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- ^63, ES.ist eine Lhatsache ; ich verbürge sie; ich war " Augenzeuge, — mehr noch, — Ohrenzeuge der gräßlichsten Verwünschungen, die den Man» tra fen, den einst, wett er für sie wie ein Vater sorgte, die Soldaten vergöttert hatten. In allen Städten, Städtchen und Dörfer» de- Rheingebietes lagen Reste der Armee in Cantone» rungen, Fragmente jenes großen, zeriffenen, blut triefenden Körpers. Und in welcher Gestalt zogen sie ein? * , 2» einem Dorfe wurde der General Wathiw oder Wathrin (genau erinnere ich mich des Namen- nicht mehr) angesagt mit seiner ganzen Divisim». Die armen Bauern erschraken auf den Lod, den« was eine Division sagen wollte, das hatte man hinlänglich kennen gelernt, weil man berechnet hatte, wie viele Söhne vom Mutterherzen gerissen werden mußten, um zur Schlachtbank «»«ri-wo geschleppt werden zu können. Die Division rückte gegen Abend still ein, aber wie erstaunte man, als e- etwa 10V Mann, zusammengesetzt aus allen erdenk lichen Waffengattungen, theils ohne Pferd, theil- ohne Waffen, Kranke, Verwundete wart»! Der General wandte sich zu dem greisen Pfarrer, m» er Quartier fand, und sagte, auf diese betrübte Soldateska zeigend, mit einer Thräne im Auge: „Hila Mi» «iiviswa!" Was aber in.der Lhat ent setzlicher war als dieser Anblick, das war die eigen» thümliche Atmosphäre, welche diese Unglücklich« umgab, der furchtbare Geruch des Elends und der Krankheit, die sie auch.üverall hinbrachten, und die ihre Zerstörungen nun in den Wohnungen der friedlichen Bürger begann, eine Folge, die weit- - hin gränzenloses Elend in die Familien brachte. — Und doch verleugnete sich die Rationalität nicht. Kaum fühlten sie sich heimisch, und das machte sich ungemein schnell, so kehrte die Heiterkeit und die Lust zurück. Die Soldaten spielten, schäkerten und scherzten und die Officiere veranstalteten Gastmahle und Feste, die nur Frohsinn athmrten. Wurde indessen der Name „Berezkna" genannt, so mochte man leicht beobachten, wie ein Schatten über die Ge sichter flog und ein bitterer Lropfen in den schäu menden Becher fiel, der nachhaltig die Lust ver gällte. Waren sie doch auch schrecklich genug, hiess Erinnerungen, um die Lust des Augenblicks M dämpfen. ' - / Während dies in den Orten des Landes geschah, zogen Schaaren von Deserteurs durch die Wäld« des Hundsrückens. Es waren theils LandeSkinder, Ereignisses unmittelbar nahe stand, und ich gebe sie hm, wie ich sie empfangen habe, einfach und schmucklos, aber frisch und anschaulich, und btmerke nur noch, daß ich der Referent eines Mannes bin, der auf eine tragische Weise sein Leben in den Flu- then verlor. « Ein unabweisbares Geschäft hatte mich in dem critischen Momente nach Mainz gerufen, als eben der Schlachtendonner von Hanau verhallt war. Der Imperator war nach Paris geeilt und vor ihm her die kolossalste seiner Lügen, das letzte Bul letin der großen Armee, die jetzt sich in entsetzen erregendem Zustande über die Brücke von Mainz drängte. Ich habe viel Elend im Leben gesehen, aber ein riesenmäßigeres nie, als das war, daS jetzt in den erschütterndsten Gestalten , vor meinen Blicken sich entfaltete. War der Grad desselben an sich schon furchtbar, so erschien es mir in dem gräßlichen Contraste noch größer. Vor einem Jahre war ich in Mainz ge. wesen, um das schönste kriegerische Schauspiel mit anzusehen, welches, ich möchte sagen, jemals ein Luge sah. Die schönste Armee, von der die Kriegs geschichte zu sagen weiß, zog damals über den Rhein. Die Aoler glänzten im Sonnenschein, die Fahnen flatterten herrlich, die Pracht der Unifor men und der Bewaffnung setzte in Erstaunen. Und welche Leute! Alle strotzten von Kraft, alle belebte ein frischer Muth. Das „Vive i'Lmpere>r!" kam aus den innersten Fugen der Seele, - kurz, — es bezauberte und betäubte. Das schienen die Er oberer einer Welt zu sein! Wer hätte bei dem Glücke Napoleon'», bei seinem Geiste, seinem Feld» herrntalent, daran zu zweifeln gewagt? —Und jetzt! Bleich, entstellt, zerlumpt, kochbedeckt, krank, verwundet, schleppten sich zerrissene Regimenter einher. Reiter ohne Rosse hinkten barfuß an Stö cken, — doch ich will das Bild nicht ausmalen; es stand vor meiner Seele in all' seinem Jammer und in dem ungeheuren Maße seines Elends! Ich floh in die Heirnath,. damals am linken Ufer des Stromes, der über seinen Rücken die Pracht und jetzt das Elend ziehen ließ und ruhig seine Fluthen dem Meere zusandte. Kaum angelangt, trat wieder dies gräßliche Bild zertretener Größe und Macht, dies herzzerreißende Bild deS Elends mir nahe. Und klingt es nicht als Uebertreibung? — bis in eine Entfernung von sechzehn Stunden von Mainz kamen Verwundete aus der Schlacht von Hanau, die nicht verbun den waren! ,