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„Führe mich nicht in Bersnchvnz» Herr," be- tete er voll Inbrunst —- „sondern erlöse mich von allem Uebel; denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen." Dann wankte er aus dem Gewächshaus« und seiner Wohnung zu. „Wie kömml's" — sprach er wehmüchig — „daß mich auf einmal mein Garten nicht mehr freut? Daß die 50 Ducaten in meiner Tasche mir nicht werther sind als eben so vielt Kiesel steine, da doch sonst der errungene Besitz eines einzigen schon mich beglückte?" — „Es ist Chri stels Lösegcld," sprach er oben zu seiner Mutter, als er derselben die Rolle mit den Ducaten ein händigte. „Wenn Ihr mich liebt, so sagt kein Sterbenswörtchen davon, daß ich sie als meine Frau heimzuführen gedachte. Thut Euch eine Güte mit dem Golde und zankt nicht, wenn ich mich ein wenig härmen sollte." „Schicke Dich in des Herrn Willen, mein Sohn!" sprach Frau Nischcckfromm — „Er wird Alles wohl machen." Nach einigen Tagen sah Matthäus den Leibcki- rurgus an Christels Seite in den Garten treten. Da lief er davon, um sich vor den Blicken des glücklichen Brautpaares in einem Winkel des Ge wächshauses zu verstecken. Allein dieß half ihm nichts, denn gar bald hatte ihn Reit daselbst auf gesucht und entdeckt. „He, Freund Nischeck!" rief er ihn an — „ich komme, Euch schuldigermaßen meine Jungfer Braut vorzustellen, Ihr kennt Euch ja schon ge genseitig." Wie Mätthäus, so wechselte auch Christel die Farbe, als sie stumm einander gegenüb'erstanden. Matthäus bemerkte, daß die Braut sehr angegrif fen und eben nicht vergnügt aussah, und dieser sielen die verstörten Züge deS jungen Gärtners nicht minder auf. „Erinnert Sie sich noch, Jungfer Christel" — hob Neit zur Braut an — „wie Sie hier,auf den Schemel saß und ich Ihr eine Zahnlücke rei ßen sollte? Das hat unS eben zusammengcbracht. Ueberhaupt ist dieses Gewächshaus für mich ewig denkwürdig geworden. Sieht Sie, Jungfer! un ter diesem Blumengestelle fand mich Freund Nischeck auf einem Haufen von Blumenzwiebeln, Papier säcken und Strohwischen schlafend liegen. Hier war später meine Schlaf- und meine Studirstube; dort endlich sieht Sie einen großen Nagel, von welchem mich Freund Nischeck im rechten Augen blicke losschnitt, als ich mich aus Lebensdruß da ran gehängt hatte und bereits mit den Beinen zappelte." „Wie?" fragte Christel entsetzt und entzog ih. ren Arm dem des Leibchirurgen „Et hätte wirklich — „Ich harte wirklich schon den Hals in der hän fenen Schlinge —" betheuerte Neit arglos — „und wärt langst schon im Elysium oder im Or kus, wenn der da nicht gewesen wäre." „Und Er konnte sich unterstehen mich heirathen zu wollen —" fragte Christel zornerglühettd — „nachdem Er den unchristlichen Vorsatz gehabt hat, sich zu ermorden? Einem solchen Manne gebe ich nun und nimmermehr meine Hand. Ohnehin that ich's nur meiner Mutter zu Liebe, aber diese wird nun selbst dawiderreden, erfährt sie, was Er Willens gewesen ist. Und das konnte Er mir noch mit lachendem Munde erzählen? Welche Sünde!" Während dem Leibchirurgus ob dieser Straf predigt der Mund vor Verwunderung offen stehen blieb, sagte Matthäus sich vergessend, zu Schön- Christel: „Niemand sei auf seine Tugend stolz. Es kön nen Augenblicke kommen, wo man seines GotteS und seiner Pflichten vergißt. Griff ich doch selbst schon nach dem Stricke, als ich die Kunde von Eurer Verlobung erhalten, um mich an denselben Nagel zu hängen, und wäre mir nicht meine arme Mutter beigcfallen, und daß mich der Henker, vor Euren Augen auf der Kuhhaut aus dem Garten schleifen würde: wer weiß, ob ich mein Vorha ben unausgeführt gelassen hätte!" Auf's Neue bewährte sich hier das lateinische Sprichwort: „Duo, eum faolunt irl«m, von est iäom" — (wenn zwei dasselbe thun, ist's doch nicht dasselbe) indem Christel, anstatt in einen eben so heftigen Unwillen wie vorhin bei der Kunde von Neit's beabsichtigtem Selbstmorde aus zubrechen, sich jetzt mit der verwundert ausgespro chenen Frage zum Matthäus wendete: „Wegen meiner Verlobung wolltet Ihr ein Selbstmörder werden? Und warum denn das?" „Weil ich Euch so gut war und, Euch heira then wollte" — platzte Matthäus heraus. „Guter Gott!" sprach Christel und schlug die Hände zusammen. — „Warum habt Ihr Mir. dies nicht eher gesagt?" „Weil ich eher noch keine Frau ernähren konnte. Nun aber bin ich dies im Stande und hatte mir darum fest vorgenommen, vergangenen Sonntag um Euch anzuhalten. Da kam Herr Neil am Freitage zuvor und sagte mir, daß Ihr seine Braut wäret. Und da kam ich auf den bösen Gedanken, den mir der. Herr verzeihen wolle" — gestand Matthäus. . -