Orgel der Dresdner Frauenkirche zwei Stunden lang, von nachmittags 2 bis 4 Uhr, vor der Dresdner Öffentlichkeit. Die Beziehungen der h-moll-Messe zu Dresden allein schon rechtfertigen eine Ver anstaltung von Dresdner Bach-Tagen. Als Kantate für den Vormittagsgottesdienst der Kreuzkirche, der im liturgischen Teil ganz im Stile der Badischen Zeit gestaltet wird, ist mit Absicht eine von den 4 Kantaten gewählt worden, die Bach durch Unterlegung des Messetextes in die Hohe Messe herübergenommen hat: die Kantate Nr. 12 „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“. Aus dem gleichen Grunde bringt das weltliche Chorkonzert am 24. Mai u.a. die Ratswahlkantate „Wir danken dir“, deren Chorsatz nahezu völlig unver ändert als „Gratias agimus“ und als „Dona nobis pacem“ in der Hohen Messe erscheint. Im Mittelpunkte des Chorkonzertes im Vereinshaus steht die weltliche Kantate „Die Wahl des Herkules“, die Bach für den sächsischen Hof, und zwar zum Geburtstage des Erbprinzen, 1732 komponierte. Für die Besucher unserer großen Kreuzchor- und Bachvereinskonzerte wird die Musik dieser Kantate eine eigenartige Überraschung bedeuten. Bach nahm den Eingangschor und eine ganze Reihe Arien aus der Herkules kantate in das Weihnachtsoratorium herüber (vergleiche sein Verfahren bei der Hohen Messe) durch Unterlegung anderen Textes, zum Teil auch mit Änderung der Ton art. Er tat dies bereits im darauffolgenden Jahr, nachdem „Die Wahl des Herkules“ aufgeführt war, offenbar in der Erkenntnis, daß diese heitere, liebliche Musik noch einem besseren Zweck dienen könnte, als nur Gelegenheitsmusik zu sein. In der Tat hat uns Bach damit eine deutsche Weihnachtsmusik geschenkt, ohne die sich viele Kunstfreunde ihr Weihnachten nicht denken können. Ihnen wird es von besonderem Reize sein, den liebgewordenen Weisen in ihrer ursprünglichen Bestimmung zu begegnen. Im Kammerkonzert steht das Quattuor des Geigers Pisendel auf dem Programm, das in der Thematik eine Huldigung für Bach darstellt. Ein besonders beziehungsreicher Beitrag zu den Bach-Tagen ist die Feierstunde ander Silbermann-Orgel in der Sophien- kirche, die einst schon unter Bachs Meisterhänden erklang und die in fast unveränderter Gestalt als einziger lebendiger Zeuge jener künstlerisch großen Zeit auf uns gekommen ist. Endlich aber sind die Dresdner Bach-Tage gerechtfertigt durch die Motetten, die zwai keine unmittelbare Beziehung zu Dresden haben, wenn man bei der größten von ihnen: „Singet dem Herrn ein neues Lied“ nicht eine solche darin sehen will, daß Bach sie nach dem Frieden von Dresden, der den zweiten Schlesischen Krieg beendete, komponiert hat. Die Motetten sind den Vesperbesuchern vertraut als selbstverständlicher geistiger Besitz, weil Dresden eine von den ganz wenigen Städten ist, wo diese Musik in einer ständigen Kunsteinrichtung regelmäßig gepflegt wird: in der Dresdner Kreuzchorvesper. RUDOLF MAUERSBERGER