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88 „Ach, warum sagtet Ihr mir auch dann noch nichts!" klagte Christel. „Sollte ich Euerm Glücke hinderlich sein?" fragte Matthäus. „Ich bin ein armer Gärtner und kein reicher Hofchirurgus, kann Euch keine Schnur Sophienducaten zum Mahlschatze und kein theures Seidenzeug mit großen Blumen zum Braut kleide schenken." „WaS schadet das?" entgegnete Christel wei nend — „die Blumen Eures Gartens sind noch weit schöner und ich würde mich glücklich geschätzt haben, —" «'^Hinaus!" unterbrach sie hier der Leibchirur- guS — „hinaus mit Euch! Laßt mich allein, ich beschwöre Euch!" Er schob mit Gewalt das Paar durch die Lhüre fort. „Neit, Ihr werdet doch nicht?" rief Matthäus argdenklich und blickte forschend umher, ob ein Strick in der Nähe liege. „Denkt an den Nagel und an den lieben Gott." „Schweigt!" gebot Neit strenge, — „und tragt um mich keine Sorge." „O Christel!" sagte Matthäus draußen zu der Jungfrau — „war es Dein Ernst mit dem, was Du im Gewächshause sprachst? Ach, wie lange schon ist's, daß ich Dich so recht von Herzen lieb habe, hast Du denn nichts davon gemerkt?" „I nun manchmal glaubte ich es wohl" — versetzte Christel verschämt — „und gram war ich Euch auch nimmer, wie Ihr gleichfalls gemerkt haben müßt." „Und Du könntest die Frau eines armen Kohl gärtners werden und die Dir gebotene glänzende Stellung darüber vergessen?" Christel senkte ihr Köpfchen bejahend auf ihr Busentuch nieder. „O liebe, liebe Christel," rief Matthäus voller Freude, umfing das Mädchen und wollte schon einen Kuß auf dessen Rosenlippen drücken, als er plötzlich die Hände wieder sinken ließ und hastig sprach: „Laß mich erst nach dem Neit sehen, ob er sich etwa zum zweiten Male aufhängen will — " Er näherte sich dem Gcwächshause und schielte verstohlen durch dessen Fenster. „Gott Lob!" sprach er zurückkehrend — „er liegt vor dem bösen Nagel auf den Knieen und — betet! Nun habe ich keine Sorge mehr um ihn. Aber, Christel, um wieder auf unsere Sache zurückzukommen — hast Du auch bedacht, daß Du als meine Frau mir wirst im Garten helfen, zum Beispiel Wasser pumpen, jäten, mit grüner Waare zu Markte fahren müssen?" „Zehnmal lieber als den ganzen Tag nähen" — betheuerte Christel. „Deine zarten weißen Händchen werden hart und schwielig werden, und einen Huf bekommen, Dein Gesicht und Hals werden die Sonnenstrah len bräunen und verbrennen —" „Thut Alles nichts! Ich lasse mir nicht Angst machen durch Dich —" versetzte Christel. „Wird aber auch Deine Mutter einwilligen wollen?" fragte Matthäus besorgt. „Gewiß!" erwiderte Christel. — „Vielmals hat sie Dich zu ihrem Schwiegersöhne gewünscht und hört sie, daß der Leibchirurgus schon am Stricke gezappelt hat, so giebt sie ihm gleich die Schippe." Da umsing Matthäus seine Braut und küßte sie zum ersten Male, und er sprach dabei mit ge rührter Stimme: „Du hast Reckt gehabt, Mut ter, daß der Herr Alles wohl machen würde." Jetzt kam auch Neit aus dem Gewächshause hcrauSgeeilt. „Ich habe den Nagel aus der Wand gezogen —" sprach er hastig zu Matthäus — „und nehme ihn mit heim, denn ich habe ihn theuer erkauft und daher verdient." „Nehme Er auch gleich seine Schnur Ducaten und das Brautkleid mit —" sagte Christel — „Matthäus war mir eher gut, als Er, und ich ihm nicht minder." „Trage ich etwa nicht schwer genug an dem Korbe, den Sie mir aufhängt?" versetzte Neit — „soll ich noch mehr aufladen? Behalte Sie den Plunder, Jungfer! Aber darf ich bei Ihrer Hoch zeit den Ehrentanz mit Ihr tanzen, den ich als glücklicher Bräutigam Ihrem Liebsten zugedacht hatte?" „O, zehn für einen!" rief Matthäus dankbar aus. „Ihr seid ein edler Mann, Neit! Nun ist Eure Sünde ganz und gar ausgewetzt und der liebe Gott gewiß Euch wieder hold und' gütig." „Der bewußte Nagel war doch zu etwas gut!" behauptete Neit — „Ohne ihn hättet Ihr beide Euern Mund nicht aufgethan, und wir Alle wä ren unglücklich geworden." „Nicht der Nagel —" erwiderte Matthäus an dächtig — „sondern Gottes Gnade, welche das böse Thnn der Menschen zum Besten zu lenken weiß." Auf der Hochzeit des glücklichen Brautpaares tanzte Neit wirklich den Ehrentanz mit der Braut und mehrere noch dazu. Auch schien seine Fröh lichkeit keine blos erkünstelte zu sein, denn: ver leiht Rechtthun nicht die reinsten Freuden? Als Hochzeitsgeschenk zeigte Neit eine Urkunde vorh in welcher er sich als den Käufer des Gartengrund stücks auswies, welches Matthäus in Pacht hatte. Dieselbe sicherte ferner der Familie Nischeck die