin befindlichen Personen zu fassen. Allein der Sprung in den Schlitten ist nicht leicht, und da dieser sich sorrbewegt, so stürzen die verwegensten Angreifer hinter dem Schlitt.n zur Erde, die andern fallen über diese hinweg, und da durch werden Alle in der Verfolgung aufgehalten, so daß der arme Pawlowsky zu entkommen hofft. Allein jetzt ver suchen die Wölfe den Angriff von der Seite. Die Schuß waffe des Verfolgten bleibt ohne alle Wirkung, doch wer den sie auf der rechten Seite durch einen alten schweren polnischen Pallasch mit Erfolg zurückgehalten, aber auf der linken Seite gelingt es einem, emporzukommen. Er packt die Schwester des Beamten in der Schulter, reißt ihr die linke Brust förmlich vom Körper ab und wird dann erst durch einen Säbelstich von dem Bruder der Unglückli chen getödtet. — Inzwischen haben einige Wölfe das Pferd auf der rechten Seite in der Weiche gepackt und richteten es durch Bisse jämmerlich zu. Bald drohte es zu stürzen. Der Postillon reißt dem Beamten den Säbel aus den Hän den, um damit die Stränge durchzuhauen und das halb- zerrissene Pflrd zurückzulossen. Dies, mag er glauben, werde die Wölfe befriedigen und die übrigen drei Pferde und Menschen retten. Aber das unglückliche Thier rennt noch, es bietet, von Schmerzen gemartert, alle seine Kräfte auf. Die Fahrt wird rasend schnell; der Postillon, mit Durchschlagen der Stränge beschäftigt und auf den Weg nicht achtend, wird von seinem schmalen Sitze geschleudert, eine Strecke geschleift und bleibt endlich überfahren und besinnungslos den Wölfen zur Beute liegen. Man hat nie wieder etwas von ihnen gesehen, auch sein Gerippe nicht gesundem — Ein Theil der Wölfe war bei den Kör pern des Postillons und des Pferdes zurückgeblieben. Vier indeß begleiteten den Schlitten bis in das Dorf Uchnin, wo mehrere Bauern die vor Furcht rasenden Pferde auf hielten, 2 Wölfe mit den Aexten niederschlugen und die beiden letzten zur Flucht nöthigten. Die Dame starb ei nige Wochen darauf in Warschau, wo sie geheilt werden sollte. —SG«— Amerika, beurlheilk von Sem berühmten, im vorigen Eahre gestor benen, Michler Mikolaus Miemösch von Wtreh- lenau (Kenau) in einem «Mriese an seine Areun-s in im iAahw 1832. es einem (Auswanderer von Gemiilh und dichterischem Geiste in -cm farblosen Amerika zu E"lhe wird, dafür möge dieser nur vor Wurzem erst gedruckte «Mrief eines un serer edelsten und gefühlvollsten Geister sprechen. Theure Freunde! Hier sitze ich in Lisbon, einem Städtchen am Ohio, rauche meine Pfeife auf Ihre Gesundheit und beantworte endlich Ihren lieben Brief. Wie mir Amerika gefällt? — Für's Erste, rauhes Klima! Heute ist der 5. März und ich sitze am Kamin; draußen liegt Fuß tiefer Schnee und ich habe ein Loch im Kopf, das ich mir gestern bei einem tüchtigen Schlittenumwurf gefallen habe. Die Wege der Freiheit sind sehr rauh; das Loch im Kopse aber ist sehr gut; ich glaube, durch die ses Loch werden die letzten Gedanken an ein wei teres Herumreisen (eigentlich Herumrasen), glück liche Menschen und überhaupt ein besseres Erden leben zu finden, aus meinem Kopfe hinaussahren. Wie aus dem geöffneten Bierkrug die sire Luft, so machen sich aus meinem geöffneten Kopfe die fixen Ideen los. Für's Zweite, rauhe Menschen! Ihre Rauheit ist aber nicht die Rauheit wilder, kräftiger Natu ren, nein, es ist eine zahme und darum doppelt widerliche. Buffon hat Recht, daß in Amerika Menschen und Thiere von Geschlecht zu Geschlecht weiter herabkommcn. Ich habe hier noch keinen muthigen Hund gesehen, kein feuriges Pferd, kei, nen leidenschaftlichen Menschen. Die Natur ist hier entsetzlich matt. Hier gibt es, wie Sie wis sen, keine Nachtigall, überhaupt keinen wahren Singvogel. Dieß scheint mir ein poetischer Fluch zu sein, der auf dem Lande liegt, und von tiefer Bedeutung. Der Natur wird es hier nicht so wohl um's Herz, oder so weh, daß sie singen müßte. Sie hat kein Gemüth und keine Phantasie, und kann daher auch ihren Geschöpfen nichts der gleichen geben. Es ist was recht Trauriges, diese ausgebrannten Menschen zu sehen in ihren ausge brannten Wäldern. Besonders haben die einge- wanderten Deutschen einen fatalen Eindruck auf mich gemacht. Wenn sie einige Jahre hier gewe sen, haben sie alles Feuer, das sie aus der Hei mat!) mit herübergebracht, bis auf den letzten Funken verloren. Das bekennen sie selbst. „In Deutschland war ich ein ganz anderer Kerl", sagte einer. „Da würde ich Jeden hinter die Ohren