DIE WAHL DES HERKULES führte Bach am 5. September 1733 zum Geburtstage des sächsischen Kurprinzen auf. Diesem „Dramma per musica“ entlehnte der Meister gleich anderen Werken zum Preise des sächsischen Königshauses verschiedene Nummern und nahm sie ins Weihnachtsoratorium auf. So wurde der Einleitungschor zu „Fallt mit Danken“ (Weihnachtsoratorium IV. Teil, Nr. 36), die Buhlarie der Wollust „Schlafe, mein Lieber“ zu. dem berühmten Wiegenlied (11, 19), die Arie „Teures Echo“ zu der Echoarie (IV, 39), der Gesang der Tugend „Auf meinen Flügeln sollst du schweben“ zu „Ich will nur dir zu Ehren“ (IV, 41), Her kules’ Abweisung der Lockungen der Wollust „Ich will dich nicht hören“ zu „Bereite dich, Zion“ (1, 4) und_der Zwiegesang zwischen Herkules und der Tugend „Ich bin deine, du bist meine“ zum Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen"(111, 29). Bach hat den Urbildern nicht nur andere — wahrscheinlich von ihm selbst ge dichtete — Wortlaute untergelegt, sondern hier und da auch Stimmführung und Instrumentation entsprechend verändert. Dieses „Parodie-Verfahren“ ist ein Beweis dafür, daß der große Meister nicht in einen weltlichen und kirchlichen Bach „zerfiel“, sondern eine in sich geschlossene Persönlichkeit war. In der Kirche musizierte er so lebenbejahend, daß diese Musik auch bei außerkirchlichen An lässen ertönen konnte, während seine sogenannten weltlichen Kompositionen so gehaltvoll waren, daß sie auch zum Preise des Höchsten verwendet werden konnten. Fritz Müller