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D-Dur-Sinfonie durch Lebensbejahung, Lebens freude und innere Gelöstheit gekennzeichnet. Das Werk, das oft als die „Pastorale" des Komponisten bezeichnet wurde, steht in star kem Gegensatz zu der vorangegangenen, leidenschaftlich-kämpferischen c-Moll-Sinfonie und verhält sich zu ihr vergleichsweise etwa wie Beethovens „Sechste" zu seiner „Fünften" oder Dvoräks achte zur siebenten Sinfonie. Landschaftliche Eindrücke, Naturstimmungen sollen auch bei der Entstehung dieser Brahms- Sinfonie eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellen rieseln, Sonnenschein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein," äußerte der dem Komponisten befreundete Chirurg Theodor Billroth zu der in wenigen sonnenerfüllten Sommermonaten in Pörtschach am See in den Kärntner Bergen geschriebenen Komposition, die in ihrer pastoralen Lieblichkeit dem ein Jahr später dort entstandenen Violinkonzert nahe verwandt ist. „Eine glückliche, wonnige Stimmung geht durch das Ganze, und alles trägt so den Stempel der Vollendung und des mühelosen Ausströmens abgeklärter Gedanken und war mer Empfindungen." Doch entbehrt das sehr einheitliche und ge schlossene, an herrlichen Einfällen überreiche Werk trotz seiner lichten und freudigen, lyri schen Grundhaltung, trotz seiner Bindung an die „heitere" klassische Themen- und For menwelt, keineswegs kraftvoller, ja zum Teil auch tragischer Töne. Am 30. Dezember 1 877 fand die Uraufführung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz' Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer" nannte) durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraus sage „Mit dieser Sinfonie wird er auch beim .Publikum durchschlagenderen Erfolg haben als mit der ersten" sollte sich dabei nachhaltig bestätigen. Eine meisterhaft variationsmäßige Durch dringung und Bindung der einzelnen gegen sätzlichen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung erwächst, charakterisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des gesamten Werkes ist das aus drei Tönen (d-cis-d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violoncelli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema vorausgeschickt wird und als Grundmotiv in zahlreichen Variationen und Ableitungen die Sinfonie durchzieht. In Hör nern und Holzbläsern erklingt das Hauptthema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnisvolle Klänge der Posaunen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung anmutenden Beginn tragen die Violinen eine weitgeschwungene, bereits abgeleitete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlichkeit, die je doch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wieder gedämpft wird. In der poesievollen Durch führung des Satzes, die durchaus große Stei gerungen aufweist und ihren Höhepunkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grund motiv, das Hauptthema und daraus abge leitete Gedanken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von ungetrübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungs schwerer gibt sich der folgende, in dreiteiliger Liedform angelegte Satz (Adagio non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwermütige Cello-Kantilene in H-Dur, die dann von den Violinen aufgenommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechsel; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakte ristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu span nungsvollem musikalischen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cello-