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9. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 16. Juni 1990, 19.30 Uhr Sonntag, den 17. Juni 1990, 19.30 Uhr oreeoner oNIbisrnooniio* Dirigent: Jörg-Peter Weigle Solistin: Jenny Abel, BRD, Violine Frank Petzold geb. 1951 Sinfonie in F Adagio - Allegro Adagio — Largo Scherzo (Vivace) Finale (Allegro moderato) Uraufführung Kurt Weill 1900-1950 Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 (1924) Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 und 40. Todestag des PAUSE (Jupiter-Sinfonie) Sachsenradio (Sender Sinfonie C-Dur KV 551 Allegro vivace Andante cantabile Menuett (Allegretto) Finale (Molto allegro) Das Konzert wird von Dresden) aufgezeichnet und am 26. Juni im „Dresdner Abend" übertragen. Andante con moto Notturno - Cadenza — Serenata Allegro molto un poco agitato Erstaufführung (Zum 90. Geburtstag Komponisten) Aus dem Haus des Dichters Theodor Storm in Husum an der Nordsee gebürtig, begann JENNY ABEL mit sechs Jahren das Geigen und debütierte schon im Jahr darauf. Anstelle einer Wunderkindkarriere wurde ihr ein langes und vielseitiges Studium zuteil: neben Vio line (Ulrich Koch, Max Rostal, Henryk Szeryng), Klavier (mit dem sie einen Wettbewerb gewann) und Kompo nieren, auch Malerei, und später Gesang. Die Diri genten Rudolf Kempe, Hans Rosbaud, und Hans Schmidt-Isserstedt waren frühe Förderer. Nach Auftrit ten in der Bundesrepublik Deutschland wurde sie bald vom Ausland entdeckt. Seitdem bereist sie ganz Euro pa, die USA, Südamerika und Asien. Radio, Fernsehen und Schallplatten machten sie darüber hinaus bekannt. Ihre Aufnahmen — darunter als Schallplatten-Weltpre- mieren die Gesamtaufnahmen der Werke für Violine und Klavier von Robert Schumann, Johannes Brahms und Bela Bartök — wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis. Sie musizierte mit großen Orchestern und Dirigenten, im Duo Violine/ Klavier mit Paul Badura-Skoda, Leonard Hokanson, Wilhelm Kempff, Roberto Szidon und in Abenden für Violine allein. Hans Werner Henze schrieb seine „So nata per violino solo, Tirsi, Mopso, Aristeo“ als Hom mage für Jenny Abel. Meisterkurse gab Jenny Abel an der California State University, Los Angeles, der Royal Academy of Music, Dublin und an anderen Hochschulen. Die Künstlerin spielt die Geige „San Rafael" von Giu seppe Guarneri del Gesü aus dem Jahre 1739. ZUR EINFÜHRUNG Frank Petzold, 1951 in Zwickau gebo ren, studierte 1968-1974 an der Dresdner Mu sikhochschule (Komposition bei Siegfried Köh ler, Klavier bei Gerhard Berge, Dirigieren bei Rudolf Neuhaus) und war 1979—1981 Meister schüler für Komposition an der Akademie der Künste der DDR bei Rainer Kunad. 1974—1977 wirkte er zuerst als Chordirektor, später als 1. Kapellmeister am Theater der Altmark in Stendal, 1977-1979 als Schauspielkapellmei ster an den Bühnen der Stadt Magdeburg, 1979-1981 als Pianist der Jazz-Formation „Hu mus". Seit 1981 ist er freischaffend tätig als Komponist und Pianist, zunächst in Magde burg, heute in Cottbus. 1973 erhielt er den Förderungspreis des Carl-Maria-von-Weber- Wettbewerbes Dresden, 1984 den Hans-Stie- ber-Preis. Er schrieb u. a. die Kammeroper „Das Kälberbrüten" (nach H. Sachs), die ko mische Oper „Prinzessin Zartfuß", ein Klavier konzert, zahlreiche Kammermusiken, vielfach auch von Musikern unseres Orchesters aufge führt, Chansons, Lieder, viele Jazz-Titel bzw. Kompositionen, die eine Synthese von Sinfo- nik und Jazz anstreben. In einem Presseinter view sagte Frank Petzold: „Solange ich über zeugt bin, daß ich eine persönliche Handschrift, etwas Besonderes in die Musik einbringen kann, komponiere ich", und speziell zu seiner Sinfonie in F, die in den Jahren 1986/88 entstand, äußerte er folgende Gedanken: „Es ist ein zutiefst persönliches Werk, ein rigoro ses Bekenntnis zu meiner Art des Musizierens. Bereits mit meinen ersten Kompositionen, noch als Spezialschüler hier in Dresden, bestand diese Art zum großen Teil darin, daß ich mich mit ziemlicher Treffsicherheit genau zwischen alle möglichen Stühle setzte. Ob das nun die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik, ob das Genreunterschiede betrifft (z. B. Lied - Chanson) oder auch im Bereich des Musik theaters (meine Oper .Prinzessin Zartfuß' enthält stark musicalhafte Elemente), stets ge höre ich zwei Lagern an, genauer betrachtet jedoch - zu keinem, denn besonders in den Medien (wie Funk, Verlage, Zeitschriften usw.) verweist mich jedes Lager in das jeweils an dere. Um so mehr freue ich mich, daß meine nun schon langjährige Zusammenarbeit mit der Dresdner Philharmonie in einen Kompositions auftrag für Orchester gemündet ist. (Urauf führungen meiner Stücke in ganz .normalen' Anrechts- oder Kammerkonzerten sind mir um vieles lieber als der doch oft ghettohafte Cha rakter bei Konzerten mit ausschließlich zeitge nössischer Musik. Die .Sinfonie in F 1 hat vier Sätze, dazu Pro log und Epilog, jedoch ist die Großform im Grunde zweiteilig. Die ersten drei sehr unter schiedlichen Sätze werden mehr oder weniger abgebrochen (durch Instrumente wie Klavier und Klarinette, die mir persönlich sehr nahe stehen), erst im 4. Satz (Finale) werden Ent wicklungen ganz ausmusiziert. Das Klavier wird weitestgehend solistisch behandelt, mit teil weise jazzigem Flair. Mein Kompositionslehrer an der Dresdner Hochschule, Siegfried Köhler, sagte in ein^k Interview ,. . . für viele und für wenige^^ schreiben, scheint mir heute die einzige Auf gabe für einen Komponisten zu sein, die sinn voll ist. 1 Diesem Gedanken fühle ich mich sehr verpflichtet, mögen also Publikum und Fach leute gemeinsam darüber befinden, ob mein musikalisches Bekenntnis angenommen wird oder nicht." Kurt Weill, am 2. März 1900 in Dessau geboren, erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst in seinem Heimatort bei Albert Bing, dann an der Berliner Musikhochschule u. a. bei Engelbert Humperdinck (1918/19) und Fer- ruccio Busoni (1920/23). Seine Neigung rich tete sich stark zum Musiktheater. So arbeitete er in Berlin mit Yvan Goll und Georg Kaiser, 1927/30 vor allem mit Bertolt Brecht zusammen. 1926 heiratete Kurt Weill die Schauspielerin und Sängerin Lotte Lenya. Nach der Emigra tion 1933 nahm er Aufenthalte in Paris und London, 1935 auf Einladung Max Reinhardts endgültig in den USA (New City bei New York und Hollywood), deren Staatsbürger schaft er 1943 erhielt. Kurt Weill ist am 3. April 1950 in New York gestorben. Es mag seltsam erscheinen, daß ausgere'MB net ein Violinkonzert der Feder eines Kompo nisten entstammt, der die „Dreigroschenoper", „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und unverwechselbare Songtypen schuf. In der Tat umfaßt das Weillsche CEuvre mit zwei Sinfo nien, ebendiesem Konzert, der „Kleinen Drei groschenmusik“ und einigen kleineren Orche sterwerken weniges an Instrumentalmusik. Das Konzert für Violine und Blasor chester op. 12 verdankt seine Entste hung mehr oder weniger dem Zufall der Be gegnung Weills mit dem Geiger Joseph Szi- geti auf einer Italienreise im Jahre 1924. Die Uraufführung ein Jahr später in Paris fand